Noah Hübner kratzt buchstäblich die Kurve. Mit dem sportlichen Sesseldreirad flitzt er einmal durch den Kreisverkehr vor dem Fahrradfachhandel „Rad+Tat“ im Technopark in Kamen. Der Junior-Geschäftsführer (24) zeigt eines der Spezialbikes, um die das Sortiment des Fachmarkts an der Herbert-Wehner-Straße jetzt ergänzt wurde. So schnell wie er werden vermutlich aber nur wenige der künftigen Nutzer unterwegs sein.
Denn die Zielgruppe der Dreiräder, die elektrisch angetrieben sind und auf viele spezielle Bedürfnisse konfiguriert werden können, sind hauptsächlich für Senioren und Menschen, die Einschränkungen bzw. Behinderungen haben. „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder Anfragen bekommen, ob wir für sie nicht ein Angebot hätten“, sagt der Zweiradmechatroniker. Das ist nun da – und in der Region weitgehend einzigartig.
Für jene, die noch nie Fahrrad gefahren sind
Kunden berichteten dem örtlichen Fachhändler, dass sie mit ihren schweren E-Bikes nicht mehr so oft fahren würden, weil sie mit zunehmendem Alter immer unsicherer seien. Hübner: „Andere haben Gleichgewichtsstörungen und fühlen sich im Verkehr auf dem Fahrrad nicht wohl.“ Und wieder andere seien noch nie Fahrrad gefahren.
Vor allem für diese Klientel wurden die Dreiräder gebaut, die durch zahlreiche Accessoires wie Hightech-Fahrzeuge wirken. Durch die Gewichtsverteilung auf drei Räder und den breiten Aufbau ist das Umkippen nahezu unmöglich. „Es sei denn, man fährt zu schnell auf zwei Rädern durch die Kurve“, sagt Hübner schmunzelnd. Seine Empfehlung, auf drei Rädern zu fahren, sollte also unbedingt beherzigt werden.

Mehr Mobilität durch Spezialräder
Mehr Mobilität durch Spezialräder. Das gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Beispielsweise für jene, die auf einem Bein oder einem Arm weniger Kraft haben. Über Pendelkurbeln an der Pedale kann die Kraft nur auf ein Bein gelenkt werden. „Die andere Pedale gibt nach und schwingt nur mit“, führt Hübner aus. Wer weniger Kraft in der Hand hat, um die Drehschaltung am Lenkradgriff zu bedienen, kann auf größere Hebel zurückgreifen. Die Bremswirkung, die herkömmlich über Lenkergriffe aktiviert wird, kann auf eine Seite konzentriert werden.
Zudem: Über sogenannte Kurbelarm-Verkürzer kann eine Pedale so eingestellt werden, dass sie auch mit verkürztem Bein erreicht wird. Und wer sein Knie nicht mehr durchstrecken kann, erhält entsprechende Hilfen. Geeignet seien die Räder auch nach einem Schlaganfall mit halbseitiger Körperlähmung. Schlaufen verhindern, dass die Füße abrutschen, Hüftgurte stabilisieren die Haltung in den Sitzen, die eher wie Chefsessel wirken. Wer möchte, kriegt einen Gehstockhalter. „Es gibt zigtausend Sachen, die hilfreich sind“, so Hübner.
Fahrradfachhandel seit 1989 in Kamen
Ganz günstig sind die Hightech-Räder allerdings nicht. Ihr Preis liegt etwa zwischen 4.000 und 10.000 Euro. Zudem sollte ein Abstellplatz bzw. eine Garage vorhanden sein, weil die Räder durchaus voluminös sind. Für Diebe, so Hübner, seien die Spezialräder aber weniger interessant, wie die Erfahrung gezeigt hätte. „Ein Diebstahl wäre für die zu aufwendig.“
Den von Stefan Hübner gegründete Fahrradfachhandel gibt es in Kamen seit 1989. Im März 2012 wurde der Betrieb an der Herbert-Wehner-Straße durch ein E-Bike-Center erweitert. 14 Kräfte sind dort beschäftigt. Sie kümmern sich im neuen Dreirad-Shop, der im Haupthaus integriert ist, nun auch um Kunden, die vielleicht gar nicht mehr ans Fahrradfahren dachten – oder wie laut Hübner ein Kunde sagte: „Endlich mal wieder rauskommen.“