
© Marcel Drawe
20. Stolperstein in Holzwickede: Verlegung mit besonderen Umständen
Erinnern an Opfer der NS-Zeit
Eigentlich ist es ein bekanntes Bild: Gunter Demnig besucht die Gemeinde, verlegt Stolpersteine und geht wieder. Beim 20. Stolperstein, der nun verlegt wurde, war aber alles ein bisschen anders.
Monatelang lag der Stolperstein für Wilhelm Nissel im Gemeindearchiv. Nun ist er herausholt und verlegt worden. Es war der 20. Stolperstein, der in Holzwickede verlegt worden ist – und der erste in Opherdicke. Und es gab noch eine Premiere: Zum ersten Mal war der Künstler Gunter Demnig nicht selbst zugegen, um den Stein in die Erde zu setzen. Der Termin war zu kurzfristig, berichtet Ulrich Reitinger, Mitglied der VHS-Gruppe „Spurensuche NS-Opfer Holzwickede“.
„Es war der erste Stolperstein, den wir selbst verlegen mussten.“ Wir – das war in diesem Fall der Baubetriebshof der Gemeinde Holzwickede. Die Mitarbeiter bereiteten sonst ohnehin die Stelle für den Stein vor, sodass Gunter Demnig nur noch betonieren müsse, erzählt Reitinger. Nun lag die gesamte Verlegung in ihrer Verantwortung.
Seit 2020 existiert der Stolperstein für Wilhelm Nissel. Dass es bis zu seiner Verlegung so lange gedauert hat, hatte nur einen Grund: Eine Anwohnerin hatte in Frage gestellt, ob ihr Haus tatsächlich die Adresse von Wilhelm Nissel gewesen ist. Dieses Problem trat im Oktober 2020 auf. Nach der Stolpersteinverlegung, so hatten es die Verantwortlichen damals angekündigt, wollte man das Gespräch mit der Anwohnerin suchen.
Stolperstein wird einige Meter vom Wohnhaus entfernt verlegt
Das habe man auch versucht, berichtet Ulrich Reitinger nun. „Wir haben die Anwohnerin mehrmals eingeladen, aber sie ist leider nicht gekommen. Es hat kein Dialog stattgefunden.“ Da auf diesem Weg keine Lösung zu erzielen war, entschied man sich, den Stein etwas weiter entfernt zu verlegen. „In Sichtweite“, wie Ulrich Reitinger erklärt.

Der 20. Stolperstein wurde in Holzwickede im Beisein einiger Zuschauer verlegt. © Marcel Drawe
Also wurde an der Ecke Im Ostdorf/Dorfstraße ein Loch gebuddelt, der Stein verlegt und die Zeremonie dazu gefeiert. Wie gewohnt kam auch die Aydaco AG des Clara-Schumann-Gymnasiums dazu, um die Veranstaltung musikalisch zu begleiten. Es war wohl die letzte Stolpersteinverlegung für dieses Jahr – aber nicht die letzte in Holzwickede, stellt Reitinger in Aussicht. „Es sind etliche Steine, die wir noch verlegen werden.“
Nun stand aber Wilhelm Nissel im Vordergrund – ein Opfer der NS-Zeit. Im Vergleich zu anderen Inhaftierten sei er relativ lange in Haft gewesen, berichtet Reitinger. „Eigentlich von September bis Oktober 1933. Da war er im KZ Bergkamen-Schönhausen. Als das aufgelöst wurde, kam er ins Polizeigefängnis in Unna. Er war relativ lange inhaftiert – nur aufgrund seiner KPD-Zugehörigkeit.“ Wilhelm Nissel wurde 1897 im schlesischen Royn, Kreis Liegnitz, geboren. Nachdem er aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte, zog er nach Holzwickede, arbeitete als Schachtmeister im Bergbau, heiratete und zog nach Opherdicke.

Zur Stolpersteinverlegung leisteten Mitglieder der Aydaco AG des Clara-Schumann-Gymnasiums einen musikalischen Beitrag. © Marcel Drawe
Wilhelm Nissel fügte sich wohl nicht und war lange inhaftiert
Die Staatspolizei Dortmund hatte veranlasst, ihn „als Geisel“ festzunehmen. Ulrich Reitinger erklärt: „Diese ‚Geiselhaft’ schien eine damals übliche Gegenmaßnahme der Staatspolizei gewesen zu sein, bei der es nicht darum ging, tatsächliche ‚Täter‘ zu fassen, sondern polizeilich bekannte Gleichgesinnte, die ebenfalls ‚kommunistischer Umtriebe‘ verdächtig waren und sich noch nicht in Schutzhaft befanden, festzunehmen.“ Reitinger vermutet, dass Wilhelm Nissel sich auch nach seiner Verhaftung weigerte, mit der Staatspolizei zusammenzuarbeiten und deshalb überdurchschnittlich lange in Haft war.
Im November 1934 wurde Nissel entlassen, körperlich hatte ihm die Haft schwer zugesetzt. Nachdem er vor dem Zweiten Weltkrieg seine Familie verließ, später eingezogen wurde und den Krieg überlebte, war er selbstständiger Handelsvertreter, heiratete 1947 ein zweites Mal und bekam sein insgesamt sechstes Kind. 1954 verstarb er im Alter von 57 Jahren in Neubeckum.