Diese Anarchie muss man live erleben! Ein Konzertgenuss mit einer Ausnahme-Cellistin

© Stefan Milk

Diese Anarchie muss man live erleben! Ein Konzertgenuss mit einer Ausnahme-Cellistin

dzSinfonische Reihe

Ein Konzert der Extraklasse erlebten die Freunde klassischer Musik am Mittwochabend in der Konzertaula Kamen. Es gab minutenlang Standing Ovation für die Ausnahme-Cellistin Raphaela Gromes!

Kamen

, 13.02.2020, 11:38 Uhr / Lesedauer: 2 min

„Anarchie“ als Thema dieses exzellenten Konzertes zu formulieren, ist paradox. Ist doch das Gelingen dieses „zivilen Ungehorsams nach Noten“ nur durch äußerste Disziplin und Anerkennung einer höheren Ordnung möglich.

Sonst wäre Bernd Alois Zimmermanns „Musik zum Bankett des Königs Ubu“, eine Vertonung des dadaistischen Dramas von Alfred Jarry von 1896, nicht in solch fruchtbare Ohren gefallen.

Am Ende Minuten lang stehend Applaus als Anerkennung. Den hat die Neue Philharmonie Westfalen unter ihrem beeindruckenden Gastdirigenten Andreas Hotz verdient.

Am Ende Minuten lang stehend Applaus als Anerkennung. Den hat die Neue Philharmonie Westfalen unter ihrem beeindruckenden Gastdirigenten Andreas Hotz verdient. © Stefan Milk

Derb-deftig dargestellte Hab- und Fressgier

Die deftige Tyrannenparodie, derb-deftig dargestellte Hab- und Fressgier des Offiziers Ubu, garniert Zimmermann mit einer Collage aus Musikzitaten aller Epochen und Stile.

Ob „Dies irae, dies illa“, „Bilder einer Ausstellung“ oder Bachchoral - bis hin zu Wagners Walkürenritt über Stockhausens monotonem Klaviergehämmer lässt Zimmermann nichts aus, der Anarchie Tribut zu zollen.

Nicht zuletzt durch den exzellenten Conferencier Matthias Bongard, der mit trocken-treffender Genialität auch gegenwärtige Gesellschaftsphänomene schonungslos entlarvt: „Pessimisten, sind Optimisten, die nachgedacht haben“. Diese Anarchie muss man live erleben! Ein ebenso köstlicher wie hintergründiger Spaß!

Bereits als Vierjährige hat Raphaela Gromes mit dem Cellospiel begonnen und konnte im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern, beide Cellisten, erste Bühnenerfahrung sammeln.

Bereits als Vierjährige hat Raphaela Gromes mit dem Cellospiel begonnen und konnte im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern, beide Cellisten, erste Bühnenerfahrung sammeln. © NPW

Die Ausnahme-Cellistin Raphaela Gromes

Friedrich Gulda in seinem „Konzert für Violoncello und Blasorchester“ ist anders anarchisch. Er hält nichts von knöcherner Einteilung in E- und U-Musik. Ob Klassik, Jazz oder Ländler: im verblüffenden, auch parodistischen Mix zeigt er, wie man ganz leicht von einem Genre ins andere kommt. Dazu braucht´s a gstandnes Blasorchester, das mühelos vom Dorffest in den Jazz wechselt, als ob´s a tägliche Gaudi wäre. Keine Frage, die NPW ist mit solchen Bläserinnen und Bläsern bestens bestückt!

Und es braucht eine Ausnahme-Cellistin wie Raphaela Gromes, die mit diesem Konzert vor 14 Jahren debütierte. Brillant ihre rasante variantenreiche Bogentechnik, ausnehmend ihre Klangsensibilität, stupend ihre Sicherheit darin, Genre und Übergang zu präsentieren, so dass Guldas Mix ein purer Genuss wird.

Minuten lang stehend Applaus des Publikums

Minuten lang stehend Applaus des Publikums ist ihre Anerkennung!

Die hat ebenso die Neue Philharmonie unter ihrem beeindruckenden Gastdirigenten Andreas Hotz verdient, der nicht nur die ersten beiden anarchischen Stücke resolut in Ordnung hält, sondern der zu ihrer Zeit ebenfalls anarchischen Sinfonie Nr. 1 von Beethoven einen unverkennbaren Charakter verleiht.

Temperamentvoll, frisch und energisch, mit ungeheurer Spannung präsentiert er an diesem Abend ein Orchester und ein Konzert der Extraklasse!