Hüppe schießt gegen Kreis-Kommunen „Wer unbequeme Schüler aussortiert, muss mehr zahlen“

Hüppe-Kritik an Förderschulen – Kreis kontert mit Quote an Regelschulen
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Unterricht in einer Förderschule zeichne ein erwachsenes Leben von Sozialhilfe voraus – auf diesen Nenner ist die aktuelle und erneuerte Kritik von CDU-Kreistagsmitglied Hubert Hüppe an den Übergangsquoten in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.

„Die Zahlen von den Übergängen von Menschen mit Behinderungen aus Förderschulen in Ausbildungen oder an Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt sind katastrophal“, verlautbart der inklusionspolitische Sprecher der CDU-Fraktion und scheidende CDU-Bundestagsabgeordnete in einer Pressemitteilung.

Ergebnisse der Förderschulen „niederschmetternd“

Es sei sein „persönliches Resümee“ bei einem Blick auf die jetzt vorliegenden Daten aus den Förderschulen des Kreises Unna, teilt Hüppe ausdrücklich mit. Die Betonung spielt insofern eine Rolle, als der frühere Behindertenbeauftragte der Bundesregierung in seiner eigenen Fraktion eine singuläre Position vertritt.

Dieser Umstand sei ihm natürlich bewusst, er vertrete seine Ansicht aber aus voller Überzeugung, so Hüppe im Gespräch mit dieser Redaktion. Seine persönlichen Erfahrungen als Vater eines körperlich stark beeinträchtigten Sohnes hätten ihn zu einem Verfechter der Inklusion gemacht, weil er deren Vorteile sehe.

Hingegen werde „viel Geld in das Sonderschulsystem gesteckt“ und es gebe dort eine viel bessere Schüler-Lehrer Relation als in den Regelschulen. Dennoch sei das Ergebnis beim beruflichen Fortkommen der Förderschüler „niederschmetternd“.

Auf seine Anfrage hin hatte Hüppe die Angaben zu Schulabschlüssen und zur weiteren schulischen oder beruflichen Laufbahn der Förderschüler für das Schuljahr 2023/2024 von der Kreisverwaltung erhalten.

Demnach wechselte von der Jakob-Muth-Schule in Unna und dem Förderzentrum Nord in Lünen und Selm der überwiegende Teil der Absolventen entweder auf ein Berufskolleg oder in eine berufsvorbereitende Maßnahme der Agentur für Arbeit. Diese beiden Förderschulen haben den Schwerpunkt „Lernen“ und „Emotionale und soziale Entwicklung“.

„Bis zum Ende des Lebens Sozialhilfeempfänger“

„Besonders erschreckend“, so Hüppe, seien die Zahlen bei den Förderschulen für geistige Entwicklung. Von der Karl-Brauckmann-Schule in Holzwickede und von der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Bergkamen habe keine Schülerin und kein Schüler in eine Ausbildung oder eine Arbeitsstelle des ersten Arbeitsmarktes vermittelt werden können.

Dabei sei das Ergebnis der Schule in Holzwickede „besonders ernüchternd“: Im vergangenen Jahr habe dort noch rund ein Drittel der Schüler in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Hubert Hüppe: „Stattdessen wechseln fast alle in Werkstätten für behinderte Menschen und werden wohl bis zum Ende des Lebens Empfänger von Sozialleistungen bleiben.“

Entwurf der modernisierten Karl-Brauckmann-Schule in Holzwickede
Die Karl-Brauckmann-Schule in Holzwickede, eine Förderschule des Kreises Unna, soll für rund 25 Millionen Euro bis 2028 modernisiert werden. © Lindner Lohse Architekten BDA

In seinem Bericht zum Übergang „Schule – Beruf für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ stellt Sozialdezernent Torsten Göpfert fest, dass die Chancen dieser Schüler generell geringer seien, „trotz Fachkräftebedarf einen Ausbildungsplatz zu bekommen.“ Er räumt ein, dass daher „ein erhöhtes Risiko, erwerbslos zu bleiben“, bestehe.

Der Erfolg der Förderschulen bei der Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf wird von Hubert Hüppe bestritten, während die Kreisverwaltung auf Maßnahmen und Programme und die ein oder andere Schwierigkeit dabei hinweist.

Programm soll Alternativen zur Werkstatt eröffnen

So laufe seit dem Jahr 2013 z.B. das Landesprogramm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) auch im Kreis Unna; beteiligt sind daran u.a. auch Unternehmen und Kammern sowie Arbeitsagentur und Jobcenter. Es solle mit dem Programm gerade eine Alternative zu Behinderten-Arbeitsgelegenheiten wie der Werkstatt im Kreis Unna bieten und bessere Chancen für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnen.

In dieser Hinsicht gebe es sehr viele hilfreiche Aktivitäten in den Förderschulen. Andere Maßnahmen griffen hingegen nicht: So sollten die Chancen für Förderschüler beim Übergang auf ein Berufskolleg verbessert werden.

Stefanie Krüger-Peter, Sprecherin der Initiative „Dabei“ im Kreis Unna, steht in ihrem Garten in Schwerte.
Stefanie Krüger-Peter, Sprecherin der Initiative „Dabei“ im Kreis Unna, die sich für Inklusion im Bereich Bildung starkmacht. Gemeinsam mit zwei weiteren Verbänden hatte die Organisation eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Kreis Unna wegen des Ausbaus der Förderschulen eingereicht. © Archiv/Holger Bergmann

Als Instrument dafür war ein Übergabeprotokoll eingeführt worden, das die „individuellen Bedarfe“ der Schüler unterstützen sollte. Nach zwei Jahren Erprobung, so Göpfert, sei es wieder eingestellt worden: „Grundsätzlich war es für den Zweck geeignet, wurde jedoch von den Schülern sowie deren Eltern nicht angenommen.“

Hubert Hüppe äußert hingegen harsche Kritik an dem Programm KAoA-STAR (Schule trifft Arbeitswelt). „Ob es KAoA-STAR gibt oder nicht, ist offensichtlich egal. Schlechter hätte es auch ohne das Programm nicht sein können“, so der Bundestagsabgeordnete.

Noch deutlicher sind Hüppes Vorwürfe gegenüber der Arbeitsagentur. So könne man den Eindruck gewinnen, dass man junge Menschen gerne in die Werkstätten und damit langfristig in die Eingliederungshilfe abschiebt. Allein im Jahr 2023 seien im Kreis Unna für die Menschen in Werkstätten 37 Millionen Euro ausgegeben worden.

Schüler mit Förderbedarf meistens auf Regelschulen

Den geplanten Neubau einer weiteren Förderschule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung für fast 60 Millionen Euro stellt Hüppe daher in Frage. Dies werde „zu einem weiteren Zuwachs an Sonderschülern und anschließend zu Sozialempfängern führen“. Stattdessen sollten die Investitionen und das Personal in den inklusiven Unterricht der Regelschulen gehen.

Die Bezirksregierung hatte insofern vor einigen Monaten eine Kommunalaufsichtsbeschwerde gegen den Kreis Unna von Verbänden, die sich für Inklusion einsetzen, abgewiesen und den Neubau passieren lassen.

Sozialdezernent Torsten Göpfert weist unterdessen darauf hin, dass mittlerweile „der größere Teil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen unterrichtet“ werde. Tatsächlich stieg nach den Zahlen des Kreises die Quote von 26,6 Prozent im Schuljahr 2013/2014 auf 60,3 Prozent im Schuljahr 2023/2024.

Hubert Hüppe bemängelt dennoch eine zu einseitige Ausrichtung auf Förderschulen. Zukünftig sollten seiner Ansicht nach die Städte und Gemeinden des Kreises differenzierte Umlagen für die Förderschulen zahlen. Hüppe: „Wer seine unbequemen Schüler aussortiert, sollte auch mehr dafür zahlen als die Städte, die sich bemühen, ihre Schüler inklusiv zu beschulen.“