Dortmund fährt riesige Verluste ein Stadt hält den Haushalt nur noch mit einem Trick über Wasser

Die Stadt hält den Haushalt nur mit einem Buchungstrick über Wasser
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Es war ein Kraftakt: Nach einem fast zweistündigen Redemarathon hat der Rat der Stadt am Donnerstag (12.12.) den Doppelhaushalt für die Jahre 2025/2026 verabschiedet. Für die Bürger stecken im Zahlenpaket gute und schlechte Nachrichten. Die guten: Tiefe Einschnitte im Leistungsangebot der Stadt gibt es in den beiden Jahren nicht.

Weder Schwimmbäder noch Bibliotheken werden aus Spargründen geschlossen. Erhalten bleiben neben vielen sozialen Leistungen beispielsweise auch die Fördertöpfe für Hauseigentümer und Mieter, die den Klimafolgen mit begrünten Dächern, "Balkonkraftwerken" und Maßnahmen zum Hochwasserschutz begegnen wollen. Die allgemeinen Müllgebühren sinken im Schnitt um 0,4 Prozent. Die Gewerbesteuer bleibt stabil. Auf Intervention des Rates fällt nun auch der Anstieg des Grundsteuer-Hebesatzes für Hauseigentümer (und Mieter) moderater aus als von OB Westphal vorgeschlagen.

Haushalt rekordverdächtig

Dafür wird's für die Bürger an anderen Stellen teurer: Die Abwassergebühren steigen deutlich um 17,8 Prozent. Ebenfalls angehoben werden die Eintrittspreise für Westfalenpark, Zoo und die städtischen Bäder – teilweise um bis zu 20 Prozent.

Mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2025/2026, gestützt von einer übergroßen Mehrheit aus SPD, Grünen, CDU und Linke+, hat der Rat das Fundament für die weitere Arbeit der Verwaltung gelegt. "Die Partei" enthielt sich, FDP/Bürgerliste und AfD stimmten dagegen.

Dabei ist das Zahlenwerk so umfangreich wie rekordverdächtig: Weist der städtische Etat bereits 2025 ein stattliches Volumen von 3,85 Milliarden Euro auf, soll das Volumen 2026 erstmals sogar die 4-Milliarden-Grenze knacken und auf 4,026 Milliarden Euro steigen.

Im nächsten Schritt schaut nun die Arnsberger Bezirksregierung auf das Zahlenpaket. Dabei hatte es nicht gut ausgesehen, als Kämmerer Jörg Stüdemann den Plan im September 2024 in die politischen Beratungen gab. Die nackten Zahlen waren noch schlechter als die aktuellen – so schlecht, dass sich die Stadt ihren Haushalt von Arnsberg erstmals wieder hätte genehmigen lassen müssen.

Seitdem haben sich die Finanzen jüngsten Berechnungen zufolge etwas verbessert. Das Gewerbesteuer-Aufkommen ist höher als angenommen, während die Stadt gleichzeitig weniger Umlage an den LWL abführen muss. Die Stadt-Spitzen gehen davon aus, dass es für den Zweifach-Haushalt nun doch keiner Genehmigung bedarf. Arnsberg, das ist und bleibt die oberste Maxime, soll nicht in Ausgaben und Einnahmen hineingrätschen und Dortmund finanzielle Fesseln anlegen dürfen.

"Wir bleiben handlungsfähig"

"Dortmund bleibt handlungsfähig", kommentierte SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven in ihrer Haushaltsrede. Dortmund wachse und investiere "so viel wie nie zuvor", betonte sie mit Blick auf Schulen, Kitas und Mobilität. Gleichzeitig kritisierte Neumann-Lieven die Sozialkürzungen der NRW-Landesregierung. Die SPD versuche, mit ihren Anträgen für Bildung, Kinder und Jugendliche die größten Streichungen aufzufangen und zu retten, was zu retten sei, so Neumann-Lieven.

NRW-Ministerspräsident Wüst warf sie "soziale Kälte" vor. Auch das Grundsteuer-Problem sei "verschlafen" worden: Die NRW-Regierung glänze durch "Nichtstun" und habe den Rathäusern die Lösung überlassen. "Motto: Seht doch zu, wie ihr das den Bürgern erklärt", so Neumann-Lieven.

Das alles ändert aber nichts daran, dass die Kluft zwischen den laufenden Einnahmen und Ausgaben immer breiter wird: Allein 2025 zeichnet sich ein gewaltiges Defizit von 336 Mio. Euro ab. 2026 soll der Fehlbetrag auf aktuell 57,9 Mio. Euro sinken – was bereits als Erfolg gilt. Doch schon 2027 schnellt der Fehlbetrag erneut auf ein neues Minus von knapp 200 Millionen Euro hoch. Dabei sind die 500 Millionen aus dem Steag-Verkauf, mit denen die DSW21 der Stadt im sogenannten "Schütt aus - hol zrück"-Verfahren weiterhilft, bereits eingerechnet.

"Haben uns nur Zeit gekauft"

Die 500 Millionen fließen aber nicht bar, sie sind ein Trick aus der Buchhaltung. "Nur dadurch gelingt es uns, die Haushaltssicherung zu vermeiden", betonte CDU-Fraktionschef Jendrik Suck in seiner Rede. Letztlich habe man sich damit nur Zeit gekauft, mahnte Suck. Es sei der "letzte Kunstgriff des Kämmerers, ein Schleier übers Elend der Dortmunder Finanzen." Eindringlich warb Suck für einen "Dortmunder New Deal", der anstelle von bloßen Verteilungsdiskussionen "das Erwirtschaften" in den Mittelpunkt stelle.

Es müsse um diejenigen gehen, "die als Mehrheitsgesellschaft jeden Tag dazu beitragen, dass die Stadt funktioniert", unterstrich Suck. Von der Krankenschwester über die Müllwerker bis zum Polizisten, dem Handwerks- und dem mittelständischen Unternehmer. "Hierfür braucht es einen anderen Kurs", warb Suck dafür, Prioritäten zu setzen und die Verwaltung "durch Weglassen" an anderer Stelle den nötigen Spielraum zur Umsetzung poltischer Beschlüsse zu geben - was zeitnah erfolgen müsse. "Die Bürger würden merken, dass nicht nur geredet, sondern auch gemacht wird".

Dem aufmerksam zuhörenden OB Westphal hielt Suck vor, durch ständige Machtproben mit dem Rat "Kraft und Energie zu verschleißen": etwa beim Drogenkonsumraum mit dem "völlig ungeeigneten Standort an der Küpferstraße". Oder beim Streit um das Amt für Stadterneuerung. "Warum fragen Sie den Umgang mit den Grundsteuer-Hebesätzen bei den Fraktionen ab, um dann eine vollkommen gegensätzliche Vorlage in den Rat einzubringen?", wandte sich Suck direkt an den OB. "Wann sind Sie gemeinsam mit der SPD-Fraktion sprachfähig, um die dringend notwendige Wirtschaftsflächenstrategie auf den Weg zu bringen?"

Die Stadt investiert weiter

Tatsächlich stand bereits Ende 2023 jeder Einwohner rechnerisch mit 4.017 Euro in der Kreide – der Schuldenstand der Stadt liegt laut Kämmerei bei 2,38 Milliarden Euro. Damit rangiert Dortmund weiter im oberen Viertel aller kreisfreien NRW-Städte. Gespart wird kaum: Die Ausgaben der Stadt fürs Personal und für Soziales wachsen weiter – bis Arnsberg eines Tages tatsächlich „Stopp“ sagen könnte.

Trotz aller tiefroten Zahlen will die Stadt weiter investieren. Allein 2025 stehen dafür insgesamt 505 Mio. Euro bereit. Mit dem Geld soll u.a. das Stadtbahnnetz modernisiert, die Straßen in Ordnung gebracht und IGA-Projekte realisiert werden. Auch der Bau von Schulen, Kitas, Sporthallen und Feuerwehrwachen wird daraus finanziert.

2026 packt die Stadt noch eine Schippe drauf und erhöht ihr Investitionsvolumen auf nie gekannte 728 Mio. Euro. Die Botschaft ist klar: Dortmund soll trotz tiefroter Zahlen nicht „kaputt gespart werden“, sondern weiter in die Zukunft investieren. Beispielsweise soll das Klinikum weitere 20 Mio. Euro für Investitionen bekommen.

Grünen-Sprecher Christoph Neumann sang einmal mehr das hohe Lied auf die Projektpartnerschaft mit der CDU im Rat – wohlwissend, dass die Sollbruchstellen dieses "Bündnisses" immer deutlicher werden, je mehr es auf die Kommunalwahl zugeht. "Wir haben gezeigt, dass auch in dieser Stadt Mehrheiten ohne und manchmal auch gegen die SPD möglich sind", so Neumann. Gut sei, dass es im Rat über alle anderen Fraktionen hinweg eine Brandmauer gegen die AfD gebe.

"Keine politische Arbeit"

"Keine politische Arbeit nirgends, kein Antrag mit Inhalten und bei vielen Terminen maximal die Hälfte der Zeit da - das ist die AfD-Fraktion", so Neumann. Den Grünen sei es wichtig, den Fokus auf den Erhalt sozialer Projekte zu legen. Ansonsten "laufen wir Gefahr, dass dieser Teil der Bevölkerung denjenigen in die Hände fällt, die mit populistischen Lösungen vorgeben, an ihrer Seite zu stehen", sagte Neumann - und warb gleichzeitig dafür, das "perspektivisch größte Problem, den Klimaschutz", weiter voranzutreiben.

Utz Kowalewski, Fraktionschef von Linke+, sprach sich mit Blick auf die von seiner Fraktion durchgesetzten Anträge dafür aus, die "wechselnden Mehrheiten im Rat beizubehalten." Er gab aber zu bedenken, dass ein Teil der Haushaltsprobleme auch im Kulturdezernat entstanden sei, sagte Kowalewski unter Anspielung auf die Junge Bühne, die Westfalenhallen-Erweiterung und das Kulturarchiv in Wickede. Dafür seien rund 400 Mio. Euro aufzuwenden. "Ein Denkmal für Kämmerer und Kulturdezernent Stüdemann im Stadtgarten wäre uns billiger gekommen", so Kowalewski.

"Es mangelt an Sparwillen"

AfD-Fraktionschef Heiner Garbe sprach mit Fingerzeig auf die Stadt von einem "krassen Sanierungsfall" - und kritisierte einmal mehr ausführlich die Flüchtlingspolitik mit ihren Kosten. Garbe sprach von einem "multikulturellen Fiebertraum."

Michael Kauch, Fraktionschef FDP/Bürgerliste, kritisierte den aus seiner Sicht mangelnden Sparwilllen. Statt zu sparen, greife man auf alle Rücklagen zurück, die man habe finden können. "Das Aufblähen der Verwaltung nimmt weitere Formen an", sagte Kauch, der sich vor allem über den Personalzuwachs ausließ. Zudem werde viel Geld in "linke Lieblingsprojekte" gesteckt, etwa ins Sozial Ökologische Zentrum an der Gut-Heil-Straße, in dem "Hausbesetzerlieder gesungen" würden. Seine Fraktion werde dem Haushalt nicht zustimmen, so Kauch.

Bissig-sarkastisch gab sich Olaf Schlösser, Fraktionschef "Die Partei". Dortmund sei die Stadt der Nachbarn - aber nur für einen exklusiven Club. Obdachlose und Drogensüchtige gehörten zwar zur sozialen Realität, aber nicht zu den oft beschworenen Nachbarschaften.