Antibiotika-Säfte für Kinder sind gerade rar. Dabei helfen sie bei schweren Erkrankungen wie Lungenentzündungen. Immer wieder müssen Apothekerinnen und Apotheker die Eltern und ihre kranken Kinder enttäuschen. „Ich bin selbst Mutter und kann Eltern verstehen, die gerade verzweifelt sind“, sagt Apothekerin Dr. Anke Lochmann von der Markt-Apotheke in Fröndenberg. Es sind nicht die ersten Engpässe in letzter Zeit.
Seit Ende April gibt es laut Bundesministerium für Gesundheit offiziell einen Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder. Um die Situation zu verbessern, erlaubt der Kreis Unna allen Apotheken im Kreisgebiet Säfte, die zwar im Ausland, aber nicht in Deutschland zugelassen sind, auf Vorrat zu beziehen. Zuvor war das Bestellen im Ausland nur auf Rezept möglich. Wir haben bei allen vier Apotheken in Fröndenberg nachgefragt, was sie davon halten.
Mangel auch im Ausland
Seit dem 11. Mai gilt diese Erlaubnis. „Hintergrund ist, dass es sehr starke Lieferschwierigkeiten gibt“, erklärt Apothekerin Lochmann. Das Angebot der wenigen Hersteller sei knapp, die Nachfrage durch Krankheitswellen groß: „Da kommt einiges zusammen.“
Am Montag habe sie in ihren drei Apotheken – neben der Filiale in Fröndenberg betreibt sie noch eine in Unna Hemmerde und eine in Wickede (Ruhr) – nicht einen antibiotikahaltigen Saft für Kinder auf Lager gehabt. Am Donnerstag waren es sieben. Als ihre Apotheke an Pfingsten Notdienst hatte, fragten jedoch die meisten Anrufer nach genau diesen Säften. Viele von ihnen mussten leider enttäuscht werden. Deshalb versuchte die Apothekerin auch im Ausland über den Großhandel und die Internationale Apotheke Säfte zu importieren. Allerdings ohne Erfolg.
„Auch die anderen Länder sind abgegrast“, sagt Anne-Katrin Burmester, Inhaberin der Hubertus Apotheke in Fröndenberg-Langschede. Sie hatte am Montag aber mehr Glück und konnte Säfte aus Belgien ordern. Die Lieferzeit betrage fünf bis acht Tage. „Das ist eigentlich schon schlimm genug“, sagt Burmester. Wer ein Antibiotikum brauche, der brauche es direkt.

Besser sah es in der Stifts-Apotheke aus, zumindest am Montag. Inhaberin Claudia Pöstges habe gerade wieder drei Säfte bekommen. Deshalb habe sie auch noch nicht versucht, international Nachschub zu bestellen. Medikamente aus dem Ausland kämen bei ihr nur als „Reserve für den Notfall“ in Frage.
Auch in der Ruhr-Apotheke von Carsten Brassat werde es erst mal keine Medikamente aus dem Ausland geben. Obwohl die Situation gerade schwierig sei, wolle Brassat lieber gemeinsam mit den Kinderärzten Lösungen finden, als umständlich zu versuchen, international Säfte zu bestellen. „Bisher konnte bei uns noch jedes Kind versorgt werden“, sagt der Apotheker. Pro Tag seien das immerhin etwa fünf Säfte.
Kein Zulassung – kein Problem
Schon in den vergangenen Monaten gab es regelmäßig Lieferengpässe für Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol. „Es ist ein Trauerspiel, wenn Basis-Medikamente nicht verfügbar sind“, sagt Anke Lochmann. Bei Antibiotika seien die Folgen aber besonders schlimm. Auch wenn in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten teils andere Lösungen gefunden werden können, sind Antibiotika generell schwer zu ersetzen. „Nicht bei jeder Krankheit hilft jedes Antibiotikum“, sagt Apothekerin Burmester.
Dass die Medikamente aus dem Ausland in Deutschland noch nicht zugelassen sind, sei aus Sicht aller vier Apotheker wenig problematisch. „Ich habe da keine Bedenken“, sagt Lochmann. Auch diese Medikamente seien getestet worden und unterliegen europäischen Standards. Burmester betont, dass die Zulassungsverfahren monatelang dauern und beim momentanen Mangel Eile geboten sei. Apotheker Brassat sieht beim internationalen Einkauf aber ethische Probleme. Er wolle niemandem im Ausland die Medikamente wegkaufen, nur weil er es vielleicht könne.
„Für den Herbst sehe ich schwarz“
Bis Ende des Jahres gilt die Allgemeinverfügung vorerst. Danach dürfen die Säfte nicht mehr vertrieben werden. Das sei aber nur ein theoretisches Problem, so Lochmann: „Im Moment wäre ich erst mal froh, wenn ich überhaupt eine Packung habe.“ Außerdem dürfen sich die Apotheken auch lediglich „leicht bevorraten“, wie es heißt. Das bedeute maximal fünf Säfte pro Bestellung, erklärt Anne-Katrin Burmester. Wenn Apotheken aber noch deutsche Medikamente vorrätig haben, müssen sie zuerst die und erst danach die Ware aus dem Ausland verkaufen.
„Gut gemeint, aber nicht wirklich hilfreich“, fasst Claudia Pöstges die Allgemeinverfügung des Kreis Unna deshalb zusammen. Ihre Kollegin Burmester sieht es ganz ähnlich: „Insgesamt ist das wenig hilfreich. Wir kriegen die Säfte ja trotzdem nicht schnell.“ Wenn überhaupt, bringe das Ende der Erkältungszeit Entlastung für die Apotheken. „Im Januar und Februar war es katastrophal und für den Herbst sehe ich schwarz“, sagt sie.
Carsten Brassat wolle auch in Zukunft lieber weiter auf die enge Kommunikation mit Kinderärzten setzen: „Das funktioniert bisher gut.“ Anke Lochmann hingegen sieht zumindest den Import der Säfte etwas positiver. Jeder Weg, die Lieferengpässe auch nur ein wenig zu öffnen, sei wichtig.
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