Es ist wenig los im Schwimmbad Schöne Flöte in Holzwickede. Das Freibad befindet sich gerade im Winterschlaf. Die Wasserabläufe, auf denen im Sommer Plastikgitter liegen, sind voller Laub. Nur hinter den Fenstern des angrenzenden Fitnessstudios sind Menschen zu sehen. Ein Mann mit kariertem Hemd und um den Hals baumelnder Brille kommt aus Richtung der Schwimmbecken gehumpelt, wo er gerade ein Becken inspiziert hat.
Nur wenige Holzwickeder kennen das Freibad und die Kleinschwimmhalle so gut wie Carsten Prünte. Der 59-Jährige ist hier seit 32 Jahren der leitende Schwimmmeister – verantwortlich für das Freibad Schöne Flöte und die Kleinschwimmhalle. Über unzählige Holzwickeder hat er dabei gewacht, einigen sogar das Schwimmen beigebracht.
Die langjährige Betriebszugehörigkeit macht Prünte fast zum Teil des Inventars. „Ich arbeite auch nicht im Freibad, sondern in meinem Freibad“, sagt der 59-Jährige und grinst. Genauso sieht er die Gäste der Schönen Flöte als „seine Gäste“ an – und für die fühlt er sich verantwortlich. „Wir Bademeister beurteilen eine gute Saison nicht danach, wie das Wetter war“, erklärt er. Für die angestellten Bademeister und Rettungsschwimmer ist eine Saison dann gut, wenn sie ohne größere Unfälle zu Ende gegangen ist.

Der Beruf als Berufung
Auch im Jahr 2025 ist der Beruf des Bademeisters, wie der Fachangestellte für Bäderbetriebe immer noch umgangssprachlich genannt wird, ein sehr spezieller. Er umfasst Aufgaben wie die Überwachung des Badebetriebs, die Wasseraufbereitung, Erste Hilfe sowie die Wartung und Pflege der Schwimmanlagen.
„So einen Beruf kann man nur machen, wenn der Job eine Berufung ist“, meint der Chef-Bademeister, der in Lünen aufwuchs. Schon früh zieht es ihn zum Wasser. „Ich fand es immer spannend, am Beckenrand zu stehen, weshalb mein Vater mir dann notgedrungen das Schwimmen beibringen musste“, erzählt Prünte. Im alten Cappenberger See in Lünen war das – da war er gerade mal vier Jahre alt.
„Ein Lehrer sagte zu meinen Eltern: ‚Der Junge muss in den Schwimmverein‘“, erinnert sich der heute 59-Jährige. Mit 13 beginnt er, Wasserball zu spielen, und schafft es bis in die zweite Bundesliga.
Doch kann man damit beruflich Fuß fassen? „Ich bin in einer Bäckerei groß geworden, in der mein Vater die Backstube geleitet hat“, erzählt Prünte. Eine Zeit lang galt es als selbstverständlich, dass auch er diesen Berufsweg einschlägt. Doch nach den Ferien, in denen er bereits ab 2.30 Uhr in der Backstube sein musste, ist für ihn klar: „Das ist nichts für mich.“

Der Weg zum Schwimmmeister
Als Carsten Prünte einen Praktikumsplatz sucht, fragt er einen Bekannten, ob er das nicht im Schwimmbad machen könne. Er hat Glück und wird eingestellt. Ab August 1982 wird er dann in Lünen zum Schwimmmeistergehilfen ausgebildet. Elf Jahre bleibt er dort, bevor er am 1.1.1993 in der Schönen Flöte in Holzwickede anfängt.
Seitdem ist der Beckenrand sein Revier. Doch die Vorstellung, dass ein Bademeister einfach nur in der Sonne sitzt, hat wenig mit der Realität zu tun. Auf 16 Kilometer kam er, als er im Sommer mal einen Schrittzähler mitlaufen ließ. „Acht Stunden am Beckenrand, bei 35 Grad – das ist kein Kinderspiel“, weiß der Holzwickeder.
Ständig muss er die Position wechseln, weil die gleißende Sonne so stark auf der Wasseroberfläche spiegelt, dass er die Gäste im Wasser nicht erkennen kann. „Man ist hier ständig in Bewegung“, sagt Prünte und zeigt auf das Schwimmerbecken, wo er gerade die Pumpen kontrollieren muss. Um alle Winkel zu sehen, muss er als Bademeister auch die Ecken regelmäßig inspizieren. Ein solches Becken hat von oben viel mehr tote Winkel, als es vielleicht den Anschein macht. Mit dem Handy macht der Chef-Bademeister für einen anderen Mitarbeiter ein Bild vom Becken.

Ernstfälle bleiben die Ausnahme
Aber wie oft kommt es vor, dass ein Bademeister wirklich jemanden retten muss? Prünte kneift kurz die Augen zusammen und schaut rüber zum Aktionsbecken, wo die Rutsche ins Wasser mündet. Jemand, der sein berufliches Leben dem Retten von Menschen verschrieben hat, redet nicht so gern über die Schattenseiten des Berufs. Zum Glück sind Unglücksfälle in der Schönen Flöte selten.
Zögerlich erzählt Carsten Prünte von einem Todesfall, der sich im Freibad ereignete. Mit einem schnellen Sprung ins Wasser musste er einen Badegast aus dem Becken retten, der dort regungslos trieb. Er leitete die Rettungsmaßnahmen ein und übergab den Mann an einen Rettungswagen, der ihn ins Krankenhaus nach Unna bringen sollte. Doch aufgrund mehrerer Vorerkrankungen war der Patient so instabil, dass er auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb.
Immer wieder kommt es auch in der Schönen Flöte zu „Fast-Unfällen“, wie Prünte sie nennt. Ein besonderer Umstand ist, dass Prünte die Holzwickeder kennt. Er zeigt auf das Aktionsbecken. Hier musste er einen Jungen herausziehen, den er kannte. Mit klopfendem Herzen rief er am nächsten Tag bei den Eltern an, um sich nach dessen Gesundheitszustand zu erkundigen. Es sah ernst aus, der Junge musste reanimiert werden. Doch der Vater verstand die Aufregung nicht. „Der Junge spielt doch wieder draußen“, sagte er am Telefon. Carsten Prünte fiel ein Stein vom Herzen.

Die schönsten Momente
Doch es sind nicht die Unfälle, die Prünte besonders im Gedächtnis geblieben sind. Zu den besonderen Momenten gehört für ihn vor allem, wenn er Menschen das Schwimmen beibringen darf. „Da ist dieser Babyschwimm-Kurs aus meinem ersten Jahr“, erzählt er. Er hatte die Weiterbildung dafür frisch in der Tasche, als er in seiner Freizeit einen Kurs mit zehn Babys in der Kleinschwimmhalle betreute.
Alle Neugeborenen waren zwischen sieben und acht Wochen alt. „Am zweiten Tag sollten wir dann laut Lehrplan tauchen“, erinnert er sich. Eine heikle Situation für Kind und Eltern, da die Babys dabei länger unter Wasser sind. Mit klopfendem Herzen leitete er die Übung an und unterstützte die Eltern, die ihre Kinder in einer bestimmten Choreografie unter Wasser zogen. Die Übung klappte problemlos.
„Zu sehen, wie gut alles geklappt hat, hat mich emotional sehr berührt“, erinnert sich der Bademeister und lächelt. Bis heute trifft er die Babys aus diesem Kurs, die mittlerweile als junge Eltern mit ihren eigenen Kindern in der Schönen Flöte das Tauchen üben.
Ein Leben für das Wasser
Etwas wehmütig schaut der 59-Jährige auf das große Schwimmerbecken. Eigentlich ist es ihm immer wichtig, genauso oft am Beckenrand zu stehen wie die anderen aus seinem Team. Doch für ihn ist die aktive Phase seit 2013 vorbei.
Bei einem Übungseinsatz der Freiwilligen Feuerwehr Holzwickede zog er sich eine langfristige Fußverletzung zu. Fünfmal wurde er operiert, um wieder halbwegs laufen zu können. Für den aktiven Rettungsschwimmerdienst ist er nun zu unbeweglich.
Trotzdem hat Carsten Prünte nie den Spaß an seiner Arbeit verloren. „Es ist einfach toll zu sehen, wenn Kinder ihr Seepferdchen geschafft haben“, sagt er. Das Strahlen in den Augen, wenn sie stolz das Abzeichen auf ihrer Badehose in der Schönen Flöte spazieren tragen – das sind nun die Momente, die für ihn zählen. „Dann weiß ich, warum ich diesen Job mache“.
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