Der Künstler Gunter Demnig hat in den letzten 20 Jahren sage und schreibe 90.000 Stolpersteine in 26 Ländern verlegt. Vier Mal war er schon in Holzwickede. Auf Einladung der VHS-Arbeitsgemeinschaft Spurensuche NS-Zeit gab er jetzt im Schloss Opherdicke tiefe Einblicke in sein Leben und künstlerisches Schaffen.

© Martin Krehl

Gunter Demnig: „Auf Stolpersteinen laufen, dann bleibt die Erinnerung blank“

dzVortrag zu Stolpersteinen

Dass die Erfindung der Stolpersteine als Gedenkmöglichkeit für Millionen namenloser NS-Opfer nahezu unausweichlich war, darüber sprach der Künstler Gunter Demnig im Schloss Opherdicke.

Holzwickede

, 28.01.2022, 17:10 Uhr / Lesedauer: 2 min

Trotz der grausigen Schicksale der Menschen, in deren Gedenken Gunter Demnig seit Jahrzehnten 90.000 glänzende Stolpersteine vor deren Geburts- oder Wohnhäuser verlegt hat, ist der Mann Mensch geblieben. Natürlich kann er sich freuen und ärgern und Spaß haben. Zum Beispiel an seinem eigenen Werdegang, den er auf das Wesentliche und Skurillste gerafft, den 60 Gästen am Donnerstagabend auf Haus Opherdicke präsentierte. Zuvor hatte der Künstler am Nachmittag fünf neue Stolpersteine in der Gemeinde verlegt.

Heute ist der 74-Jährige auch beseelt davon, überall Stolpersteine verlegen zu müssen, wo einst Nazi-Schergen oder die Wehrmacht ihr terroristisches, menschenverachtendes und völkermordendes Tun hinterließen. 26 Länder hat er mit Hilfe unzähliger örtlicher Initiativen wie den verdienstvollen Holzwickeder Spurensuchern der VHS-Gruppe „NS-Opfer in Holzwickede“ schon geschafft.

Begonnen hatte alles mit der Durchsetzungskraft, mit der Demnig auch heute noch Hausbesitzer-Bedenken und Städtebau-Vorschriften wegschiebt: Er studierte Kunstpädagogik, nicht bildende Kunst, und verschaffte sich damit Einblicke in alle Gewerke kreativen Schaffens. In der Bildhauerei und Konzeptkunst blieb er hängen.

Es folgten bemerkenswerte Aktionen, bei denen er halb Europa mit blutgetränkten Mahnworten oder kritischen Kreidesprüchen durchzog. Er erinnerte als einer der ersten an die Deportation Tausender Sinti und Roma mit bleibend-bleiernen Spruchbändern in Köln.

Mehr als 60 angemeldete Zuhörer hatten sich im Schloss Opherdicke eingefunden, um Gunter Demnig kennen zu lernen. Am Eingang wurde streng der 2G-Impfstatus kontrolliert.

Mehr als 60 angemeldete Zuhörer hatten sich im Bauhaus auf Gut Opherdicke eingefunden, um Gunter Demnigs Worten zu folgen. Am Eingang wurde streng der 2G-Status kontrolliert. © Martin Krehl

Stolpersteine sind keine Grabsteine, sondern Schluss-Steine. Eine Art handfester Geschichtsunterricht, deshalb auch für Jugendliche interessant. Den Hinterbliebenen der Nazi-Opfer ist das wichtig. „Mit Rumtrampeln haben sich die Nazis ja nicht begnügt, die mordeten. Auf den Stolpersteinen muss man laufen, dann bleiben sie und die Erinnerung blank“, so Demnig. Zum Lesen muss man sich verbeugen oder niederknien – das haben die Opfer auch verdient.

Stolpersteine sind aus gutem Grund auch Handarbeit

Die Beschriftung auf jedem Stein erfolgt per Hand, niemals maschinell. Weil die Nazis industriell mordeten. Sein allererstes Kunstwerk war eine US-Flagge mit Totenköpfen statt Sternen, gemalt auf die Fensterscheibe seines Ateliers in Berlin Kreuzberg. Natürlich gab das Ärger. Otto Schily war damals im Jahr 1969 sein Rechtsbeistand. Ärger brachte fast jedes seiner hochpolitischen Kunstwerke im Laufe der Jahrzehnte. Drei Morddrohungen hat Gunter Demnig im Laufe der Jahre erhalten. Schiebt lapidar nach: „Nur.“