Ausufernde Bürokratie ist nicht nur in Fröndenberg ein Thema „Die Unternehmen sind es leid“

Ausufernde Bürokratie: „Die Unternehmen sind es leid“
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Große und kleine Unternehmen sind von der zunehmenden Bürokratie betroffen, auch in Fröndenberg: Vom Geschäftsführer bei Obo Bettermann in Menden bis zu Bäcker Jens Klein in Fröndenberg muss niemand lange überlegen, wie störend und kostenintensiv sich die immer weiter ausufernde Bürokratie auswirkt. Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund, gibt eine Einschätzung von außen.

Der Kammerbezirk umfasst (Stand 31.12.2023) insgesamt 20.498 Mitgliedsbetriebe und sein Präsident kennt die Bürokratie aus eigener Erfahrung: Der Zimmermeister und Gebäudeenergieberater führt mit seinem Sohn in vierter Generation ein Schreinerei- und Holzbau-Unternehmen in Hamm/Westfalen.

Herr Schröder, wie nehmen Sie die Situation bei Ihren Mitgliedsbetrieben wahr?

Schröder: „Die Unzufriedenheit ist bundesweit messbar hoch. Die Unternehmer sind die Bürokratie schlichtweg leid. Das Institut für Mittelstandsforschung hat dazu auch seit langem immer wieder aussagekräftige Erhebungen gemacht. Inzwischen haben viele Unternehmer allerdings wieder Hoffnung, da die kommende Bundesregierung die Bürokratie als Problem erkannt und einen Abbau um 25 Prozent versprochen hat. Da lassen wir uns gerne positiv überraschen.“

Aktenstapel auf einem Schreibtisch.
Manches Handwerker-Büro sieht inzwischen aus wie eine Amtsstube. © Patrick Pleul/dpa

Haben Sie konkrete Beispiele, vielleicht aus Ihrem Unternehmen?

„Ein ganz klassisches Beispiel ist das ‚Beauftragten-Unwesen‘. Da schießen immer mehr Bereiche wie Pilze aus dem Boden. So müssen wir im Betrieb einen Leiter-Beauftragten haben, dessen Haupttätigkeit nicht nur in der Kontrolle der Leitern, sondern vor allem in der Dokumentation liegt. Wenn diesbezüglich bei uns eine Prüfung stattfindet, ist es egal, wie die Leitern vor Ort aussehen. Die Prüfer schauen nach der Vollständigkeit der Dokumentationen. Dabei haben wir das größte Interesse an der Sicherheit unserer Mitarbeiter, aber das wird uns Unternehmern scheinbar nicht mehr zugetraut. Da fehlt es an Vertrauen.

Das Prinzip setzt sich überall fort, sei es beim Abfall-, Sicherheits- oder dem Gefahrgutbeauftragten.

Ein weiteres Ärgernis ist die Doppelbelastung durch viele Stellen: Monat für Monat melden wir unsere Umsatzsteuer beim Finanzamt. Vom statistischen Landesamt IT NRW werden aber trotzdem immer noch die Erlöse abgefragt. Da könnte die Digitalisierung eine Lösung sein: Man sollte doch meinen, die Behörden wissen untereinander, wer die Daten noch braucht. Dann kann man nach dem Once-only-Prinzip doch eine Stelle festschreiben, der wir Daten melden müssen und diese leitet es dann an andere Ämter und Behörden weiter.“

Tischlermeister Matthias Ernst
Zu arbeiten und nicht nur zu verwalten, ist der Wunsch vieler Handwerker. © Udo Hennes

Gibt es noch andere Probleme?

„Ja, selbstverständlich. Zum Beispiel die Verständlichkeit und Umsetzbarkeit: Wenn ein Mensch erstmals die Datenschutzgrundverordnung liest, weiß er kaum, was man von ihm will und wie er es umsetzen soll. Viele Texte werden wirklich für Juristen geschrieben und nicht für eine ordentliche Umsetzung in der Praxis. Dann gibt es noch Anforderungen, die für kleine Unternehmen gar nicht mehr umsetzbar sind.

Scherzhaft sagen wir immer: Wenn der Schreiner für das einzelne Regal, das er fertigt und verkauft, dieselben Auflagen erfüllen muss, wie die Firma Ikea für das Billy-Regal, dann kann er es auch gleich lassen. Industriebetriebe haben da ganz andere Möglichkeiten als der einzelne Handwerksbetrieb. Wie sollen wir denn, bei wechselnden Tätigkeiten und Baustellen, ermitteln, wie viel CO₂ mein Betrieb emittiert?“

Gibt es bei den Gesetzen und Verordnungen Lösungsansätze aus dem Handwerk?

„Die gibt es. So gibt es eine ‚Clearing-Stelle‘ beim Mittelstandsbeirat. Dort werden Gesetze auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Dabei sind wir aber darauf angewiesen, dass die Ministerien auf uns zukommen. Das geschieht zu selten. Wir wollen ja gar keine Gesetze erlassen, sondern helfen, dass eigentliche Ziel so praxisnah wie möglich umzusetzen. Nach unserer Meinung macht auch der Nationale Normenkontrollrat eine sehr gute Arbeit, findet aber zu wenig Beachtung.

Statt die Bürokratie zielführend zu vereinfachen, nimmt sie überall zu. Das bezieht sich nicht nur auf die Gesetzgeber: Inzwischen werden viele Betriebe von ihren Banken zur Nachhaltigkeitsberichterstattung angehalten. Noch findet das auf freiwilliger Basis statt. Aber viele fragen sich schon, wann das zur Pflicht wird. Die Sorge ist begründet: Neben weltweit tätigen Großunternehmen stehen mittlerweile viele mittelständische Zulieferer in der Pflicht, diese Berichte zu erstellen. Die Großen zwingen dann die Kleinen.“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

„Zum einen mehr Vertrauen, zum anderen eine zielführende Zusammenarbeit von Anfang an. Wir haben ja eine ganze Menge Probleme genannt und die Verbände haben auch die Kompetenz zu helfen. Dokumentations- und Informationspflichten, Paragrafen-Wirrwarr und eine sich ständig ändernde Gesetzgebung: Das Handwerk ächzt unter den Belastungen, die durch bürokratische Vorgaben entstehen.

Besonders die kleinen und mittleren Betriebe, in denen jede Hand gebraucht wird, werden durch Bürokratie stark ausgebremst. Das muss zukünftig der Vergangenheit angehören.“