Antikörper-Tests lösen bei Kamener Paar Kettenreaktionen aus

© Angelina Zander

Antikörper-Tests lösen bei Kamener Paar Kettenreaktionen aus

dzCoronavirus

Horst Mell und seine Lebensgefährtin haben in der Pandemie viel durchgemacht. Der Kamener sollte ohne Test plötzlich in Quarantäne, seine Lebensgefährtin ist nach drei Impfungen kaum geschützt.

Kreis Unna

, 26.03.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Hinter dem Kamener Paar liegt eine nervenaufreibende Zeit. Horst Mell hat viele Operationen hinter sich, auch seine Lebensgefährtin musste in den vergangenen Jahren häufiger Kliniken aufsuchen. In den Jahren 2020 und 2021 befindet sie sich mehr als sieben Monate in einer Chemotherapie. Anfang 2020 bahnt sich das Coronavirus seinen Weg nach Europa. Ende des Jahres wird über Impfungen gesprochen.

Aber kann nach einer Chemotherapie überhaupt eine Impfung stattfinden? Diese Frage mussten sich Horst Mell und seine Lebensgefährtin, die namentlich nicht genannt werden möchte, stellen. Sie informieren sich und entscheiden sich im Mai 2021, sich das erste Mal impfen zu lassen. Im Juli folgt die zweite Impfung, im Januar dieses Jahres wird das Paar geboostert. „Wir haben drei verschiedene Impfstoffe bekommen“, berichtet Horst Mell, der aufgrund dessen der Überzeugung ist, einen wirksamen Impfschutz zu besitzen.

»Seit der Chemotherapie gibt es keine Umarmung mehr. Mit meinen Enkeln kann ich nicht mehr kuscheln.«
Kamenerin

Antikörper-Tests bringen überraschendes Ergebnis

Aufgrund ihrer Vorgeschichte verhält sich seine Lebensgefährtin trotz dritter Impfung defensiv, sucht nicht aktiv den Kontakt zu großen Gruppen. Mittlerweile sind diverse Antikörper-Tests auf dem Markt, die Aufschluss darüber geben sollen, wie viele Antikörper gegen das Coronavirus ausgebildet worden sind. Das Ehepaar erhofft sich eine Idee davon zu bekommen, was drei Impfungen an Schutz bewirken können.

Doch der Test bringt gleich mehrere Überraschungen für die Kamener mit sich. „Mit dem Test wurde festgestellt, dass ich einen Wert von 2500 hatte, meine Lebensgefährtin von unter 40. Daraufhin haben wir versucht, Informationen zu bekommen. Aber unsere Ärztin wusste auch nicht, was zu tun ist.“ Denn unweigerlich stellt sich für die beiden die Frage: Benötigt die Kamenerin eine vierte Impfung?

Der Antikörper-Wert wird mit Hilfe einer Blutprobe analysiert. Ein Kamener Paar hat sich zur selben Zeit mit den selben Impfstoffen impfen lassen und völlig unterschiedliche Ergebnisse erhalten.

Der Antikörper-Wert wird mit Hilfe einer Blutprobe analysiert. Ein Kamener Paar hat sich zur selben Zeit mit den selben Impfstoffen impfen lassen und völlig unterschiedliche Ergebnisse erhalten. © dpa (Symbolfoto)

Einen Antikörper-Wert von 40 setzt Horst Mell mit einem quasi nicht vorhandenen Corona-Schutz gleich. Tatsächlich ist bislang noch nicht eindeutig festgelegt, welcher Wert den Beginn des vollständigen Schutzes markiert. Auch seine Lebensgefährtin ist überrascht – und mit sozialen Kontakten fortan noch zurückhaltender. Schließlich habe sie monatelang gedacht, gut gegen das Virus geschützt gewesen zu sein. „Ich habe mich schon die ganze Zeit zurückgehalten. Mein einziger Kontakt ist meine Familie. Im Prinzip halte ich mich von allen fern.“

Mit den Enkeln kuscheln kann die Kamenerin nicht mehr

Was ihr besonders schwer falle, ist die fehlende körperliche Zuneigung: „Seit der Chemotherapie gibt es keine Umarmung mehr. Mit meinen Enkeln kann ich nicht mehr kuscheln“, erzählt sie. Eine Ärztin habe sie darüber aufgeklärt, dass die Ursache für den niedrigen Antikörper-Wert die Chemotherapie sei, berichtet die Kamenerin. „Das ganze Immunsystem ist kaputt. Das heißt aber nicht, dass es jedem, der in Chemotherapie war, so gehen muss.“

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Das Gespräch mit der Ärztin habe letztlich auch dazu geführt, dass sie auf eine vierte Impfung mit einem der neuen Impfstoffe warten werde. „Endlich hat man etwas Greifbares“, berichtet Horst Mell von der langen Phase der Unklarheit, in der das Paar steckte.

Diese Kette der Unwägbarkeiten war aber nicht die einzige, die der Antikörper-Test der Kamener auslöste. Denn plötzlich flatterte ein Schreiben ins Haus – eine Quarantäneanordnung für Horst Mell aufgrund eines positiven Coronatests. „Warum bin ich getestet worden?“, fragt sich der Kamener, der bis dato nur einen Antikörper-Test gemacht hatte, nicht aber einen Antigen-Test.

Verkettung unglücklicher Umstände

„Was schief gehen konnte, ist schief gelaufen“, fasst er das zusammen, was sich vor dem Verschicken der Quarantäneverordnung in mehreren Stellen ereignet hatte, wie er auf mehrfaches Drängen vom Gesundheitsamt erfährt. „Die Arztpraxis hat auf den Zettel nicht draufgeschrieben, dass es sich um einen Antikörper-Test nach einer Booster-Impfung handelte.

»Unter Berücksichtigung der hohen Fallzahlen kommen solche Irrläufer selten vor.«
Gesundheitsamt des Kreises Unna

Beim Gesundheitsamt hatte ihn dann jemand auf dem Tisch, der dachte, es sei ein Test. Damit war ich schon abgefertigt“, berichtet Horst Mell. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes habe ihm nach einer Recherche erklärt, dass die Quarantäne-Anordnung aus vielen „ganz kleinen Fehlern“ resultierte.. Das Gesundheitsamt des Kreises Unna bestätigt diese Schilderungen auf Anfrage der Redaktion. „Unter Berücksichtigung der hohen Fallzahlen kommen solche Irrläufer selten vor“, heißt es.

Und auch zur vierten Impfung seiner Lebensgefährtin äußert sich der Kreis Unna auf Anfrage. So sei es möglich, „mit einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung zu der fehlenden Antikörperbildung den Impfstoff von Novavax zu erhalten“. Diese Information hat auch das Kamener Paar von seiner Ärztin erhalten: Sie wolle ein Schreiben an das Gesundheitsamt schicken, berichtet Horst Mell.