DEW-Skandaltochter stadtenergie „Die größte Krise der Unternehmensgeschichte“

stadtenergie-Skandal beschert DSW21 „größte Krise seiner Geschichte“
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Jörg Jacoby, Vorstandsvorsitzender des Stadtwerke-Konzerns DSW21, probte den Spagat: Auf der einen Seite sei 2024 „ein extrem gutes Geschäftsjahr“ gewesen. Mit einem Plus von 192,7 Millionen Euro (nach Steuern) habe DSW21 „das beste Ergebnis seiner Unternehmensgeschichte“ erzielt. Gleichzeitig habe DSW21 aber auch „die größte Krise seiner Unternehmensgeschichte“ durchlebt, so Jacoby.

Die Machenschaften der DEW-Tochter stadtenergie haben sowohl bei DEW als auch beim Hauptgesellschafter einen Millionenschaden verursacht.
Die Machenschaften der DEW-Tochter stadtenergie haben sowohl bei DEW als auch beim Hauptgesellschafter einen Millionenschaden verursacht. © RN

Auslöser waren die beiden Affären beim Energieversorger DEW, der zum Konzernverbund von DSW21 gehört. Die Machenschaften der DEW-Tochter stadtenergie, die zehntausende Kunden abgezockt haben soll, verursachten einen horrenden Schaden von 93 Millionen Euro. DEW musste für die Verluste geradestehen. Und mehr oder weniger zusehen, wie sich die Gewinne der Geschäftsjahre 2023 und 2024 nahezu pulverisierten. Folge: DEW konnte seinem Hauptgesellschafter DSW21 keine Rendite mehr durchreichen. Dabei hatte DSW21 allein 2023 mit rund 30 Millionen Euro gerechnet – tatsächlich floss nichts.

Wie hoch ist der Schaden?

Im Gegenteil: DSW21 musste sogar gut 10 Millionen Euro an den weiteren DEW-Gesellschafter Westenergie überweisen – was eigentlich DEW-Sache gewesen wäre. Für 2024 muss sich DSW21 mit gerade 500.000 Euro von DEW begnügen, eingeplant waren 32 Millionen Euro. Zumindest die Garantiesumme an Westenergie kann DEW 2024 wieder vom eigenen Konto überweisen. Das war's dann aber auch. „Das Thema schmerzt", sagte Jacoby bei der Vorstellung des DSW21-Geschäftsergebnisses 2024.

„Die Krisen sind nicht schönzureden", räumte Jacoby ein. Die Kunden von DEW aber hätten den Schaden „nicht ausbaden müssen“. Im Ergebnis des Stadtkonzerns schlägt er sich aber deutlich nieder: Durch den Verzicht auf die DEW-Rendite summiert sich der Schaden bei DSW21 auf 78 Millionen Euro. Jacoby geht davon aus, „dass alle durch stadtenergie verursachten Risiken nun verarbeitet sind“ und DEW künftig wieder steigende Gewinne erzielen werde.

Eine weitere Affäre dreht sich um den Energieeinkauf im Krisenjahr 2022. Gutachter hatten festgestellt, dass sich DEW in Erwartung einer Mangellage zu hohen Preisen für drei Jahre mit Energie eingedeckt hatte. Da die Preise aber längst wieder gesunken sind, kann DEW die Kontingente nicht mehr zu den damaligen Einkaufspreisen an die Kunden weitergeben. Auch das belastet den Versorger. Wirtschaftsprüfer waren zu dem Ergebnis gekommen, der Schaden könne sich schlimmstenfalls „auf 100 Millionen Euro“ belaufen. Ob die Annahme weiter Bestand hat, mochte Stadtwerkechef Jacoby noch nicht sagen. Die aktuelle Zahl werde „aber zeitnah" vorgelegt.

Tiefer in die roten Zahlen

Sie könnte am 26. Mai 2025 bei der Verhandlung vor dem Dortmunder Landgericht eine wichtige Rolle spielen: Jacobys Vorgängerin Heike Heim war im Zuge der Beschaffungs-Affäre Mitte 2024 vom DSW21-Aufsichtsrat der Stuhl vor die Tür gesetzt worden. Dagegen hat die frühere Vorstandvorsitzende von DSW21 Klage eingereicht.

Busse und Bahnen fahren immer tiefer in die roten Zahlen. Schon 2025 droht ein Minus in dreistelliger Millionenhöhe.
Busse und Bahnen fahren immer tiefer in die roten Zahlen. Schon 2025 droht ein Minus in dreistelliger Millionenhöhe. © RN

Während die anderen Töchter und Beteiligungen wie etwa Dogewo, Dokom, Gelsenwasser und das RWE-Aktienpaket Gewinne bzw. Rendite abwerfen, fahren Busse und Bahnen immer tiefer ins Minus: Betrug das Defizit 2023 minus 81,3 Millionen Euro, ist es 2024 auf minus 90,1 Millionen Euro gestiegen. Fürs laufende Jahr prognostiziert DSW21 den Fehlbedarf sogar auf mehr als 100 Millionen Euro. Zum Vergleich: Noch 2019 war das Minus mit 51,3 Millionen Euro halb so hoch.

Am Vorhaben, das ÖPNV-Angebot weiter auszubauen, soll sich aber nichts ändern. Die neue Ringbuslinie 400 durch die Innenstadtquartiere verzögert sich zwar, soll aber 2025 starten. Zugleich sollen im Rahmen des Projekts „CityTaktPlus“ die Fahrzeiten auf besonders stark gefragten Stadtbahnlinien wie geplant verdichtet werden.

Ein immenser Schaden durch stadtenergie, steigende Verluste im ÖPNV: Dennoch weist der Stadtkonzern im Gesamtergebnis ein Plus von 192,7 Millionen Euro aus. Zu verdanken hat DSW21 das letztlich jenen Millionen Euro, die aus dem Verkauf der Anteile am Essener Stromversorger Steag fließen: Gut 660 Millionen Euro sollen in der Stadtwerke-Kasse landen. 574 Millionen seien bereits da, sagt Jacoby. 2025 wird mit weiteren Eingängen gerechnet.

Steag rettet das Ergebnis

Kurios ist, dass der Kohleverstromer Steag noch 2020 als schwerer Sanierungsfall galt, den die kommunalen Anteilseigner unbedingt loswerden wollten. Erst die Energiekrise 2022 mit Rekordpreisen bei Strom und Gas verschaffte dem Kraftwerksbetreiber einen unverhofften Gewinnsprung. Steag war zu einem Krisenprofiteur geworden, dessen Verkauf den sechs kommunalen Eigentümern millionenschwere Einnahmen bescherte. Allen voran DSW21.

Nicht nur, dass der Geldsegen dem Haushalt der Stadt Dortmund zugutekommt. DSW21 hat das Geld ebenso genutzt, die ausgebliebenen Millionen von DEW zu kompensieren, die eigene Verschuldung um 100 Millionen Euro zu reduzieren und die Eigenkapitalquote auf stattliche 50 Prozent zu heben.

Neben dem Kauf neuer Fahrzeuge und der Modernisierung von Stadtbahn- und Straßenbahnanlagen hat der Stadtkonzern DSW21 in seiner Gesamtheit weitere große Investitionen vor der Brust: Während DEW beispielweise in die Erweiterung des Fernwärmenetzes investiert, soll Dokom den Glasfaserausbau vorantreiben. Die Stadtwerke selbst bereiten den Umzug ihres Hauptquartiers von der Deggingstraße auf den früheren Betriebshof an der Kreuzung Ophoff vor – auch dort soll gebaut werden. DSW21-Chef Jacoby spricht von „Investitionen von einer Milliarde Euro innerhalb der nächsten fünf Jahre.“