Goldschmiedin (47) aus Kamen verleiht alten Schätzen neues Leben „Es gibt den Kunden Kraft“

Wunderschmuck von Telgmann: Neues Leben für Gold und Edelsteine
Lesezeit

Für Stephanie Telgmann ist es jedes Mal ein Wunder, was aus alten, kostbaren Schmuckstücken, die nicht mehr so recht in die Zeit passen, entstehen kann. Wunderschmuck, so bezeichnet sie denn auch das Ergebnis ihrer ungewöhnlichen Tätigkeit. Eine für sie im wahrsten Sinne des Wortes wunderbare Arbeit. Das wird für jene sofort spürbar, die die Goldschmiede Telgmann an der Weststraße 41 in Kamen betreten.

Die 47-jährige Goldschmiedin gibt Erbstücken oder anderlei Schmuck, der als nicht mehr tragbar erscheint, eine neue Form. „Das sind beispielsweise Schmuckstücke, die vom verstorbenen Partner oder der Patentante stammen“, sagt sie. „Und es sind Schmuckstücke, die großen ideellen Wert haben. Schmuckstücke, die den Menschen wichtig sind, weil zahlreiche Erinnerungen damit verbunden sind.“

Schon beim Vorgespräch entstehen erste Skizzen

Zusammen mit ihrer Schwester Dorothée Telgmann (49), mit der sie Kamens traditionsreiche Goldschmiede führt, machte sie vor sechs Jahren aus der sogenannten Schmuckumarbeitung, die schon immer Bestandteil der Arbeit war, eine eigene Sparte. „Mein Wunderschmuck“ heißt das seitdem bestehende Angebot, das unter mein-wunderschmuck.de abrufbar ist. Originale Elemente wie Edelmetalle und Edelsteine werden dabei sichtbar in Szene gesetzt.

Wichtig ist den Schwestern vor allem eines: Das Gespräch mit den Kundinnen und Kunden – Vertrauen aufbauen, damit sie mehr über ihr Gegenüber erfahren. „Und diese eigene Geschichte fließt dann ein ins neue Schmuckstück“, sagt Stephanie Telgmann, die schon bei dem Gespräch anfängt, ihre Ideen skizzenhaft zu Papier zu bringen.

Stephanie Telgmann (l.) und Dorothée Telgmann in der Werkstatt der gleichnamigen Goldschmiede in Kamen. Sie lächeln in die Kamera. Eine der Schwestern hält einen Ring hoch.
Stephanie Telgmann (l.) und Dorothée Telgmann verleihen altem Schmuck neues Leben, ohne die Identität der Erbstücke und Familienschätze auszulöschen. © Stefan Milk

Wie Schmuck seine Form verändern kann

Trauringe können Trauringe bleiben, auch wenn sie ihre Form verändern, weil aus zwei Ringen einer wird. Sie können aber auch Anhänger einer Halskette werden. Oder, ganz ungewöhnlich: Zum Bestandteil eines Bildes, wenn das Material auf mehrere Dezimeter ausgetrieben und die Ringe zur schimmernden Silhouette eines gezackten Bergpanoramas werden.

Telgmann löst die Schmuckstücke in ihre Bestandteile auf, zersägt und zerlegt sie, lötet, feilt, hämmert und dengelt und formt sie damit neu. Eine Goldschmiedin als eine Art Architektin und Konstrukteurin zugleich. „Es ist etwas ganz Besonderes, diese Edelmetalle und Edelsteine weiterzuverarbeiten und ihnen neues Leben einzuhauchen.“

Zwei Eheringe, die zu einem Ring verarbeitet werden. Daneben ist eine Zeichnung, wie die Arbeit der Goldschmiedin Stephanie Telgmann am Ende aussehen soll.
Zwei Eheringe, die sich zu einem Ring vereinen. Stephanie Telgmann zeichnet ihre Ideen zunächst auf, bevor sie an die filigrane Arbeit geht. Dieses Werk, dem noch ein strahlender Opal zugefügt wird, ist kurz vor der Vollendung. © Stefan Milk

Wie Kreativität und Handwerk verschmelzen

Die Kreativität ist das eine, das Handwerk das andere. In der Werkstatt, die dem Verkaufsraum an der Weststraße angeschlossen ist, sieht man schon der Vielzahl der Werkzeuge an, wie individuell gearbeitet wird. Dutzende Feilen, Bohrer und Zangen rahmen sauber geordnet die Arbeitsplatten ein, für die unterschiedlichen Zieh- und Formeisen und Hämmer gibt es eigene Schränke.

„Jeder Hammerkopf hat eine eigene Oberfläche“, sagt Telgmann und zeigt die mal polierten, mal rauen, mal spitzen und mal gezackten Köpfe. Wenn sie mit dem jeweiligen Hammer an der Armreifschmiede schmiedet, entstehen auf den Edelmetallen unterschiedliche Strukturen. Die Hämmer sind auch so beschriftet: Sand, Feld, Eiskristall, Wasser und „Im Watt“ ist dort zu lesen.

Stephanie Telgmann zeigt einige ihrer Schmiedehämmer, mit denen sie die Beschaffenheit der Metalloberflächen verändern kann.
Stephanie Telgmann zeigt einige ihrer Schmiedehämmer, mit denen sie die Beschaffenheit der Metalloberflächen verändern kann. © Stefan Milk

Kunden weit über die Stadtgrenze hinaus

Die Idee, der Schmuckumarbeitung mehr Raum zu geben, habe vor allem in der Corona-Zeit Gestalt angenommen, berichtet Dorothée Telgmann. „Wir mussten zeitweise unseren Laden schließen. Aber was ist, wenn niemand kommt?“ Die Leute kamen schließlich, aber nicht persönlich, sondern virtuell: Mit den ersten Onlinemeetings, die zu jener Zeit gestartet wurden – mit eben sehr persönlichen Gesprächen. Und auch erste Skizzen.

Mittlerweile melden sich Kundinnen und Kunden aus ganz Deutschland – und aus Österreich und der Schweiz. Telgmann: „Das Vertrauen ist wichtig. Denn sonst würde niemand, der in München wohnt, seinen Familienschmuck in einen Umschlag stecken und in die Post geben.“

Auf der von Stephanie Telgmanns angefertigten Skizze ist zu sehen, wie eine Ringschiene zum Bestandteil eines Armreifs werden soll.
Ein Ehering in neuer Form. Auf Stephanie Telgmanns Skizze ist zu sehen, wie die Ringschiene Bestandteil des Armreifs werden soll. © Stefan Milk

Schmuckstücke als kostbare Kraftorte

Stephanie Telgmann benötigt etwa acht bis zehn Wochen, um ein Projekt umzusetzen. Sie weiß um die emotionalen Momente, wenn sie die dann neu gestalteten Schmuckstücke an ihre Kundinnen und Kunden übergibt. „Ich merke, wie das nicht nur mir, sondern auch ihnen neue Kraft gibt.“ Und das ist dann irgendwie doch kein Wunder, dass das ganz wunderbar ist.

Unterschiedliche Hammerköpfe für unterschiedliche Arbeitsergebnisse.
So viele unterschiedliche Hämmer wie in der Goldschmiede Telgmann in Kamen gibt es vermutlich nicht oft. © Stefan Milk