„In Dellwig gab es die drei jüdischen Familien Cohen, Grüneberg und Rosenthal“, erzählt Klaus Böning. Für den neuen Kalender des Freibads Dellwig hat sich der Ortsheimatpfleger in diesem Jahr intensiv mit der Geschichte der Familie Grüneberg beschäftigt. „Im Gegensatz zu anderen jüdischen Familien haben sie es geschafft, rechtzeitig in die USA zu fliehen“, so Böning.
Der Reihe nach: Seit 1879 war die Familie Grüneberg durch die Einheirat in die Familie Liebreich in Dellwig zuhause. Ihnen gehörte eine Metzgerei an der Hauptstraße 97. Diese wurde 1922 von Sohn Julius und seiner Frau Berta übernommen.
„Gemeinsam mit ihren drei Kindern Harry, Willi und Fritz hatte die Familie sich einen bescheidenen Wohlstand erarbeitet und war integriert in der Dellwiger Dorfgemeinschaft“, schreibt Klaus Böning im neuen Kalender.

Nach der Machtübernahme der Nationsozialisten wurde das Geschäft zunehmend boykottiert und die Familie musste die Metzgerei 1933 an Wilhelm Voss verpachten.
Im Zuge der „Arisierung“ jüdischen Eigentums musste Familie Grüneberg ihre Metzgerei 1938 schließlich an Voss verkaufen. „Die Kreisleitung ‚Hellweg‘ erachtete einen Kaufpreis von 15.000 Mark als ausreichend“, fand Klaus Böning während seiner Recherche heraus. Die Familie konnte anschließend noch rechtzeitig in die USA auswandern und überlebte den Holocaust.
Antrag auf Rückgabe der Metzgerei scheiterte
Grünebergs stellten einige Jahre später einen Wiedergutmachungsantrag, der auf einer Gemeinderatssitzung am 3. Juni 1955 diskutiert wurde. Das Ergebnis war die Weitergabe des Antrags an das Finanzamt. Letztlich scheiterte der Antrag des Ehepaar Grünebergs auf Rückgabe ihrer Metzgerei.
„Zuletzt war die Familie 1993 in Fröndenberg“, sagt Andreas Hennemann, der als Ortsheimatspfleger Dellwig kürzlich noch mit der Familie, die heute in Pittsburgh lebt, Kontakt hatte.

Klaus Böning ist es wichtig, Schicksale wie dieses im neuen Kalender zu erzählen. „Wir haben eine Verantwortung dafür, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, so Böning. Deshalb müsse man an Schicksale wie diese erinnern.
Neben der Geschichte der Familie Grüneberg sind im Kalender des Freibads Dellwig für 2024 noch viele weitere spannende Geschichten aus den westlichen Stadtteilen zu finden. So geht es beispielsweise um den Salzhafen in Langschede oder die Geiselnahme des Strickherdicker Landwirts Heinrich Bornemann.
- Seit 2011 wird der Kalender jedes Jahr zugunsten des Freibads Dellwig veröffentlicht.
- Hauptverantwortlich dafür ist Hans Peter Reeske in Zusammenarbeit mit den Ortsheimatspflegern.
- Erhältlich ist der Kalender für 10 Euro in den Bäckereien Schmidt (in Ardey und Dellwig), in der Hubertus-Apotheke Langschede sowie bei Hans-Peter Reeske.
- Außerdem wird der Kalender beim Adventszauber am 2. Dezember im Freibad verkauft, der Erlös kommt dem Kinderbereich des Freibads zugute.
Diethild Fischer-Lehnemann, Ortsheimatpflegerin in Langschede, ist in ihrem privaten Fotoalbum aus Kindheitstagen für den Kalender fündig geworden. „Da haben meine Eltern ein Foto der vereisten Fischtreppe am Wehr in Langschede reingeklebt, wahrscheinlich aus dem Jahr 1956“, erzählt Fischer-Lehnemann. Auch dieses Bild ist im Kalender zu finden.
Hans Peter Reeske ist bereits seit 2011 Hauptverantwortlicher des Kalenders. Schon ein Jahr im Voraus beginnt er mit der Recherche. „Ich möchte die Erinnerungen wachhalten und auch jungen Menschen zeigen, welche spannenden Geschichten es hier im Westen zu erzählen gibt.“
