Weil Mutter ins Pflegeheim muss Jürgen Pickhardt steht plötzlich vor finanziellem Notstand

Mutter muss ins Pflegeheim: Jürgen Pickhardt steht plötzlich vor finanziellem Notstand
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70 Jahre lang hat die 93-jährige Helga Pickhardt in ihrer Wohnung in der Alten Kolonie Eving gewohnt. Um genau zu sein, in der Körner Straße 3. Aber dann ging es nicht mehr. Am 2. Januar war sie gestürzt. Zum Glück brach sich Helga Pickhardt nichts, aber sie schürfte sich den Arm auf. Sie zog sich Prellungen und dicke blaue Flecken zu.

Seine Mutter sei kein Mensch, der klagt, sagt ihr Sohn Jürgen Pickhardt. „Aber die Verantwortung wollte ich nicht mehr übernehmen.“ Der 66-Jährige ist selbst an Lungenkrebs erkrankt. Seit acht Jahren ist er in Behandlung. Der rechte Lungenflügel sei entfernt worden, erzählt er.

Belastung und Kosten zu hoch

Bislang hatte er sich trotz eines schwerbehinderten Ausweises mit dem Grad von 100 Prozent noch um seine Mutter gekümmert. Aber auch das ging nur noch eingeschränkt. Nach dem Sturz beschloss er, seine Mutter in einem Pflegeheim unterzubringen. Auch Jürgen Pickhardt kann nicht mehr.

Schon am 4. Januar fand er einen Platz im Seniorenzentrum Brechtener Heide. Die Wohnung kündigt er kurz danach bei Vonovia – zum 31. Januar. Am 15. Januar bekommt er einen Brief mit einer Bestätigung des Endes des Mietverhältnisses zum 31. März. Als er bei Vonovia anruft, seine Lage schildert und betont, dass er schnellstmöglich aus dem Mietverhältnis heraus will, wird er zunächst vertröstet: Es werde sich jemand darum kümmern, aber er brauche etwas Geduld.

Helga Pickhardt hat 70 Jahre lang in ihrer Wohnung in der Körner Straße 3 gelebt. Nach einem Sturz wohnt sie nun in einem Pflegeheim.
Helga Pickhardt hat 70 Jahre lang in ihrer Wohnung in der Körner Straße 3 gelebt. Nach einem Sturz wohnt sie nun in einem Pflegeheim. © privat

Zunächst ist es niederschmetternd für Jürgen Pickhardt. Er hatte auf ein Entgegenkommen des Wohnungsunternehmens gehofft. Jeder Monat, in dem er nicht noch die Miete aufbringen muss, zählt für den 66-Jährigen. Die Kosten für das Seniorenheim fressen die kleine Rente der Mutter auf. „Es ist ein absoluter Notstand“, sagt er. Das Sozialamt steuere zwar etwas bei, aber die Belastung sei zu hoch. 645 Euro habe die Mutter zuletzt aufbringen müssen. Drei Monate lang kann das Jürgen Pickhardt das nicht zusätzlich zahlen.

Erfreuliche Nachrichten

Aber das muss er nun auch nicht. Denn auf Anfrage dieser Redaktion bei Vonovia gibt es eine erfreuliche Nachricht für den Rentner: Er kann die Wohnung für seine Mutter deutlich vor dem 31. März kündigen.

Eine Verkürzung der Kündigungsfrist sei bei Frau Pickhardt gar nicht notwendig, teilt Vonovia-Sprecherin Bettina Benner mit. Gemäß dem Mietvertrag könnten „beide Vertragsteile das Vertragsverhältnis bis zum 15. eines jeden Monats zum Monatsschluss schriftlich kündigen“. Man habe dem Sohn der Mieterin das Kündigungsdatum, den 31.01.2023 schriftlich bestätigt.

Der Vertrag seiner Mutter war 70 Jahre alt, da sei nicht alles noch so leicht nachzuvollziehen gewesen, sagt Jürgen Pickhardt. Am Freitag hält er den Brief von Vonovia in der Hand. Am Montag muss er noch einmal in die Wohnung seiner Mutter – dann zur Übergabe.

Herz-OP steht bevor

„Ich bin erleichtert und froh, dass ich meiner Mutter dann sagen kann, dass alles erledigt ist. Sie hat einen Weltkrieg miterlebt und Kinder großgezogen. Sie hat genug mitgemacht. Ich versuche ihr, alles vom Fell zu halten“, sagt der 66-Jährige.

Auch er habe sehr anstrengende Tage hinter sich. Trotz seines Gesundheitszustandes hat er die Wohnung mit Freunden in wenigen Tagen leergeräumt, sodass sie schnell weiter vermietbar wäre oder für eine Renovierung bereitstehe. Dazu noch die Organisation für die Mutter. Anfang Februar wird der 66-Jährige auch noch am Herzen operiert. „Ich brauchte eine schnelle Entscheidung“, sagt Jürgen Pickhardt.

Jürgen Pickhardt steht in der Wohnung, in der seine Mutter 70 Jahre lang gewohnt hat. Mit Freunden hat er sie ausgeräumt, damit sie schnell weitervermietet werden kann.
Jürgen Pickhardt steht in der Wohnung, in der seine Mutter 70 Jahre lang gewohnt hat. Mit Freunden hat er sie ausgeräumt, damit sie schnell weitervermietet werden kann. © Oliver Schaper

„Vorzeitige Entlassungen sowie Fristverkürzungen finden regelmäßig statt“, sagt Vonovia-Sprecherin Bettina Brenner. „Vergleichbare Anfragen erreichen uns immer wieder und werden im Einzelfall von uns geprüft.“ Dabei handle es sich immer um Einzelfallentscheidungen, bei denen die jeweiligen Umstände der Mieter Berücksichtigung finden würden, teilt Brenner mit.

Seltene Ausnahmen

Ausnahmen von der Kündigungsfrist gibt es laut Markus Roeser eigentlich nur selten. Er ist wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund und Umgebung. Etwa wenn Schimmel eine Wohnung unbewohnbar mache, dürfe die Mieterin oder der Mieter vor dem eigentlich Vertragsende kündigen.

„Es gibt einzelne Gerichte, die auch in Härtefällen mal im Sinne der Mieter entschieden, aber normalerweise gelten die üblichen Kündigungsfristen“, sagt Roeser. Da seien die Mieter dann auf das Entgegenkommen der Vermieter angewiesen. „Es wäre natürlich wünschenswert, wenn gerade große Wohnungsunternehmen ihren Mietern in Härtefällen häufiger entgegenkommen würden“, findet Roeser.

Jürgen Pickhardt jedenfalls ist froh, dass jetzt alles so schnell geregelt wurde und er eine Sorge weniger hat.

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