Neben Geschenken, einem leckeren Mahl und dem geschmückten Baum gehört der Kirchenbesuch an Heiligabend für viele Menschen einfach dazu. Auch bei jenen, für die Religion im Alltag keine Rolle spielt. Weihnachten liegt nun einige Monate zurück, doch steht Ostern vor der Tür. Zumindest aus christlicher Perspektive wird dem Fest eine größere Bedeutung beigemessen. An Ostern feiern Gläubige die Auferstehung Jesu Christi – das zentrale Ereignis des Christentums.
Gesamtgesellschaftlich sieht das anders aus. „Es ist so, dass Weihnachten viel stärker wahrgenommen wird“, bestätigt Dr. Niklas Peuckmann. Er ist seit 2023 als Pfarrer in der Evangelischen Gemeinde in Südkamen tätig. In der Sesekestadt bemerke man die Diskrepanz schon durch die Anzahl der Gottesdienste. „Am Ostersonntag feiern wir an drei Standorten in Kamen um 10.30 Uhr Gottesdienst.“ Am 24. Dezember hingegen fange man am Vormittag mit einem „Krabbelgottesdienst“ für die Kleinen an, den Tag über folgten Familienangebote, Krippenspiele, Vespern und spätabends die Christmette.
Vergessen dürfe man dabei jedoch nicht, dass die gesamte Fastenzeit, vor allem die Woche vor Ostern, mit vielen Angeboten aufwarte, beispielsweise an Gründonnerstag und Karfreitag. „Als Pfarrer ist man da gut beschäftigt“, so Niklas Peuckmann.

Im Johannes-Buxtorf-Haus, seiner Wirkungsstätte, begrüßt Niklas Peuckmann an Heiligabend schätzungsweise 180 Personen – „Dann stellen wir im Vorraum weitere Stühle auf.“
Am Ostersonntag seien es an die 100 Besucher, an anderen Gedenk- oder Feiertagen rund 50. „Bei regulären Gottesdiensten, zum Beispiel in der Sommerzeit, beobachte ich eine Besucherzahl im knapp zweistelligen Bereich“, schätzt der 35-Jährige.
„Weihnachten ist insgesamt harmonischer“
Woran liegt es, dass Weihnachten mehr Menschen in die Gotteshäuser zieht? Der Pfarrer vermutet: „Weihnachten wurde viel früher als Familienfest geöffnet und zudem hat die Kommerzialisierung das komplett für sich entdeckt.“ Letzteres gelte mittlerweile auch für Ostern. Doch: „Ostern ist die herausforderndere Geschichte.“
Es gehe ums Scheitern, um Verrat und den Tod. Diese Themen klammerten Menschen lieber aus – auch im Angesicht der angespannten weltpolitischen Lage. Und das, obwohl Ostern gleichzeitig positive Botschaften bereithalte: „Gemeinschaft, Stärkung und Hoffnung!“
Weihnachten sei insgesamt harmonischer. „Ein Kind wird geboren und erstrahlt in der Liebe von zwei Eltern.“ Auch die theologische Deutung – Gott wird Mensch in bescheidenen Verhältnissen – sei charmant.

Die Bedeutung von Familie entspreche dem Zeitgeist. „Wir versuchen, als Kirche diesen Weg mitzugehen.“ Beispielsweise folgt dem Ostergottesdienst in der Kamener Pauluskirche ein gemeinsames Frühstück.
Dass sich Brauchtum verändert, sei schon immer Realität gewesen. So gehören der Osterhase und bunte Eier mittlerweile unhinterfragt dazu, wurden einst jedoch als heidnische Symbole abgelehnt.
Themen wie Verzicht und Fasten seien wieder im Trend, der Wunsch nach Spiritualität groß. „Die Menschen suchen danach. Die Frage ist, ob die Kirche das abdecken kann“, so Peuckmann. Dabei sollte sie sich nicht vor Veränderungen scheuen. „Ich empfinde Religion grundsätzlich als eine Entdeckungsreise.“
Kamenern, die zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder einen Gottesdienst besuchen wollen, empfiehlt der Pfarrer tatsächlich die großen Feiertage. An diesen sei die Liturgie „schlanker“ und weniger von den herkömmlichen, eventuell unbekannten Ritualen und Gebeten geprägt.