Einzelhandel
„Wir sind alle perplex“: Bäckerei schließt von einem Tag auf den anderen
Schock für Mitarbeiter und Kunden der Bäckerei Albert, ehemals Brand, in Heeren-Werve: Die Ladenlokale schließen von einem Tag zum anderen. Die Belegschaft fühlt sich überrumpelt.
Der Schreck fuhr der Mitarbeiterin in die Beine, als sie vor verschlossener Tür des eigenes Geschäfts stand. Die Bäckerei Albert an der Märkischen Straße 10 öffnete am Mittwochmorgen nicht. „Bis Dienstag haben wir hier noch gearbeitet“, sagt die Angestellte, die namentlich nicht genannt werden möchte. „Wir sind alle sehr perplex.“ Die Belegschaft habe zuvor keine Nachricht über eine bevorstehende Schließung erhalten.
Hintergründe über die Beweggründe gab es dann im Tagesverlauf über eine Nachricht im Schaufenster zu lesen: Es sei immer schwieriger geworden, Fachkräfte zu finden, wie Inhaber Stephan Albert dort formuliert. „Zu wenige haben das Handwerk als solches in ausreichender Weise gelernt, zu niedrig ist die Bereitschaft zu den berufsüblichen Arbeitszeiten zur Stelle zu sein und unser jahrtausendaltes Handwerk zu dem zu machen, was es ist.“
Maxikinder des Kindergartens St. Bonifatius im Jahr 2017 bei einem Besuch in der Backstube von Stephan Albert (hinten). Seit Mittwoch sind die Filialen der Bäckerei in Heeren-Werve und Bönen geschlossen. © Kira Presch
Drei Bäckereien in Heeren-Werve und Bönen betroffen
Betroffen von der Schließung sind eine weitere Filiale am Schattweg 118 und der Hauptsitz an der Bahnhofstraße 43 in Bönen. Allein in der Filiale an der Märkischen Straße, in Heeren-Werves neu gestalteter Mitte, hatten fünf Beschäftige in Voll- und Teilzeit gearbeitet. „Jetzt sind alle Filialen komplett zu“, berichtet die Mitarbeiterin, die sichtlich betroffen ist. „Ich habe hier sehr gerne gearbeitet.“
Auch die Wirtschaftsförderung der Stadt Kamen wurde von der Nachricht überrascht. „Ja, die Schießung ist offenbar endgültig“, bestätigte Stadtsprecher Rüdiger Büscher. Wirtschaftsförderin Ingelore Peppmeier habe nach Bekanntwerden der Nachricht Kontakt mit dem Eigentümer des an Albert verpachteten Ladenlokals aufgenommen, um ein Gespräch über eine mögliche Nachnutzung aufzunehmen.
„In den Ferien freut sich unser Team in der Ortsmitte auf Sie!“ An der Filiale am Schattweg gab es am Donnerstag noch keinen Hinweis auf die endgültige Schließung. © Michael Neumann
Kunden traurig über die Schließung
Der Heerener Kunde Walter Blank, der am Morgen vor verschlossener Ladentür stand, blickte traurig durch das Schaufenster, durch das die leeren Regale zu sehen sind. „Ich habe hier regelmäßig eingekauft, hier habe ich mein Brot bezogen“, berichtete er. Die Auswahl sei immer gut gewesen, das Brot habe geschmeckt. „Es gab leckeres Paderborner Brot. Und das Kommissbrot, das es immer mal wieder zu bestimmten Zeiten gab, hat mich an meine Jugend erinnert.“ Kommissbrot ist ein einfaches, haltbares Brot eigentlich zur Versorgung von Soldaten. „Außer der Post gibt es jetzt im Dorfkern gar nichts mehr“, klagte Blank nun.
Wie berichtet, hatte die Volksbank Kamen-Bönen ihre Filiale geschlossen und den Standort auf SB-Automaten reduziert. Die Sparkasse Unna-Kamen ist vorübergehend an die Bergstraße gezogen. „Wozu die ganze Gestaltung, wenn es hier alles tot ist“, kommentierte auch ein anderer Passant.
Die Sparkasse ist ausgezogen, die Volksbank hat geschlossen – und nun ist auch die Bäckerei verschwunden. In Heerens neuer Mitte sieht es alt aus. © Michael Neumann
Bäcker begeistert von vielen handwerklichen Aufgaben
Die Bäckerei von Stephan Albert, die mit dem Slogan „Albert, unser Bäcker“ warb, zählte noch zu den kleinen Handwerksbetrieben, die viele Kunden liebten. Dieter Albert, der Großvater des Inhabers, hatte die Firma mit der Übernahme der Bäckerei Mühlenhoff im Jahr 1970 gegründet. Stephan Albert: „Drei Generationen lang schätzten unsere Kunden in Bönen und Heeren unsere Backwaren. Tag für Tag.“ Die Zeiten allerdings hätten sich geändert: Corona, der Krieg in der Ukraine, all solche Dinge seien früher einfach nur in weiter Ferne und unvorstellbar gewesen. „Brauchte man einen Bäcker mehr – und das taten wir schon immer – dann stellte man eben einen ein.“
Hohe Qualität der Produkte und Herzblut fürs Handwerk
Hohe Qualität der Produkte und Herzblut fürs Handwerk zeichneten die Arbeit der Albert-Belegschaft aus. „Herr Albert wurde seit seiner Kindheit in den Bäckereibetrieb seines Großvaters eingebunden“, heißt es in einer Selbstbeschreibung im Internet. „Besonders begeistern ihn die vielfältigen, handwerklichen Aufgaben, die er als Bäcker in Heeren-Werve täglich erfüllt.“
Sein Vorgänger, Bäckermeister Helmut Brand, hatte im November 2018 die Bäckerei im 106. Jahr ihres Bestehens an Stephan Albert abgegeben und sich laut Angaben der Kreishandwerkerschaft Hellweg-Lippe zum Beispiel auf „etwas mehr Urlaub, mal am Stück“ gefreut wie es damals hieß. Er sei froh darüber, dass die ehemalige Brand-Backstube und das Ladenlokal weitergeführt werden könnten. Die alteingesessene Bäckerei hatte 2012 ihr 100. Jubiläum gefeiert. Helmut Brand hatte 50 Jahre lang in der Bäckerei seines Vaters gearbeitet. Fast so lange, wie die Bäckerei Albert nun bestand. Die Aufgabe kommt nach 52 Jahren. Albert: „Für mich als Inhaber steht nicht zuletzt auch die nächste Generation seit drei Monaten eher im Vordergrund als das Ausgleichen von fehlender Arbeitskraft und Arbeitswillen.“
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