Hi, Neven, was muss ich tun, wenn ich eure Stiftung unterstützen will? „Er hat mich angeguckt: ‚Kannst du tektonische Bohrung?‘“ Äh, nein, sagte Jörg Schubert völlig überrascht. Ex-BVB-Profi Neven Subotic drehte sich weg - „und ich dachte schon: Was ist das denn für ein arroganter Typ?“
„Aber dann hat er laut gelacht, sich wieder zurückgedreht und gesagt: ‚Nimm dir einen Zettel und einen Stift. Schreib auf, was du gerne machst, was du gut kannst und wie viel Zeit du dafür hast. Und wenn du das fertig hast, dann meldest du dich bei uns.‘“ So zumindest erinnert sich der 50-jährige Dortmunder an den entscheidenden Moment.
„Du hast nur Glück gehabt“
Schubert und seine Frau hatten dieses Konzert von Thees Uhlmann im „Piano“ in Lütgendortmund besucht. Vorher zeigte ein Video, was Subotics Stiftung, die neuerdings „well:fair“ heißt, in Afrika bewirkt. Einer der Mitgereisten berichtete, welchen Effekt die Brunnen dort haben für die Menschen, für die Dörfer, für die Kinder. Und dann lief auch noch das Lied des zu früh verstorbenen Dortmunder Musikers Fred Ape.
„Du hast nur Glück gehabt, dass du hier geboren bist / ...dass dein Wasser sauber ist / ...dass du in der Schule warst...“ - Spätestens in dem Moment, sagt Schubert heute, war er „angezündet“ und traute sich, Neven Subotic anzusprechen.
Corona hilft, der Freund auch
Hätte Schubert sich nicht kurz darauf mit Corona infiziert, vielleicht wäre es nie zu der Umsetzung gekommen. So aber „habe ich mich eine Woche lang im Schlafzimmer eingeschlossen“ - mit Zettel und Stift. Radfahren könne er gut und Leute vernetzen. Warum also nicht eine 500-Kilometer-Tour nonstop bis Berlin, die Aufmerksamkeit generiert?
Um Spenden zu sammeln für einen ganzen Brunnen - 10.500 Euro. Und um die Stiftung „innerhalb der Rad-Community bekannter zu machen“. Und dabei kam Schuberts guter Studienfreund Daniel Schade mit ins Boot. Er ist Geschäftsführer einer namhaften Firma aus der Radsport-Branche: gebioMized. Er schleppte den Dortmunder mit zu einer Messe, legte die Spenden-Internet-Seite zu „Cycle4Water“ an, stellte Schubert gewissermaßen vor vollendete Tatsachen.
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Hunderte Kilometer pro Woche
Er sei jemand, der immer 110-prozentig alles planen wolle, bevor er loslege, sagt Jörg Schubert selbstkritisch. Ohne dass der alte Studienfreund vorgeprescht wäre - hätte er die Berlin-Tour für den guten Zweck tatsächlich schnell umgesetzt? Das wisse er nicht, sagt der zweifache Familienvater und Lehrer. Allerdings: Fit sei er schon.
Täglich zehn Kilometer zur Arbeit und zehn zurück. Zwei bis drei Mal wöchentlich Radtouren von 100 bis 150 Kilometern. Ohnehin: Die ganze Familie hat seit einigen Jahren kein Auto mehr, sondern macht auch alle Einkäufe mit dem Rad. Im Sommer ist der 50-Jährige zwei Wochen mit Fahrrad und Zelt unterwegs. Allerdings: 500 Kilometer nonstop, auch nachts - darauf habe er sich in mehrfacher Hinsicht vorbereiten müssen.
Training nachts auf dem Rad
„Ich bin heute Nacht wieder vier Stunden unterwegs gewesen, man muss es trainieren“, verdeutlicht Schubert. Selbst wenn man eine Strecke Hunderte Male im Hellen gefahren sei - ohne Beleuchtung finde man kaum zurecht. Ohne spezielle Navi-App und den Bluetooth-Kopfhörer im Ohr, „hätte ich nicht sagen können, wo ich gerade bin. Du siehst ja wirklich nur das, was in deinem Scheinwerfer-Kegel ist.“
Weiterer problematischer Punkt: die Ernährung. Pro Stunde müsse er 300 bis 400 Kilokalorien zu sich nehmen. Etwas mehr als eine Tafel Schokolade also. Allerdings: Der Körper muss das auch irgendwie ordentlich verstoffwechseln. Anders als mit Energieriegeln, speziellen hochkalorischen Gels und weiteren wohlüberlegten Lebensmitteln bekomme man das nicht hin, „auch wenn ich so etwas ansonsten nicht esse“. Ab dem Vorabend von Fronleichnam muss das aber sein.
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Nur ein Auto darf mitfahren
Abends um 21.30 oder 22 Uhr will Schubert in Dortmund losfahren. „Dann habe ich noch acht Stunden in Dunkelheit, aber in den ersten bin ich wohl noch am meisten wach.“ Andere Radfahrer, sogar ein Ex-Profi, hatten angeboten, den 50-Jährigen zu begleiten, aber Schubert wollte das nicht: Dann könne er sein Tempo nicht so gut selbst bestimmen - und gerade das sei wichtig.
Nur einer bleibt in seiner Nähe: Daniel Schade, der alte Studienfreund. Im Auto hat er genug Platz für alles, was Schubert zwischendurch benötigt. Die weitere Powerbank für das Handy oder die Kopfhörer etwa. Eine frisch aufgeladene und extrastarke Fahrradlampe. Die Daunen- oder die Regenjacke - und im Falle einer enormen Müdigkeits-Attacke auch einen Schlafplatz im Auto.
Teutoburger Wald und Wind
Zum Glück könne er sehr gut „powernappen“, sagt Schubert. Nach 10 oder 15 Minuten Schlaf sei er wieder fit. Mehr Sorgen als die Müdigkeit macht ihm der Wind. Zwar habe sich auf der Strecke Dortmund-Berlin auch „der Teutoburger Wald in den Weg gelegt“, sagt Schubert schmunzelnd.
Aber viel unberechenbarer sei das flache lange Stück danach, zwischen Magdeburg und Berlin. Das kenne ja jeder Holland-Urlauber: Wenn man auf dem Rückweg vom Café plötzlich Gegenwind habe und das Gefühl, da habe jemand die Luft aus den Reifen gelassen, so schwer sei es.
Unterstützung durch Firmen
„Wenn ich in Berlin bin, ist das Ding für mich nicht durch“, verspricht Schubert. Auch dass er mehr als die 10.500 Euro, die für einen Brunnen-Neubau gebraucht werden, schon vorher zusammen habe, schmälere den Einsatz keineswegs. Eine jährliche Aktion streben er und sein Freund an. Zumal: Wer für „Cycle4Water“ spendet, hat eine Chance auf Gewinne.
Viele Firmen aus der Radbranche gaben Sachspenden, die am Ende der Aktion verlost werden. Und so könne jemand mit einer Spende von vielleicht 20 Euro sogar eine Ortlieb-Tasche im Wert von 300 Euro gewinnen, wirbt Schubert, der auch auf Instagram über seine Aktion informiert.
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Keine Zeit für die Schule
„700 Kinder sterben pro Tag weltweit an verunreinigtem Wasser“, sagt er ernst. In Äthiopien gebe es ausreichend Wasservorkommen - nur eben in großer Tiefe. Neven Subotic sorge mit seinem Einsatz dafür, dass bei der Stiftung alle Spenden zu 100 Prozent weiterfließen würden in die Projekte - dass eben nicht noch etwas genutzt werden müsse, um die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle, die Miete oder die Reisekosten zu zahlen.
Und dann die Nachhaltigkeit: Die Stiftung arbeite mit Menschen von vor Ort zusammen. „Wir sind nicht die klugen Europäer, die alles besser wissen und euch Afrikaner retten. Wir machen das zusammen.“ Alles um die „Ungerechtigkeit“ zu beheben, die den Lehrer und Familienvater aus Dortmund am allermeisten stört: „dass Kinder nicht zur Schule gehen können, weil sie jeden Tag sechs Kilometer mit einem 20-Liter-Kanister zu einer dreckigen Wasserpfütze laufen müssen.“
Umgerechnet 40 Euro ermöglichten einem Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, unerstreicht der Dortmunder. Wer ihn darüber reden hört, der weiß, wie sehr sich Schubert noch immer angezündet fühlt. Und wie gut es war, dass Subotic sich damals lachend umgedreht hat.
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