Dem Kreisjugendamt sind in den Jahren 2020 und 2021 deutlich mehr Fälle von Kindeswohlgefährdungen angezeigt worden als in den Jahren davor (Symbolfoto).

Dem Kreisjugendamt sind in den Jahren 2020 und 2021 deutlich mehr Fälle von Kindeswohlgefährdungen angezeigt worden als in den Jahren davor (Symbolfoto). © Luke Pennystan/unsplash.com

Viele Kinder in prekärer Lage: „Es gibt immer mehr kaputte Erwachsene“

dzKindeswohlgefährdung in Holzwickede

Drastisch ist die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Holzwickede in den Jahren 2020 und 2021 angestiegen. Das Kreisjugendamt benennt neben der Corona-Pandemie dafür auch eine positive Ursache.

Holzwickede

, 01.10.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Lügde oder Bergisch-Gladbach – viele Fälle extremer Vernachlässigung, sexuellen Missbrauchs und von Versäumnissen der Jugendämter sind in der jüngeren Vergangenheit bekannt geworden. Beim Thema Kindeswohlgefährdung ist die Sensibilität seitdem nochmals gewachsen.

Umso erschreckender sind die Ausreißer in Holzwickede in den vergangenen beiden Jahren. Die Zahl der Anzeigen an das Kreisjugendamt „seien eklatant nach oben geschossen“, bemerkte jetzt Sandra Piccinno, die im Fachbereich Familie und Jugend für Hilfen zur Erziehung zuständig ist.

Doppelte Zahl der Kindeswohlgefährdungen

Im Kreisjugendhilfeausschuss stellte Piccinno am vergangenen Dienstag (27. September) eine detaillierte Analyse der gemeldeten Konflikte oder Verdachtsfälle in den Familien vor. Darauf hatte die Politik gedrängt.

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Denn nach 17 Fällen von Kindeswohlgefährdungen im Jahr 2019 war die Zahl 2020 auf 41 und ein Jahr später auf 40 angestiegen, hatte sich also jeweils mehr als verdoppelt. Dagegen liegen die Anzeigen im laufenden Jahr bis Juli erst bei elf.

Besonders stark betroffen waren in den beiden Jahren auf gleich hohem Niveau die Altersgruppen 2 bis 5 Jahre, 6 bis 9 Jahre und 10 bis 13 Jahre.

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„Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass der Lockdown eine große Rolle gespielt hat“, erläuterte Piccinno. Denn die Zahl der Anzeigen schnellte erst im April 2020 erstmals deutlich nach oben. Das war der Monat nach dem ersten Lockdown. Entsprechend hielten sich Kinder vermehrt zuhause auf; offenbar kam es dort viel öfter zu Vorfällen, die die Mitarbeiter des Ambulanten sozialen Dienstes des Jugendamtes auf den Plan riefen. Dieser Effekt mache auch deutlich, „wie viel soziale Stabilität Schule und Kitas den Kindern gibt.“

Soziale Kontrolle der Nachbarn

„Die soziale Kontrolle der Nachbarn war plötzlich wieder da“, stellte Piccinno wiederum fest. Wobei es keinerlei Anzeichen für soziale Brennpunkte gebe, die Meldungen kamen ziemlich gleich verteilt aus dem gesamten Gemeindegebiet.

Warum Kindeswohlgefährdung in Holzwickede, anders etwa als in Fröndenberg und Bönen, eine so große Rolle einnehmen konnte, sei nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten. Womöglich funktioniere die Netzwerkarbeit in der flächenmäßig kleinen Kommune viel besser als andernorts, vermutete Piccinno.

Aus dem Plenum kam mit Blick auf die hohe Zahl von Kindern in prekärer Lage auch ein etwas resignativer Hinweis: „Es gibt immer mehr kaputte Erwachsene.“