Nach Todesfällen: Suche nach Lücken im System für Obdachlose „Vom Leben auf der Straße gezeichnet“

Nach Todesfällen: Suche nach Lücken im System für Obdachlose
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Es war nicht die Kälte, sondern es waren medizinische Gründe, die zum Tod der drei Obdachlosen führten, die in der vergangenen Woche leblos in Dortmund aufgefunden wurden. Diese Erkenntnisse der Polizei gab Sozialamtsleiter Michael Gonas am Dienstag (28.1.) auch im Sozialausschuss des Rates in Dortmund wieder - verbunden mit der Nachricht, dass alle drei Betroffenen „im Dortmunder Hilfesystem bekannt und eingebunden“ waren.

„Wer Hilfe benötigt hat, hat sie auch bekommen“, betonte Gonas. Den Tod der drei Obdachlosen konnte das allerdings nicht verhindern. „Das tut uns allen weh“, gab Linken-Ratsvertreterin Fatma Karacakurtoglu die Stimmungslage im Ausschuss wieder. Man stelle sich die Frage, wie man vor allem die medizinische Hilfe für Obdachlose verbessern könne.

Genau bei diesem Punkt hakte Diakonie-Geschäftsführer Niels Back ein. Die Diakonie gehört zu den Organisationen, die besonders stark in die Obdachlosenhilfe involviert sind und unter anderem im Wichern-Haus in der Nordstadt Wohnungslose beraten und betreuen. „Der Tod der drei Wohnungslosen ist eine Mahnung, genauer zu schauen, wo noch Lücken im Hilfesystem sind“, sagte Back im Ausschuss.

Auch er sieht Verbesserungsbedarf vor allem bei den medizinischen Hilfen. Es gibt zwar Sprechstunden von Medizinern, etwa im Wichern-Haus oder am Gast-Haus in der Rheinischen Straße. „Diese medizinischen Hilfen sind existenziell zum Überleben, denn mehr als die Hälfte der Wohnungslosen ist nicht krankenversichert“, stellte Back fest.

Nötig sei aber auch sprichwörtlich auf die Straße zu gehen, um die Betroffenen zu erreichen. „Die Frage ist, wie kann man Menschen ansprechen, die medizinische Hilfe brauchen“, erklärte Back. Aus seiner Sicht müssten die sogenannten „aufsuchenden medizinischen Hilfen“ ausgebaut werden. „Streetwork bis in die späten Abendstunden“, wünschte sich Back.

Dahinter steckt auch die Erkenntnis, dass der medizinische Allgemeinzustand vieler Obdachloser in der letzten Zeit deutlich schlechter geworden sei, wie Back und auch der Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes Gunther Niermann berichteten. „Viele sind erschöpft und sehr gezeichnet vom Leben auf der Straße“, sagte Back.

Die Allgemeinmedizinerin Dr. Regina Ortmann vom Mobilen Dienst der Stadt Dortmund, der Wohnungslose medizinisch versorgt, bekräftigt, dass „es diesen Leuten sehr schlecht geht“. Ob sich die gesundheitliche Situation in der Wohnungslosenszene allgemein verschlechtert habe, könne sie nicht sagen. Dazu gebe es keine Zahlen.

Gleichwohl stellt die Medizinerin klar, dass die Lage prekär sei. Im Grunde diagnostiziere sie bei allen Patienten chronische Krankheiten, so Dr. Ortmann. Sie nennt Herz- und Lungenerkrankungen sowie Diabetes exemplarisch. Zudem litten viele Wohnungslose unter schlimmen Wunden, die schlecht versorgt seien.

Des Weiteren spielten psychische Erkrankungen eine große Rolle. Diese Probleme seien weit verbreitet in der Wohnungslosen-Szene, sagt die Ärztin. Und sie führten allzu häufig dazu, dass die Patienten ihre medizinische Versorgung vernachlässigten. Die Angebote würden „nicht so verlässlich“ wahrgenommen.

Das Wichern-Haus der Diakonie an der Stollenstraße.
Das Wichern-Haus der Diakonie ist eine wichtige Anlaufstelle für Wohnungslose in Dortmund. © Stephan Schütze (A)

Unabhängig von den aktuellen Todesfällen hat der Sozialausschuss am Dienstag (28.1.) weitergehende Hilfe für Wohnungslose empfohlen, die mit dem Konzept für die Drogenhilfe und Obdachlose verbunden sind. Dazu gehören Übernachtungscontainer, die für zunächst drei Jahre probeweise an der Treibstraße und an der Gronaustraße in der Nordstadt aufgestellt werden sollen. Hier würden dann weniger strenge Regeln gelten als etwa in der städtischen Übernachtungsstelle an der Unionstraße.

Außerdem soll am Schwanenwall ein Nachtcafé für Drogensüchtige und Obdachlose als nächtliche Aufenthaltsmöglichkeit ohne Übernachtung eingerichtet werden. Auch durch dieses Angebot soll „die Anzahl der nachts auf der Straße verweilenden Personen aus der Zielgruppe reduziert werden“, heißt es.