Die Stadt Fröndenberg steht vor millionenschweren Investitionen, die sich über viele Jahre aufgestaut haben. Eine Äußerung von Kämmerer Heinz-Günter Freck lässt nun Raum für Spekulationen: Zur Finanzierung der ungekürzten Ausgaben müsste die Grundsteuer B theoretisch um einen dreistelligen Wert steigen.
Dass es im nächsten Herbst bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2024 wirklich dazu kommen wird, dass Grundstückseigentümer in dieser Größenordnung belastet werden, darf allerdings mit Fug und Recht bezweifelt werden.
400 Prozentpunkte für alle Investitionen
Allein die Größenordnung der Rechnung macht aber deutlich, welche Mammutaufgabe die Stadt in den nächsten Jahren zu bewältigen hat. Ratsherr Lars Köhle wollte vom Kämmerer in der jüngsten Ratssitzung wissen, um wie viele Prozentpunkte die Grundsteuer steigen müsste, wenn man die geplanten Investitionen zum Beispiel für die neuen Feuerwehrhäuser und Umbauten an Schulen ohne Einschränkung umsetzen sollte.
Laut Köhle hat Freck die Zahl von 400 Prozentpunkten genannt. Bei einem Hebesatz von aktuell 695 Prozent stiege der Satz damit auf mehr als 1000 – absolute Spitze im Kreis Unna, wo Selm aktuell mit 825 einsamer Rekordhalter ist

In Euro und Cent umgerechnet ergäbe sich daraus eine jährliche Mehreinnahme von rund 2,6 Millionen Euro. Die lokalen Parameter in Fröndenberg zugrunde gelegt, gilt die vereinfachte Rechenformel, dass die Stadt je zehn Prozentpunkte 65.000 Euro mehr Grundsteuer einnimmt.
Mit diesem Geldsegen wäre der Kämmerer einiger Sorgen ledig. Aber kommt es auch nur annähernd zu einer solchen Steigerung, die einher ginge mit einem Griff ins Portemonnaie fast aller Bürgerinnen und Bürger?
Steuererhöhung vor der Kommunalwahl?
Die ominöse Zahl von 400, so theoretisch sie auch sein mag, wird von anwesenden Ratsleuten schon einmal nicht bestätigt. Man könne sich nicht erinnern, heißt es vereinzelt. „Weit über 300 waren es ganz sicher“, zeigen sich andere überzeugt. Das Thema ist für die Lokalpolitik heikel – wenn man den Haushalt für 2024 beschließt, ist die Spanne bis zur nächsten Kommunalwahl 2025 nicht mehr groß.
- Die chronische Unterfinanzierung schränkt die Handlungsfähigkeit der NRW-Kommunen zunehmend ein. Die Ergebnisse der aktuellen Haushaltsumfrage unter den 361 Mitgliedskommunen des Städte- und Gemeindebundes NRW (StGB NRW) zeigen einen klaren Trend: Immer mehr Kommunen haben mit einem defizitären Haushalt zu kämpfen und sehen sich gezwungen, auf Notreserven zurückzugreifen.
- Auch Gemeinden ohne hohen Schuldenstand – wie Fröndenberg – geraten zunehmend in Schieflage. Nur noch 22 Prozent der vom StGB NRW befragten Kommunen konnten einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorweisen, also ihre Ausgaben durch laufende Erträge decken. Im Vorjahr waren es noch doppelt so viele.
- Aufgrund des NKF-COVID-19-Ukraine-Isolierungsgesetzes hätten die Kommunen Finanzschäden in erheblichem Umfang haushalterisch isoliert. Insgesamt geht es um ein Volumen von rund 2,4 Milliarden Euro, die die kommenden Haushalte dauerhaft über bis zu 50 Jahre belasten werden.
Heinz-Günter Freck selbst lehnt eine Bestätigung der genannten Zahl ebenfalls ab. Denn dass er auch künftig einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könne, hänge nicht nur von der Finanzierung der Investitionen ab.
Da gebe es weitere entscheidende Faktoren: die Entwicklung der Umlage, die der Kreis Unna erhebt, die Personalkosten, die Schlüsselzuweisungen des Landes und auch die künftige Höhe der Gemeindeanteile an der Einkommensteuer.
„Auch die künftige Entwicklung des Kapitalmarktzinses wird eine Rolle spielen. Das sind alles Faktoren, deren Entwicklung heute noch nicht präzise prognostiziert werden können. Insofern ist es nicht sinnvoll, jetzt über eine konkrete Hebesatzerhöhung zu spekulieren“, sagt der Kämmerer und Beigeordnete.
Baumaßnahmen kosten mehr als 90 Millionen Euro
Freck hatte im Oktober 2022 mit seiner aktualisierten Prognose für die Investitionen der nächsten zehn Jahre aufhorchen lassen: Einen Kreditbedarf von 51,5 Millionen Euro hatte das Finanzteam im Rathaus ermittelt. Denn bis 2032 müssen für die Baumaßnahmen 90,3 Millionen Euro bezahlt werden.
Durch eigene Einnahmen wie Grund- und Gewerbesteuer in der heutigen Höhe seien solche Ausgaben nicht mehr zu erwirtschaften. Die Folge: Ab 2025 wäre der Haushalt nicht mehr auszugleichen, ab 2028 drohe ein Haushaltssicherungskonzept. Kürzlich schärfte Freck die Prognose sogar noch nach: Bereits ein Jahr früher sei wegen erneuter Kostensteigerungen der Haushalt nur noch mit einem Griff in die Rücklagen zu decken.
Damals wie heute hatte die Kämmerei darauf verwiesen, dass es nur zwei Möglichkeiten gebe, einem Finanzdebakel zu entgehen: die „Ertragsstruktur“ zu verbessern, also Steuern zu erhöhen, oder die „Erforderlichkeit der Investitionen kritisch zu überprüfen und zu diskutieren“.
Wo kann noch gespart werden?
Auf die Frage, ob er bei der Einbringung des nächsten Haushaltes eine Anhebung des Grundsteuer-Hebesatzes vorschlagen werde, bleibt Freck vage: In den Fachbereichen im Rathaus werde gerade nachgerechnet, welchen Finanzbedarf man 2024 überhaupt habe. Man wisse auch noch nicht, wie viel Geld an den Kreis abzuführen ist, wie viel Geld es vom Land geben werden. „Es ist deshalb zu früh, um hierzu eine Aussage zu treffen“, so Freck.

Der Kämmerer räumt indes ein, dass es „wenig wirkungsvoll gestaltbare Alternativen“ zu den beiden Haupteinnahmequellen der Stadt, der Grund- und Gewerbesteuer, gibt, die Fröndenberg selbst beeinflussen könne.
Die Spekulationen können also weitergehen. Aus den Reihen des Stadtrates ist zu vernehmen, dass die Kosten für die Baumaßnahmen womöglich ja noch sinken könnten: Es soll geprüft werden, ob die neuen Gerätehäuser in Leichtbauweise errichtet werden könnten. Der Neubau im benachbarten Schwitten wird mit geringeren Kosten veranschlagt (2,5 Millionen Euro) als Umbau und Erweiterung in Ostbüren (2,6 Millionen Euro).
Manche spekulieren auch, dass die Baupreise bald wieder sinken, weil die Auftragslage wegen der hohen Kosten eingebrochen sei. Das klingt nach Prinzip Hoffnung.