Firmengründer Udo Schwabe (66) in der neuen Firmenhalle, die an der Herbert-Wehner-Straße neu gebaut wurde. Das Gebäude mit 500 Quadratmeter Nutzfläche befindet sich im Endausbau.

Firmengründer Udo Schwabe (66) in der neuen Produktionshalle, die an der Herbert-Wehner-Straße neu gebaut wurde. Das Gebäude mit 500 Quadratmeter Nutzfläche befindet sich im Endausbau. © Marcel Drawe

Gegen den Heizkosten-Wahnsinn: Industrie bestellt Falthallen aus Kamen

dzWirtschaft in Kamen

Hohe Energiekosten treiben die deutsche Wirtschaft ins Jammertal. Die Kamener Firma Sabura hat dagegen ein Patent. Faltbare Hallen, die mit wenig Aufwand warm werden. Die Nachfrage ist riesig.

Kamen

, 14.09.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Wenn die Industrie um Hilfe ruft, weil die Energiepreise in die Höhe schießen, hat das Kamener Unternehmen Sabura eine ziemlich gute Lösung. Der Produzent sogenannter Falthallen kann sich zurzeit vor Aufträgen und Anfragen kaum retten. Hintergrund: Viele Industrieunternehmen können oder wollen es sich nicht mehr leisten, ihre großen Industriehallen zu heizen. „Deswegen fordern sie unsere mobilen Faltsysteme an, damit sie diese in den Hallen aufstellen“, berichtet Udo Schwabe, Gründer des Unternehmens, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die großen Hallen müssen dann nicht mehr beheizt werden. Das wäre auch verrückt im Angesicht der Kosten.“ Der Heizaufwand würde mit der Technik aus Kamen nur etwa ein Achtel betragen.

Tüftler Udo Schwabe hat mit seinem Team viel in Eigenleistung gemacht. Die Treppe im neuen Bürogebäude ist im Betrieb entworfen und zusammen geschweißt worden.

Tüftler Udo Schwabe hat mit seinem Team viel in Eigenleistung gemacht. Die Treppe im neuen Bürogebäude ist im Betrieb entworfen und zusammen geschweißt worden. © Marcel Drawe

Auftragsbücher bereits bis Ende 2023 gut gefüllt

Sabura stellt Falthallen her, die industriell genutzt werden können. Im Nu können Kunden so eine Halle fürs Schleifen, Lackieren oder die Montage aufbauen, um zusätzliche Produktionskapazitäten zu gewinnen – oder wie aktuell: Heizkosten zu sparen. Sogar für die eigenen Falthallen gibt es beheizte Zusatzpavillons. „Die stehen dann nur dort, wo gerade gearbeitet wird.“

Die Auftragsbücher sind entsprechend gefüllt. „Bis etwa Ende kommenden Jahres“, berichtet der 66-jährige Ingenieur, der die faltbaren Hallen mit seinem Sohn Christoph, der Geschäftsführer ist, selbst entwickelt hat. Auswirkungen der schon jetzt bundesweit nachlassenden Wirtschaftskraft kommen an der Herbert-Wehner-Straße 27 nicht an.

Schweißwerkmeister Dieter Lippert arbeitet an einer Filteranlage für eine faltbare Halle.

Schweißwerkmeister Dieter Lippert arbeitet an einer Filteranlage für eine faltbare Halle. © Marcel Drawe

Zwei neue Sabura-Gebäude im Technopark

Die blendende Auftragslage bedeutet allerdings nicht, dass die Firma weitere Aufträge ablehnen muss. Das ist möglich, weil Sabura nicht nur am Standort in Kamen erweitert hat, sondern auch einen Teil der Produktion auslagern wird. Während im Technopark zwei große Gebäude – ein Haus mit 300 Quadratmeter Bürofläche und eine Produktionshalle mit 500 Quadratmetern – neu entstanden sind, kommt es zudem zur Kooperation mit einer Firma in Pristina, der Hauptstadt der Republik Kosovo. Die Kräfte, die dort für Sabura arbeiten sollen, werden zunächst in Kamen angelernt.

Die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland hat laut Schwabe nichts damit zu tun, Kosten zu drücken, sondern wurde durch Fachkräftemangel ausgelöst. „Wir haben in Kamen und Umgebung keine Fachkräfte gefunden. Ein so kleines Unternehmen wie wir scheint nicht interessant genug zu sein.“ Bisher beschäftigt Sabura trotz Großkunden wie Siemens, Airbus, Lufthansa, Cessna, Bombardier und den Eisenbahnbauer Stadler Rail lediglich etwa zehn Kräfte. Der Standort in Kamen ist trotz der Teilverlagerung nicht gefährdet. „In Pristina wird vorgefertigt – in Kamen wird zusammengebaut, geprüft und ausgeliefert.“

Das neue Bürogebäude wurde in eine  sogenannte Sandwich-Fassade aus Stahl gehüllt, die für eine starke Dämmung sorgt. Beheizt wird es künftig über eine Wärmepumpe.

Das neue Bürogebäude wurde in eine sogenannte Sandwich-Fassade aus Stahl gehüllt, die für eine starke Dämmung sorgt. Beheizt wird es künftig über eine Wärmepumpe. © Marcel Drawe

Rüstungsfirmen, Bahnkonzerne und eine Gießerei

Einen zusätzlichen Nachfrage-Schub hat der russische Angriffs-Krieg in der Ukraine erzeugt. „Momentan kommt viel aus der Rüstungsindustrie“, berichtet Schwabe. Die Unternehmen, die Abwehrsysteme und Haubitzen bauen, hätten nicht genug Hallenkapazitäten, um die Waffen zu lackieren.

Gleich zwei Hallen lieferte Sabura zudem in die Niederlande, wo die Firma Brouwer Technologie die Züge der niederländischen Staatsbahn, Nederlandse Spoorwegen, instand hält: Eine 100 Meter lange Halle für ganze Züge. Und eine kleinere Halle, in der nur die Triebwagen repariert werden. Zudem: Siepelkamp, eine Gießerei aus Krefeld, bestellte eine 20 Meter lange Halle, um dort Motoren zu warten.

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Falthallen für die Windpark-Wartung

Und noch eine Entwicklung, die der ungewöhnlichen Tüftler-Firma aus Kamen zusätzliche Aufträge beschert: Die Wartung von Windkraftanlagen. „Die Rotorblätter werden immer länger und erreichen Maße von 60 bis 90 Metern“, berichtet Schwabe. Deswegen würden immer mehr Windkrafträder vor Ort in Schuss gebracht – und nicht mit Schwertransportern in die Werkstatt. „Die lassen sich nur ganz schwierig transportieren.“ Und so kommen die Hallen in faltbarer Form zum Windrad. Und eines bringt Sabura auch noch mit: Den Wind, den das Unternehmen aus dem Technopark auch im übertragenden Sinne im Rücken hat.