Atemloses Staunen in der Konzertaula Wunschkonzert wird zur Sternstunde der Musik

Atemloses Staunen in der Konzertaula: Wunschkonzert Sternstunde der Musik
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„Guten Abend!“, begrüßt Gastdirigent Johannes Wildner die Hörenden in der recht gut besuchten Konzertaula. „Besonders freue ich mich, dass Sie, verehrtes Publikum, während meiner Abwesenheit so gut auf das Orchester aufgepasst haben, so dass wir heute zusammen 25 Jahre Neue Philharmonie feiern können!“ Als Wunschkonzert benannt, konnten die Hörenden in Gelsenkirchen, Recklinghausen und Kamen das Programm bestimmen.

„Die Moldau“ als ganz und gar nicht verstaubtes Stück Musik

Fast wie erwartet, machen überaus bekannte und oft gespielte bzw. gehörte Werke das Rennen, und vielleicht mag mancher befürchtet haben, eher musikalischen „Alltag“ zu erleben. Das soll sich im Laufe des Abends als grandioser Irrtum erweisen.

Denn mit Smetanas „Die Moldau“ erscheint ein ganz und gar nicht verstaubtes Stück Musik. Smetana malt plastisch den Weg der Lebensader Böhmens, angefangen von der murmelnden Quelle, deren Plätschern Flöte und Klarinette zart umspielen, vorbei an einer federnd tanzenden Bauernhochzeit zum sphärenhaften Gesang der Nixen, in die wilden Schluchten bei St. Johann, bis sie als Thema des Vyšehrad die Prager Hochburg spiegelt, bevor sie mit zwei mächtigen Akkorden ihren Lauf in die Elbe beschließt.

Johannes Wildner dirigierte die Neue Philharmonie Westfalen bei seiner Rückkehr nach Kamen. Zehn Jahre lang prägte er die Orchesterarbeit.
Johannes Wildner dirigierte die Neue Philharmonie Westfalen bei seiner Rückkehr nach Kamen. Zehn Jahre lang prägte er die Orchesterarbeit des großen Ensembles. © Stefan Milk

Atemloses Staunen über phänomenale Passagen

Beethovens Violinkonzert D-Dur op.61 wird mit der Solistin Sophia Jaffé zum ersten sprachlos machenden Höhepunkt des Abends. Der elegante Beginn des Kopfsatzes gibt den Charakter vor: weniger Dramatik, vielmehr lyrische Poesie von zuweilen schmerzhafter Schönheit, dargeboten von einer aufmerksamen Philharmonie, die mit Sophia Jaffé in einen wunderbaren Dialog tritt, in dem sich die Gesprächspartner respektvoll ergänzen, ehe die Solokadenzen in den einzelnen Sätzen die stupende Virtuosität Jaffés atemlos staunen lassen. Phänomenale Passagen, strahlende, das Orchester überlagernde Höhen, energische Akzente neben zart-melancholischen Phasen: Sophia Jaffé spielt souverän! Ohne ihre Virtuosität in den Vordergrund zu stellen, lotet sie alle dynamischen wie artikulatorischen Feinheiten aus und präsentiert sie mit lächelnder Leichtigkeit.

Langer Applaus ist der Dank des ergriffenen Publikums

Stehender, langer Applaus ist der Dank des ergriffenen Publikums, das Sophia Jaffé mit dem letzten Satz der d-moll-Sonate von Eugène Ysaye belohnt.

Die Frage, was an Antonin Dvořaks Sinfonie Nr. 9 e-moll „Aus der Neuen Welt“ „amerikanisch“, was „böhmisch“ ist, wird nebensächlich, hören wir doch eine große Komposition, überwältigend gut gespielt von einem Orchester, das in den 25 Jahren seiner Existenz zu einem exzellenten Klangkörper gereift ist, den sein Ehrendirigent Johannes Wildner mit staunenswerter Selbstverständlichkeit und Eleganz ganz ohne Partitur dirigiert. Chapeau!