In der Nacht, bevor CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor 800 Anhängern triumphal in die Halle der Schützen in Menden-Hüingsen einzog, hatten Unbekannte zahlreiche Parolen an die Wände des Gebäudes geschmiert. Es wurde Stimmung gemacht gegen den Sauerländer – und es war vielleicht nicht anders zu erwarten gewesen.
„Paul Ziemiak vermutet linke Krawallmacher“, sagte der Ehrengast und schob hinterher: „Wenn diese Tatkraft, die zweifellos vorhanden ist, ehrenamtlich zur Unterstützung unserer Gesellschaft eingesetzt würde, wäre dies eine große Hilfe, aber so ist es einfach nur eine immense Schmiererei, die einen ehrenamtlich geführten Schützenverein trifft und außerdem Sachbeschädigung.“


Die CDU Menden veranstaltet jährlich ihren Neujahresempfang, hatte in der Vergangenheit nur aufgrund von Corona pausiert. Prominente Gäste wie Jens Spahn und Philipp Amthor waren bereits an die Hönne gereist, um ihre Sicht der Dinge auf die Bundespolitik vorzustellen. Im nur kurzen Wahlkampf 2025 kamen die zurzeit in Südwestfalen bekanntesten Unions-Politiker in die Hönneregion: Kanzlerkandidat Friedrich Merz und der Iserlohner Paul Ziemiak.
So mussten die heimischen Christdemokraten aber auch Abstriche beim Ablauf ihrer diesjährigen Veranstaltung machen. Matthias Eggers, CDU-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, verkündete gleich zu Beginn, dass es diesmal nicht die gewohnte Ehrenamtsehrung geben würde, die „zwischen den Reden dieser hochgestellten politischen Persönlichkeiten nicht den gebührenden Stellenwert bekommen kann“, so Eggers: „Heute steht der Wahlkampf im Mittelpunkt.“
Er versprach unter dem Beifall der rund 800 angemeldeten Gäste – zum großen Teil mit einem Shuttleservice zum Veranstaltungsort gebracht – dass diese Tradition im kommenden Jahr auf alle Fälle nachgeholt werde.
Paul Ziemiak bereitet die Anwesenden auf Merz vor
Paul Ziemiak zeigte sich anschließend schon komplett eingestellt auf die kommenden vier Wochen: „Matthias Eggers und ich dürfen uns schon seit langen Jahren für die Menschen in dieser Region einsetzen, das erfüllt uns mit Zufriedenheit.“
Die anstehende Wahl im Februar sei eine „Richtungswahl“. „Die Menschen wissen, dass wir nicht am ersten Tag alle Probleme lösen können. Aber sie wollen wieder Sicherheit, egal, ob beim Besuch auf dem Weihnachtsmarkt oder beim Arbeitsplatz“, so Ziemiak.
So sprach der Iserlohner wie zu erwarten das Thema Migration an: „Es geht doch nicht, dass an unseren Grenzen gesagt wird, ich habe keine Papiere, ich weiß nicht, woher ich komme und dass dann demjenigen der Weg in unser Land geebnet wird, da muss sich etwas ändern.“ Die CDU werde alles dafür tun, „damit morgen alles besser ist als gestern“, versprach er dem CDU-treuen Publikum, bevor der Saal tobte und der Hauptgast eintraf – seinen Einzug genießend und viele Hände schüttelnd.

Merz sprach eine Stunde
Schließlich übernahm Merz das Mikro, redete ohne Manuskript eine Stunde. Immer wieder sei von einer Schicksalswahl 2025 die Rede – Merz: „Die gab es schon oft. Aber sind wir ehrlich, 1990 war eine historische Wahl, 1998 gab es einen Regierungswechsel, 2021 wieder, aber nicht, weil die anderen so gut waren, nein, wir waren einfach nicht gut genug, so funktioniert Demokratie.“
Die Wahl jetzt werde erst in fünf oder zehn Jahren zeigen, ob Deutschland weiter in der Welt mithalten könne oder ob dieses Land nur ein Spielball in den Händen der zunehmend totalitären Weltmächte sein werde. „Eine der wichtigsten Aufgaben ist, wenn ich Kanzler werden sollte, wovon ich ausgehe, dass dieses Land auch in Zukunft frei, demokratisch und liberal ist“, versprach der Kanzlerkandidat.
Merz ging auf die überbordende Bürokratie ein, auf die Wirtschaft, auf das Bürgergeld („Wer arbeiten kann, soll arbeiten, wer nicht will, muss auch nicht, wird dann aber auch nicht von der Gemeinschaft bezahlt: Arbeit ist nun mal keine unangenehme Unterbrechung der Freizeit.“) und darauf, dass das Land seinen Wohlstand mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance allein nicht wird halten können.
Für Sport und Ehrenamt wolle er einen Staatssekretär einsetzen, denn „ohne Ehrenamt und Sport funktioniert unser Land nicht“.

Demonstranten blieben friedlich
Das Thema Steuern sprach er an: „Eine Steuererklärung auf dem Bierdeckel gibt es nicht mehr, wir haben etwas Besseres, eine Erklärung mittels einer App auf dem Handy.“ Die Rente mit 67 bleibt, so Merz. Wer länger arbeiten will, werde durch Entlastung belohnt, das sei sauber durchgerechnet, eine Win-win-Situation.
Immer wieder wurde die Rede durch lauten Applaus unterbrochen, der Kanzlerkandidat traf den Nerv der anwesenden Christdemokraten. Ganz speziell betonte der Sauerländer, dass er trotz eventuell missverständlicher Aussagen niemals die Brandmauer zur AfD einreißen würde.
Während Friedrich Merz in der Schützenhalle das Mikrofon in der Hand hielt, packten die Jusos und die „Grüne Jugend“ aus dem Märkischen Kreis eine Straße weiter bereits wieder ihre Fahnen, Plakate und Lautsprecher ein. Rund 30 Nachwuchspolitiker waren zusammengekommen, wie im Vorfeld angekündigt, hatten sie lautstark gegen die Vorhaben des Kanzlerkandidaten protestiert – absolut friedlich, wie die Beamten des BKA und der Polizei bestätigten.
Auf vier private Protestler, die ebenfalls ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollten, wurden die Sicherheitskräfte dann doch aufmerksam. Sie konnten keine Demonstrationserlaubnis vorweisen und mussten sich außer Sichtweite der Schützenhalle begeben.
