Er zeigt keinerlei Scheu, streift am helllichten Tage durch Gärten und lässt sich auch von angeregt diskutierenden Menschen nicht stören. Der Waschbär aus dem Fröndenberger Ortsteil Warmen hat mit seinem menschennahen Verhalten zuletzt für Aufsehen gesorgt.
Eigentlich, so lernt man es in der Schule, ist der Waschbär ein mittelgroßes, nachtaktives Raubtier, das bevorzugt in gewässerreichen Laub- und Mischwäldern lebt. Der Waschbär stammt aus Nordamerika. Er ist inzwischen aber auch in Europa, dem Kaukasus und Japan heimisch, wo er entweder ausgesetzt wurde oder aus Gehegen entkam.
Wie das Verhalten des Fröndenberger Exemplars mit dem allgemeinen Verhalten seiner Gattung zusammenpasst – diese Frage stellt sich nun. Wir sprachen mit Yvonne Schulz-Garbe. Sie arbeitet als Lehrerin und engagiert sich als aktive Jägerin im erweiterten Vorstand der Kreisjägerschaft Unna.

Ist das Tier vielleicht erkrankt, oder wie lässt sich die Zutraulichkeit erklären?
Schulz-Garbe: „Natürlich können auch Wildtiere erkranken. So liegt bei Waschbären oft Staupe vor, wenn die Tiere auffällig zutraulich werden. Bei dieser Erkrankung müssen insbesondere Besitzer ungeimpfter Hunde auf ihre Tiere aufpassen. Auch die oftmals tödliche Katzenkrankheit Panleukopenie, die Leptospirose, eine akut verlaufende bakterielle Infektionskrankheit, oder der Waschbärenbandwurm können von erkrankten Tieren übertragen und Mensch oder Tier gefährlich werden.
Die gefürchtete Tollwut können Waschbären grundsätzlich auch übertragen, doch gibt es dafür derzeit keine Anhaltspunkte. Bei einem Seminar habe ich vor Wochen erfahren, dass zuletzt nur eine Fledermaus in Selm mit Tollwut tot aufgefunden wurde. Es muss aber nicht zwingend eine Krankheit zugrunde liegen: Wenn dieser Waschbär etwa eine Handaufzucht war, so können die Zutraulichkeit und die Tagesaktivität auch erlernt sein.“
Wieso ist der Waschbär hierzulande so umstritten?
Schulz-Garbe: „Das ist nicht nur hierzulande so. Auch international wird die immer weiter zunehmende Ausbreitung des Waschbären kritisch gesehen: Seit 2016 findet sich der Waschbär EU-weit auf der ‚Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung‘. Das bedeutet, dass Waschbären nicht privat gehalten und auch nicht ausgesetzt werden dürfen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Ausbreitung des Waschbären beobachten und eindämmen. In Deutschland darf der Waschbär deshalb in fast allen Bundesländern ganzjährig bejagt werden.
Die unkontrollierte Ausbreitung dieser nordamerikanischen Art hat einfach negative Auswirkungen auf das hiesige Ökosystem. Er ist ein hervorragender Kletterer, sodass er als Nesträuber in den Bäumen wie bei den Bodenbrütern je nach Verbreitung bestandsgefährdende Auswirkungen hervorrufen kann. Auch Amphibien und Reptilien werden akut durch den Waschbären gefährdet.“
Aber Waschbären sind gegen Menschen nicht aggressiv?
Schulz-Garbe: „Grundsätzlich ist der Waschbär nicht aggressiv. Man darf aber nicht vergessen, auch der Waschbär ist ein Bär. Wenn er sich einmal von einem Menschen oder auch einem Haustier wie Hund oder Katze bedroht fühlt, kann er sich durchaus schmerzhaft zur Wehr setzen und üble Bisswunden verursachen.
Als ausgezeichnete Kletterer können sie auch schnell ins menschliche Zuhause gelangen: Wenn sie durch Katzenklappen, den Schornstein oder geöffnete Fenster in das Haus gelangen, richten sie dort viel Schaden an. Wände und Schänke werden zerkratzt, alles Mögliche umgestoßen und angefressen und außerdem wird überall Kot und Urin hinterlassen. Wenn sie sich, etwa auf dem Dachboden, häuslich eingerichtet haben, richten sie auch schnell Schäden an, die in die Tausenden Euro gehen können.“