Kita-Mangel in Holzwickede „Haben den Zuzug komplett unterschätzt“

Kita-Mangel: Jugendamt räumt Fehler ein
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„Wir haben den Zuzug komplett unterschätzt.“ „Die Dinge sind anders gelaufen als gedacht.“ „Das kann man einen Planungsfehler nennen.“ Torsten Göpfert, der Sozialdezernent des Kreises Unna, geizte nicht mit Selbstkritik, als er im jüngsten Holzwickeder Ausschuss für Jugend, Familie, Senioren und Soziales über die aktuelle Kita-Situation in der Gemeinde berichtete.

Denn die ist weiterhin ernst. 126 Betreuungsplätze fehlten am 19. Februar 2024 in den Holzwickeder Kindertagesstätten und der Tagespflege. 49 Kinder unter drei Jahren warteten ebenso auf einen Platz in einer Kita, wie 77 Kinder über dieser Altersgrenze. Und die Lage hat sich seitdem nicht entspannt, im Gegenteil. Göpfert präsentierte aktuelle Zahlen im Emschersaal des Rathauses. Mittlerweile fehlen 133 Betreuungsplätze (U3: 51, Ü3: 82) in der Emscherquellgemeinde. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es in Holzwickede derzeit 873 Kinder im Kita-fähigen Alter (U3: 357; Ü3: 516). Jedes siebte Kind geht also leer aus.

Doch wie kam es zu diesem Mangel? „Das Problem ist, dass wir im Rahmen der Kitabedarfsplanung unsere Kundschaft gar nicht kennen“, erläuterte Torsten Göpfert den Vertretern von Politik und Verwaltung. „Es ist eine Herausforderung. Im Zweifelsfall müssen wir kalkulieren, gesellschaftliche Trends hochrechnen und hoffen, dass es passt.“ Diese Planung würde jährlich wiederholt und die entsprechenden Pläne angepasst. Auch die Antwort auf die Frage, wie viele Kinder in Zukunft zu- oder wegziehen, müsse geschätzt werden.

Torsten Göpfert, Dezernent des Kreises Unna unter anderem für Familie und Jugend
Torsten Göpfert, Dezernent des Kreises Unna unter anderem für Familie und Jugend, räumte im jüngsten Holzwickeder Familienausschuss Fehler ein. © Alexander Heine / Archiv

„Holzwickede ist eine Gemeinde, die prosperiert und wächst, da ist es nicht verwunderlich, dass die Kinderzahl zunimmt“, so Göpfert. „Zuwanderungsbewegungen sind jedoch schwierig zu prognostizieren.“ In der Holzwickeder Planung wurden dabei besonders die Auswirkungen eines Neubaugebietes falsch eingeschätzt. „Wir haben den Zuzug in den Wohnpark Emscherquelle komplett unterschätzt“, so Göpfert. „Wir haben mit Annahmen aus anderen Wohngebieten gearbeitet, in denen es völlig anders gelaufen ist. Das kann man einen Planungsfehler nennen.“

Ein schneller Ausweg aus dieser Misere ist derzeit nicht in Sicht. Zwar nähert sich die Kindertagesstätte im Wohnpark Emscherquelle der Fertigstellung; im 4. Quartal 2024 soll der Betrieb aufgenommen werden. „Die Kita wird möglicherweise noch vor Weihnachten aus den Übergangsquartieren an der Rausinger Halle ins neue Gebäude einziehen können“, so Göpfert. „Das macht jedoch erstmal nichts mit den verfügbaren Plätzen, da die Kita bereits in Betrieb ist.“

Neue Kita in Holzwickede

Um solche Schlamassel in Zukunft zu verhindern, will der Fachbereich Familie und Jugend des Kreises Unna seine Planungsgepflogenheiten verändern. Bisher habe man in seinem Dezernat linear geplant, „wir werden diese Planungen aber nun auch umstellen“, so Göpfert. „In diese Planungen soll auch eine Elternumfrage zur Familienplanung mit einfließen. Die Sichtweise der Eltern werden wir in die Bedarfsplanung einbeziehen.“ So soll nicht mehr ein linearer Plan aufgestellt werden, sondern es sollen Lösungen für verschiedene Szenarios gefunden werden. Die Frage „Was wäre wenn?“ soll stets berücksichtigt werden.

Doch von Berechnungen allein bekommt kein Kind einen Betreuungsplatz. Deswegen haben in der vergangenen Woche Gespräche zwischen Bürgermeisterin Ulrike Drossel, dem Ersten Beigeordneten Bernd Kasischke, Landrat Mario Löhr und Torsten Göpfert stattgefunden. Das Ziel: Eine neue Kita für Holzwickede auf den Weg zu bringen.

Die Kita im Neubaugebiet Wohnpark Emscherquelle.
Die Kita im Neubaugebiet Wohnpark Emscherquelle soll im vierten Quartal 2024 ihren Betrieb aufnehmen. © Christian Greis

Wir haben intensiv gesprochen, um gemeinsam eine zusätzliche Kita in Holzwickede zu projektieren, in der vier, möglicherweise fünf Gruppen betreut werden können“, so Göpfert. Wann eine solche Kindertagesstätte ihren Betrieb aufnehmen kann, ist unklar. Das hänge auch von den verfügbaren Grundstücken ab. „Wenn das entsprechende Grundstück sofort bebaubar ist, wird es etwa zwei Jahre bis zur Inbetriebnahme dauern“, so Göpfert. Wenn das Projekt auf einem Grundstück ohne derzeitiges Baurecht realisiert werden soll, muss man mit drei bis vier Jahren rechnen.

Bis dahin werden auch Notmaßnahmen geprüft, um den Bedarf kurzfristig zu senken. So sollen Kinder, falls möglich, in benachbarten Kommunen betreut werden. Das sei natürlich keine Lösung für 130 Kinder und eigne sich bei Weitem nicht für alle Familien. Doch: „Im Einzelfall, wo Eltern es auch annehmen wollen, wollen wir es ermöglichen“, so Göpfert. Gleichzeitig wirbt der Kreis Unna für die Qualifizierung zur Kindertagespflegeperson.

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