Es ist ein Gebäude, wie es geradezu klassisch für Zwangsversteigerungen ist: Vier Wohnungen befinden sich in dem Mehrfamilienhaus im Dortmunder Westen, eine im Erdgeschoss, je eine in der ersten und zweiten Etage und eine Dachgeschosswohnung. Sie alle kommen Anfang April im Dortmunder Amtsgericht unter den Hammer und das für einen Preis, der erst mal wie ein Schnäppchen anmutet. Hier wäre letztlich ein ganzes Haus zu haben für einen Betrag, zu dem man woanders nicht mal eine einzelne Eigentumswohnung bekommt.
Aber beim Blick in die Wertgutachten, die zu jeder Zwangsversteigerung erstellt werden, zeigt sich schnell: Der niedrige Preis hat seine Gründe. Interessenten müssen ordentlich in die Tasche greifen, wenn sie aus den Wohnungen attraktive und zeitgemäße Mietobjekte machen wollen. Eine der Wohnungen ist zurzeit kaum bewohnbar.

Zunächst: Das Mehrfamilienhaus liegt verkehrsgünstig, ohne dass es allzu rummelig sein dürfte. In der Flaspoete in Lütgendortmund gilt Tempo 30, auf dem um die Ecke liegende Lütgendortmunder Hellweg allerdings sind 50 km/h erlaubt. Die Straße ist viel befahren, dafür sind es mit dem Auto nur wenige Minuten bis zur nächsten A40-Auffahrt.
Zum Einkaufen bräuchte man nicht einmal einen Wagen: Zu Fuß ist man in knapp zehn Minuten locker im Ortskern Lütgendortmunds. Mehrere Schulen sowie Kitas liegen auch im näheren Umkreis.
Das Haus Nummer 52 ist schon älter: Gebaut wurde es 1904, es ist voll unterkellert, weitere Mehrfamilienhäuser schließen direkt an. Optisches Schmankerl ist ein Erker, der sich vom ersten Obergeschoss bis hinauf zum Dach erstreckt.

Die vier Wohnungen, die den Besitzer wechseln sollen, sind unterschiedlich groß. Die größte mit 89 Quadratmeter liegt im ersten Obergeschoss, die zweitgrößte kommt auf 87 Quadratmeter und befindet sich eine Etage darüber. Die Erdgeschosswohnung hat 63 Quadratmeter, die Wohnung unter dem Dach ist mit 57 Quadratmeter noch etwas kleiner.
Laut den vier Wertermittlungsgutachten kann jede Wohnung einzeln ersteigert, das Objekt könnte aber „auch ganzheitlich veräußert werden“, so die Gutachter, die auch ins Innere der Wohnungen schauen konnten.
Kein Energieausweis
Innen- wie Außenansicht lassen sie zu einem klaren Schluss kommen: Wer hier investiert, hat noch was vor sich. „Das Mehrfamilienhaus weist einen starken Reparatur- und Renovierungsbedarf auf“, heißt es. Alle vier Wohnungen seien in einem gerade „ausreichenden“ Zustand, auch hier bestehe „Renovierungsbedarf“.
Energetisch scheint in dem 101 Jahre alten Haus auch einiges aufzuholen zu sein: Es sei „nicht wesentlich modernisiert“ worden. Es gibt eine Gasetagenheizung, für warmes Wasser sorgt ein Elektrodurchlauferhitzer. Einen Energieausweis für das Haus konnten die Gutachter nicht einsehen.
Die Gutachten listen im Gemeinschaftseigentum wie in den einzelnen Wohnungen eine ganze Reihe an Mängeln und Schäden auf. So sind zum Beispiel im Keller Decken-Stahlträger „stark angerostet“, die Wände im Treppenhaus in Teilen „stark sanierungsbedürftig“, die Außenwand zur Hofseite ist zudem feucht, das betrifft auch angrenzende Wände in den einzelnen Etagen.
Auch in den Wohnungen selbst sind die Gutachter immer wieder auf Feuchtigkeitsschäden gestoßen, in allen vier Badezimmern auch auf mal mehr, mal weniger ausgeprägten Schimmelbefall. Auffällig: Neben diversen anderen Schäden scheinen die Wohnungstüren und die Haustür nicht fachgerecht verbaut zu sein.

Trotz des Renovierungsstaus sind alle Wohnungen derzeit vermietet, die Dachgeschosswohnung gemeinschaftlich mit der darunterliegenden. Allerdings werde sie kaum genutzt, heißt es in den Gutachten. Der Grund ist wohl offensichtlich: Da der Gaszähler der Wohnung ausgebaut worden ist, können die 57 Quadratmeter nicht beheizt werden.
Und das ist nicht das einzige Problem, das zukünftige Eigentümer lösen müssten: Laut dem Gutachten ist der Ausbau des Dachgeschosses zu einer Wohnung gar nicht genehmigt worden. Um sie baurechtlich zu legalisieren, wäre ein „vollständiges Genehmigungsverfahren“ nötig, in diesem müsste zum Beispiel die Standsicherheit nachgewiesen werden.
Recht niedrige Mieten
Das Haus weist noch eine weitere seltene rechtliche Besonderheit auf: Das Grundstück hat keine eigene Verbindung zu einem öffentlichen Weg und ist daher über ein Fremdgrundstück erschlossen („Notwegrecht“). Und das schon seit Jahrzehnten. Neue Eigentümer müssten sich wohl auch hierum kümmern, denn eigentlich soll die Erschließung eines Grundstücks über Notwege laut Gesetz kein dauerhafter Zustand sein.
Die zu erwartbare Netto-Kaltmiete, die die Gutachter für die Wohnungen ansetzen, ist für den freien Wohnungsmarkt recht niedrig. Sie liegt bei knapp 6 Euro pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Für die neuen Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern entlang der Provinzialstraße sind auch „nur“ 6,40 bis 7,20 pro Quadratmeter zu zahlen, hier handelt es sich aber um sozial geförderten Wohnungsbau.

Insgesamt kommen die Gutachter auf folgende Verkehrswerte: 67.500 Euro für die Erdgeschosswohnung, 99.000 Euro für die darüber liegende Wohnung, 97.000 Euro für die Wohnung in der zweiten Etage und 40.500 Euro für die Dachgeschossräume. Für alle vier Wohnungen gemeinsam wird ein Verkehrswert von 298.000 Euro angesetzt, er liegt etwas niedriger als die Summe der Einzelwerte.
Und es kann noch günstiger werden: Bei einer Zwangsversteigerung muss der Verkehrswert nicht zwingend erreicht werden. Liegt das Gebot bei mindestens 50 Prozent, könnte der Deal unter bestimmten Voraussetzungen schon klappen. Das wären bei diesem Haus 149.000 Euro. Versteigert werden die Wohnungen am Dienstag, 8.4., um 10.30 Uhr im Sitzungssaal 3.301 des Dortmunder Amtsgerichts.