Die früheren Schüler werden 70, ihre einstigen Lehrer sind 81 und 84 Jahre alt. Freunde sind sie heute, das auf jeden Fall. „Aber für manche Schüler ist das mit dem Du schwierig. Ich musste das schon von mir aus anbieten. Und ich komme ja auch aus einer Generation, wo wir uns als Studenten und unter Kollegen noch gesiezt haben“, sagt Rolf Maaßen.
55 Jahre nach dem Abschluss ist er für Petra Schlemmer und Horst Helmerich der Rolf und nicht mehr Herr Maaßen. Genauso wie Herr Heimeshoff mittlerweile der Klaus ist. 84 und 81 Jahre als sind die beiden ehemaligen Lehrer, die bis heute engen Kontakt zu Petra Schlemmer, Horst Helmerich und rund 30 weiteren ehemaligen Holzwickeder Schülern halten, die einst einen besonderen Schuljahrgang bildeten.
1968/69 wurde das Schulsystem reformiert. In Holzwickede bildeten Schlemmer, Helmerich und 73 weitere junge Menschen den ersten 9. Jahrgang der neu gebildeten Hauptschule. Der vereinte damals alle Schüler der bisherigen Volksschulen. Die existieren de facto bis heute, aber eben als die vier Grundschulen im Ort. Damals allerdings wurde die Aloysiusschule übergangsweise zum ersten Hauptschulgebäude, denn das Schulzentrum wurde erst Anfang der 1970er-Jahre fertiggestellt.

Das Bildungssystem befand sich damals im Umbruch. Das merkten die Lehrer während drubbeliger Jahre des Übergangs und der wichtigen Entscheidung, ob man künftig an einer Grundschule oder eben an der Hauptschule lehren wolle. Und es merkten die Schüler, die plötzlich auch mit jungen Lehrkräften wie Klaus Heimeshoff und Rolf Maaßen konfrontiert waren.
„Bis dato hatten wir strenge Fräuleins. Alles war sehr diszipliniert, es wurde nur geredet, wenn man aufgerufen wurde. Ich habe die ersten Jahre in der Schule gehasst. Ich war ein schüchternes und zartes Mädchen, das die Zähne nicht auseinanderbekam“, sagt Petra Schlemmer. Erst als eine neue Generation an Lehrern übernahm, sei das Schulleben leichter und schöner geworden.
Die 69-Jährige erinnert sich, wie die Klasse wegen einer angekündigten Arbeit ihren Lehrer Maaßen ausgesperrt hatte. „Da kam er plötzlich über die Regenrinne durchs Fenster geklettert und sagte nur: ‚Heute habt ihr Glück gehabt, aber morgen seid ihr dran!“
Lehrer schwärmen von einem besonderen Jahrgang
Sowohl Maaßen als auch Heimeshoff genossen damals diese Zeit als junge Lehrer. Heimeshoff war Sport- und Mathematiklehrer, lebt seit Jahren in Fröndenberg, ist „im Herzen aber Holzwickeder.“ Der 81-Jährige hat bis heute Klassenlisten, sammelt Zeitungsartikel und weiß manches über seinen Ex-Kollegen, das Rolf Maaßen selbst nicht mehr auf dem Schirm hat. „Er war ja ein bisschen älter und ich habe als junger Lehrer immer auch zu ihm aufgeschaut.“
Während Heimeshoff stets der Heimat treu blieb und 2008 „nach 41 Jahren und 10 Monaten“ in den Ruhestand wechselte, führte der Lehrberuf für Maaßen bis nach Italien und die Türkei, wo er an deutschen Schulen unterrichtete, ehe er in den 1990er-Jahren und bis zur Jahrtausendwende in Unna-Massen lehrte. Heute lebt er in Hengsen. „1973 habe ich mit meiner Frau hier ein Haus gebaut und dann sind wir mit den Kindern ins Ausland. Das Haus haben wir damals jungfräulich vermietet“, sagt der einstige Mathematik- und Physiklehrer.

In all den Jahren als Lehrer sei beiden jedoch nie wieder ein Jahrgang begegnet, wie der von 1968/69: „Was aus diesen Hauptschülern geworden ist, ist einfach spitze. Das sind hervorragende Leute geworden“, sagt Rolf Maaßen. Petra Schlemmer lernte nach der Schule Augenoptikerin, Horst Helmerich wiederum Schlosser bei Wiederholt und blieb dem Unternehmen sein ganzes Berufsleben treu. „Es gab damals aus unseren beiden Klassen niemand, der nicht in die Lehre gegangen ist“, sagt er.
75 Jugendliche – davon betreute 36 Rolf Maaßen als Klassenlehrer der 9a. „Felix Beiner hatte die 9b“, erinnert sich der 84-Jährige. Über heutige Klassengrößen von 25 Kindern samt diverser zusätzlicher Betreuungskräfte können Heimeshoff und Maaßen nur sanft lächeln. Aber ja: Wenn es bei mehr als 30 Kindern im Raum zu bunt wurde, „dann wurde auch mal mit der Hand auf den Tisch gehauen und dann war Ruhe“, so Heimeshoff.
„Ihr wart für uns auch Mensch“
Ruhe wird nicht herrschen, wenn der Abschlussjahrgang 1969 im Juli den Schulabschluss vor 55 Jahren in der Brasserie am Markt feiern will. „Mitte der 90er-Jahre haben wir mit den Treffen angefangen, zunächst immer alle fünf Jahre“, sagt Horst Helmerich. „Mittlerweile machen wir das jedes Jahr, denn die Einschläge kommen eben immer näher“, ergänzt Petra Schlemmer. Manch Klassenkamerad von früher ist mittlerweile nicht mehr unter ihnen.
„Für mich ist das außergewöhnlich, dass eine Klasse so kommunikativ ist und über so eine lange Zeit so zusammensteht“, sagt Rolf Maaßen. Für ihn und Klaus Heimeshoff ist klar: So lange sie können, sind sie bei den Klassentreffen dabei. „Es ist einfach schön, wenn man heute von den früheren Schülern hört: Ihr wart für uns auch Mensch“, sagt Klaus Heimeshoff.