Filmdreh mitten in Kamen „Die Filmfestspiele Cannes wären nicht mal unser größtes Ziel“

Filmdreh mitten in Kamen: „Cannes wäre nicht mal unser größtes Ziel“
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„Licht an.“ - „Licht läuft.“ - „Ton ab.“ - „Ton läuft.“ - „Und Action“. Die bekannte TV-Schauspielerin Inge Blau setzt sich langsam in Bewegung. Schaut traurig auf die Bilder, die im Flur hängen, setzt langsam einen Schritt vor den anderen. Sie kommt ins Wohnzimmer, bleibt nahe der Tür stehen und legt ein Ohr an die Wand. „Und Danke“, ruft Fabian Jacob. Die Szene ist im Kasten. Der Film-Student an der FH Dortmund ist Regisseur, Autor, Produzent und Produktionsleiter in einem. Sein Semesterprojekt: Ein Kurzfilm, der zum großen Teil in Kamen gedreht wird.

Hauptdarstellerin ist die erfahrene Schauspielerin Inge Blau aus Berlin. Wie kam sie zu der Truppe? „Ich arbeite gerne mit jungen Leuten zusammen. Die haben frische Ideen, die sind nicht so festgefahren“, sagt sie im Gespräch. „Außerdem hat mir das Thema des Films gut gefallen. Bei solch einem Film muss man nicht den Markt bedienen, da kann man auch mal andere Dinge ausprobieren.“ Das bereichere sie dann auch persönlich in ihrer Schauspielkunst.

FH-Student Fabian Jacob mit Schauspielerin Inge Blau.
Regisseur Fabian Jacob und Schauspielerin Inge Blau verstehen sich prächtig. © Stephanie Tatenhorst

Inge Blau ist definitiv die erfahrenste Frau am Filmset. Ihre ruhige Ausstrahlung überträgt sich auf alle anderen um sie herum. Die sind gerade mal in den Zwanzigern ihres Lebens und Studierende der FH Dortmund, die sich für ein Filmprojekt zusammengetan haben. Jeder bringt sich mit den Fähigkeiten ein, die er oder sie hat. Die einen bedienen die Kamera, die anderen den Ton, wieder andere sorgen für Szenerie und Requisite. Andere sind gute Seele und haken erledigte Dinge auf langen Listen ab.

Als Filmset ist die Wohnung in der Kamener Innenstadt ein Schlaraffenland. Es scheint, als wäre dort die Zeit in den 50er bis 70er Jahren stehen geblieben. Ein paar Möbel hat die Filmcrew noch besorgt, aber ansonsten ist dort alles original und passt hervorragend zu der Geschichte, die Fabian Jacob mit seinem Film erzählen will.

Fabian Jacob bespricht sich mit seiner Crew.
Fabian Jacob bespricht sich mit seiner Crew. © Stephanie Tatenhorst

Es geht um Einsamkeit im Alter. In dem 20-Minüter, der zwar ein Semesterprojekt ist, aber auch bei Filmfestspielen eingereicht werden soll, geht es um eine Frau, deren Partner gestorben ist. Sie ist jetzt allein in der Wohnung, hat zu den Nachbarn und anderen Menschen keinen Kontakt. Doch sie hört, was im Haus um sie herum passiert - und reimt sich das Leben der anderen zusammen. Bald kann sie nicht mehr unterscheiden, was real ist, und was sie sich einbildet.

„Es ist schrecklich, wenn Leute vereinsamen“, sagt Inge Blau. „Trotz dieser Medienwelt, in der wir leben, gibt es diese Einsamkeit im Alter“, sagte Inge Blau.

Nachtszene, wo draußen die Sonne scheint

Das Lauschen an der Wand ist die schwierigste Szene, die mit der Kamera eingefangen werden muss. Denn es ist eine Nachtszene. Sämtliche Fenster sind verdunkelt, damit kein Tageslicht von draußen hereinkommt. Im Inneren gibt es nur schummerige Lampen. Zudem muss der Flur wegen der Stimmung etwas vernebelt werden. Weil der Nebel aber schnell verfliegt, kann die Szene nicht oft wiederholt werden. Alles muss zügig passieren und am Ende sitzen.

„Alle Handys auf Flugmodus“, heißt daher ein Befehl, der plötzlich durch die Wohnung schallt. Nicht auszudenken, wenn Schauspiel und Bild passen, aber der Ton gestört würde. Als der Ruf „Action“ ertönt, setzt sich Inge Blau in Bewegung. Gebannt schaut Fabian Jacob der Kamerafrau über die Schulter. Schnell ist die Szene im Kasten. Die Crew applaudiert sich selbst. Ein Teil ist geschafft.

Gebannt verfolgt ein Teil der Crew die Filmaufnahme.
Gebannt verfolgt ein Teil der Crew die Filmaufnahme. © Stephanie Tatenhorst

Inspiriert wurde Fabian Jacob durch die Geschichte seiner Stiefgroßmutter. „Alterseinsamkeit finde ich wahnsinnig traurig“, sagt er. „Und das Problem wird durch das Internet noch verstärkt. Während alle immer stärker digital vernetzt sind, driftet das eigentliche Leben immer weiter weg.“ Hinzu kommen Erfahrungen, die er in einer WG in der Dortmunder Nordstadt machte. „Da hat man unfreiwillig viele Dinge von den Nachbarn mitbekommen“, schildert er. All das wurde im Drehbuch zu einer Geschichte verarbeitet, die berühren soll, aber auch Sozialkritik übt.

Bis Ende September hat der 24-Jährige Zeit, den Film fertig zu produzieren. Dann wird er zunächst an der Fachhochschule eingereicht und intern bewertet. Danach will Fabian Jacob den Streifen bei Filmfestspielen einreichen. „Dort wird er dann Weltpremiere feiern“, erklärt der junge Filmemacher. Bei Filmfestspielen denkt der Laie sofort an Cannes. Fabian Jacob hält das Kurzfilmfestival in Oberhausen allerdings für deutlich wichtiger. „Oberhausen wäre tatsächlich mein Traum“, sagt er mit glänzenden Augen. „Die Filmfestspiele in Cannes wären nicht unser größtes Ziel.“ Sicher ist aber schon jetzt, dass der Film beim Kinofestival in Lünen gezeigt wird.

Was der Zuschauer am Ende zu sehen bekommt, das weiß an den Drehtagen in Kamen aber auch Fabian Jacob noch nicht genau. Zwar sind die Tage völlig durchgetaktet und die Regieassistentin an seiner Seite weist ihn immer wieder darauf hin, wie stark der Zeitverzug ist und wie umdisponiert werden kann, um die Zeit bestenfalls zu nutzen, weil plötzlich erst eine Lampe repariert werden muss. Aber: „Das Ergebnis kann ich noch nicht 100 Prozent vorhersehen. Das funktioniert hier in kollektiver Weise, jeder bringt seinen Input ein“, schwärmt er vom rund 20-köpfigen Team um ihn herum. „Das ist wie eine Magie, die da zusammenkommt.“