Große Konzerne wie Zalando entdecken den Markt für Second-Hand-Bekleidung und geben sich nachhaltig. Lokale Sozialkaufhäuser sehen sich mit ihren Angeboten nicht nur aus sozialer Perspektive im Vorteil.
Wenn große Unternehmen wie Otto, Zalando oder H&M in den Markt für getragene Kleidung einsteigen, heißt das natürlich nicht Second Hand. Mit dem eingedeutschten Begriff ist es nicht getan: Zum angepriesenen Angebot gehören natürlich Marketing-Zusätze wie „Second Love“, „Pre-Owned“ oder „Vintage“.
Gebrauchte Kleidung liegt nicht erst seit gestern im Trend, aber laut der Studie „Fashion 2030 – Sehen, was morgen Mode ist“, die die Unternehmensberatung KPMG und das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI zuletzt veröffentlicht haben, hat Second-Hand-Bekleidung in den kommenden zehn Jahren das Potenzial, um einen Marktanteil von 20 Prozent im Bekleidungsmarkt zu erreichen.
In Zeiten von Fridays for Future dürfte insbesondere das junge Klientel bewusster mit einem Markt umgehen, in dem in den vergangenen Jahren vor allem mehr und billiger galt.
Dass sich nun die großen Unternehmen, die diesen Markt in der Vergangenheit befeuerten, nachhaltig geben und Kleidung länger im Gebrauchskreislauf halten wollen, findet Christine Weyrowitz per se nicht verwerflich. Die Geschäftsführerin der Kaufnett gGmbH der Diakonie Ruhr-Hellweg findet es erstmal gut, wenn Kleidung nicht weggeworfen wird. „Und letztlich muss eben der Kunde entscheiden, ob er seine Jeans an Zalando schickt oder einer gemeinnützigen Organisation spendet und damit Gutes tut.“
Dass Nachhaltigkeit bei den Angeboten und nicht Marketing-Strategie im Vordergrund stehen, würde sie zumindest anzweifeln. So bindet Zalando seine Kunden etwa per Guthaben für eingesendete Gebrauchtwaren an sich. Immerhin: Das muss man nicht in Kleidung reinvestieren sondern kann es auch sozialen Projekten spenden.
Weyrowitz weiß auch, dass etwa H&M vor acht Jahren bereits einen Anlauf für Gebraucht-Kleidung unternommen hatte. „Da gab es dann einen Rabatt und es hat meines Wissens nicht funktioniert. Letztlich wurde viel Ware einfach verbrannt.“ Die Befürchtung habe sie bei den neuerlichen Angeboten auch: Überschuss wird verbrannt.
Wer am Kaufnett-Schaufenster etwas für sich entdeckt, kann es auch in diesen Zeiten kontaktlos vor der Filiale erwerben. © drh
Für die Kaufnett-Geschäftsführerin widerspricht noch ein Umstand dem Nachhaltigkeitsprinzip: „Bei Angeboten so großer Konzerne sollte man auch immer die logistischen Ausmaße und die Folgen dadurch bedenken.“ Wie nachhaltig es ist, wenn Pakete mit Gebrauchtkleidung quer durchs Land transportiert werden, darf jeder für sich beurteilen.
In den sieben Kaufnett-Filialen der Diakonie von Arnsberg bis Werne und einem Zentrallager in Unna wird die Wiederverwertungskette auf einen vergleichsweise kleinen Radius beschränkt. Dabei schließen sich Kooperationen mit dem Handel nicht aus: „Wir hatten in Unna eine Aktion zusammen mit einer Boutique nahe unserer Filiale. Gaben Kunden dort Gebrauchtes ab, gab es einen Rabatt und wir bekamen die Ware. Das kam gut an“, so Weyrowitz.
Grundsätzlich müsse im Umgang mit Textilien auch bei den Kunden ein Umdenken einsetzen. „Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft kommen.“ Die Sozialkaufhäuser seien deshalb nicht nur für Bedürftige da. „Auch bei uns findet sich Markenkleidung. Und wir verkaufen nur Ware, die in Ordnung ist.“ Rund 50 Prozent des Angebotes würden an den Standorten dabei Textilien ausmachen.
Im aktuellen Corona-Lockdown haben von den sieben Standorten zwei geöffnet. In Holzwickede und Kamen setzt man dabei auf das „Click-and-Collect“-Prinzip. Wobei „Window-and-Collect“ zutreffender wäre: Wer beispielsweise im Schaufenster an der Holzwickeder Bahnhofstraße etwas entdeckt, kann sich das wochentags zwischen 10 und 14 Uhr auf einem Tisch vor der Filiale zeigen lassen und gegebenenfalls kontaktlos bezahlen. Umgekehrt kann so auch gespendet werden. Vor allem Produkte für Babys und Kinder würden derzeit benötigt.
„Wir machen das seit Mitte Januar und es läuft immer besser an. Viele Kunden und Spender rufen uns vorab telefonisch an, dann machen wir eine grobe Zeit aus. Das klappt problemlos“, sagt Filialleiterin Sandra Schäfer.
In normalen Zeiten sind in Holzwickede um die 20 Personen beschäftigt. Aktuell ist nur ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz. An allen Kaufnett-Standorten sind insgesamt und 100 Menschen in Arbeit. Hier liegt eine weitere wichtige soziale Komponente des Angebotes: Die Einnahmen sorgen dafür, dass in den Kaufhäusern vor allem Menschen wieder in Lohn und Brot gebracht werden, die lange Zeit arbeitssuchend waren.
Jahrgang 1985, aufgewachsen auf dem Land in Thüringen. Fürs Studium 2007 nach Dortmund gekommen. Schreibt über alles, was in Holzwickede passiert. 17.000 Einwohner mit Dorfcharakter – wie in der alten Heimat. Nicht ganz: Dort würden 17.000 Einwohner locker zur Kreisstadt reichen. Willkommen im Ruhrgebiet.