Rathaus macht Kamener Fotografen Konkurrenz „Das ist Wettbewerbsverzerrung“

Rathaus macht Fotografen Konkurrenz: „Das ist Wettbewerbsverzerrung“
Lesezeit

Es dauert nicht mehr lang, dann können die Menschen in Kamen ihre Passfotos selber machen. Spätestens im Mai kommenden Jahres will die Stadt einen Automaten aufstellen, der für sechs Euro Bilder für Ausweispapiere erstellt. Für die dürfen ab dem 1. Mai 2025 ausschließlich digitale Fotos verwendet werden, die über eine sichere Verbindung an die Behörde geschickt werden müssen.

Die Möglichkeit, diese Fotos direkt im Rathaus anzufertigen, klingt nach einem guten Bürgerservice. Aber es gibt auch Kamener Bürger, die das als Existenzbedrohung ansehen.

Ralph Bisdorf zum Beispiel. Er betreibt seit 17 Jahren ein Fotostudio am Willy-Brandt-Platz. „Die Passfotos sind für uns das Brot- und Buttergeschäft“, sagt er. Ähnlich hatte Annarosa Way argumentiert. Sie hatte vor kurzem ihr Geschäft „Foto Sommer“ an der Weststraße geschlossen. Unter anderem mit der Begründung, durch den Fotoautomaten im Einwohnermeldeamt weitere Umsatzeinbrüche zu befürchten.

Leerstand Weststraße Foto Sommer
Das ehemalige Studio „Foto Sommer“ an der Weststraße steht seit kurzem leer. © Stefan Milk

Die Stadt müsse die gesetzlichen Vorgaben zum 1. Mai 2025 umsetzen, sagt deren Pressesprecher Peter Büttner auf Anfrage. Bisdorf widerspricht dem nicht. Aber es gebe keine Pflicht, einen Automaten aufzustellen, betont er. Über eine Mitgliedschaft in Ring-Foto, eigenen Angaben zufolge Europas größter Fotoverbund, habe er in Erfahrung gebracht, dass die Stadt das Angebot der Bundesdruckerei auch hätte ablehnen können.

Fast alle Kommunen stellen Fotoautomaten auf

Das sei richtig, bestätigt Andrea Goerke vom Bürgerbüro. Aber die Stadt wollen den Automaten als Service für die Bürger aufstellen: „Außerdem hat eine Abfrage im Kreis Unna ergeben, dass nahezu alle anderen Kommunen das ebenfalls tun.“ Allerdings seien die Bürgerinnen und Bürger nicht verpflichtet, den Automaten, den sie selber bedienen müssen, zu benutzen.

Der Schriftzug «Bundesdruckerei»,
Die Bundesdruckerei stellt der Stadt den Fotoautomaten zur Verfügung: Kostenlos. © picture alliance / dpa

Sie können auch weiterhin zum Fotografen gehen – allerdings nicht zu jedem. Diejenigen, die weiterhin Fotos für offizielle Ausweise fertigen wollen, müssen sich laut Goerke bei einer Bundesstelle zertifizieren lassen. Dann dürfen sie die Digitalfotos in eine offizielle Cloud hochladen, auf die die Ämter Zugriff haben.

Bisdorf will das auf jeden Fall machen, um zumindest noch etwas vom Passbild-Kuchen abzubekommen. Dafür müsse er aber investieren, sagt er. Den Fotoautomaten bekommt die Stadt von der Bundesdruckerei, die seit 30 Jahren als GmbH firmiert, kostenlos. Im Gegenzug gehen die Einnahmen nach Berlin.

Konkurrenz von der Öffentlichen Hand

Bisdorf erlebt nicht zum ersten Mal, dass das Geschäft schwieriger wird. Kameras verkauft er nicht mehr, weil der Online-Handel die Preise kaputt gemacht habe. Passfotos gibt es im Drogeriemarkt günstiger. So etwas nennt man Marktwirtschaft. Aber im Falle des Fotoautomaten macht ihm die öffentliche Hand mithilfe von Steuermitteln Konkurrenz, ärgert er sich: „Das ist Wettbewerbsverzerrung.“

Bisdorf empört sich auch deshalb über die städtischen Automatenpläne, weil vor nicht allzu langer Zeit aus dem Rathaus noch ganz andere Töne gekommen waren. Anfang 2020 hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU) vorgeschlagen, dass Passfotos nur noch in den Ämtern angefertigt werden dürften, um Fälschungen zu verhindern. Später zog er den Vorschlag zurück.

Büttner hatte seinerzeit gesagt, die Stadt habe die Anschaffung von Fotoautomaten im Rathaus immer abgelehnt, um den örtlichen Fotografen keine Konkurrenz zu machen. Nur wenn das Gesetz das vorschreibe, werde ein Selbstbedienungsterminal aufgestellt.

Nun kommt die Konkurrenz aus dem Rathaus doch. Und falls Bisdorfs düstere Prognosen eintreffen, könnte sie einen weiteren Leerstand in der Innenstadt verursachen: „Wenn der Umsatz so stark zurückgeht, wie ich befürchte, muss ich den Laden schließen.“

Passfotos nur noch im Amt: Stadt Kamen stellt sich hinter die Fotografen