Das „Labsal“ an der Rheinischen Straße ist eines von vielen Dortmunder Restaurants, die als die innovativsten im Ruhrgebiet gelistet werden. © Oliver Schaper (Archiv)
Die Gastronomie ist in Bewegung. Tradition wird spannend, wenn sie auch mal neu gedacht wird. „Ruhrgebiet geht aus! 2023“ hat 15 spannende Lokale gelistet. Dortmund ist dabei gut aufgestellt.
Die gutbürgerliche Sonntagsküche ist ganz und gar nicht aus der Mode gekommen. Sie wird sogar so sehr geliebt, dass viele Köchinnen und Köche sie manchmal völlig neu denken. Traditionelle Gerichte, überlieferte Klassiker? Sehr gern. Aber eben mal ganz anders und sowas von aufregend. Und das heißt nicht, dass die Rinderroulade als Schau oder Sphäre serviert wird.
„Ruhrgebiet geht aus! 2023“ hat die besten Restaurants besucht, die für innovative Gastlichkeit stehen. 15 Adressen wurden als Tipps erkoren. Abseits der unten stehenden Top 5 sind das (in alphabetischer Reihenfolge und im Magazin ausführlich vorgestellt) folgende Orte:
Hingucker: Das Hösch auf Phoenix-West
© Leopold Achilles
Das Restaurant Fachwerk in der Hattinger Altstadt © Sebastian Drolshagen
Semi Hassine kam als Kind mit ihrem Vater aus seinem Geburtsort Osnabrück nach Hattingen, als dieser Arbeit auf der Henrichshütte gefunden hatte. 2021 kann der 1977 geborene Koch bereits sein 10-jähriges Jubiläum als Patron und Küchenchef des Restaurants Fachwerk in der Hattinger Altstadt feiern und noch mehr: Jetzt wurde auch sein erstes Kochbuch veröffentlicht.
Semi konnte damit ob der Flutschäden gar auf eine kleine Promotour gehen und sich als Marke und Autor präsentieren. „Bock auf handfestes Essen. Einfach & gut: von Currywurst bis Shakshuka“ ist im Südwest-Verlag erschienen. Im Buch geht es – wie übrigens auch in seinem Restaurant – um „traditionelle Hausmannskost mit Raffinesse: ein klassisches Beef-Tatar, doch ganz anders mit Avocado und Passionsfrucht, ein perfekt gegrilltes Tomahawk Steak oder exotische Suppen aus heimischem Gemüse.
Aber auch mal ein würzig-frisches Taboulé mit Bulgur und Minze ist dabei. Es ist ein Kochbuch entstanden, das den Koch, aber auch die Region und ihre Weltoffenheit spiegelt. Die Küchen des ganzen Globus‘ treffen einen Hattinger mit tunesischen Wurzeln. Muss ja gut schmecken. Ein neuerlicher Karrieresprung eines sympathischen Ruhrgebietlers.
Untermarkt 10
45525 Hattingen
02324 6 85 27 70
Di–Sa 16–23 Uhr
Kleinod in unerwarteter Umgebung: Das Restaurant Anneliese harrt weiterhin seiner Entdeckung durch große Gourmetkreise. © Andreas Zabel
Die intime kleine Feinschmecker-Destination (20 Plätze) von Sascha Nick hat es in den gut drei Jahren zu einigem Ruf gebracht und zu einer stattlichen Zahl an zufriedenen Stammgästen, denen die ausgefallenen und exzellent gearbeiteten Nick‘schen Leckereien gefallen.
Das 7-Gang-Menü „Here comes the Sun“ ist mit 79 Euro moderat bepreist, sieht man sich Gänge an wie „Ceviche von der Jakobsmuschel mit Aprikose, Joghurt, Gurke und wildem Andaliman Pfeffer“ (auch optisch ein sensationeller Hingucker) oder den herrlich weißfleischigen „Steinbutt mit Canellini Bohne, Paprika, Schnittlauch, Holzkohle und Piment Despelette“.
Auch das Schwarzfederhuhn trägt das teure Label Rouge und wird unter anderem von Roter Wildgarnele begleitet. Die Auswahl an Rohmilchkäsen ist gut, hochinteressant schmeckend, der Steinsalzkäse. Ebenso hochwertig die ausgesucht schöne Weinbegleitung, die für das 7-Gang-Menü allerdings bei
recht freundlichen 31 Euro stehen bleibt.
In Sachen Wein konzentriert man sich auf Europa und verfügt offenbar über ein gutes Händchen respektive Gaumen. Die Atmosphäre im Lokal ist für dieses Niveau eher locker, aber das ist wohl längst Trend geworden in diesen Zeiten und das ist auch gut so.
Petzelsberg 10
45259 Essen
0201 61 79 50 81
Do–Sa ab 18 Uhr
Schwäbische Küche und kultige Weine in szeniger Umgebung unweit des U-Turms: das Labsal. © Leopold Achilles
„Kleinod“, „blümerant“ und „Dreikäsehoch“ sind die drei Wörter, die vor „Labsal“ landeten, als 2006 „das schönste bedrohte deutsche Wort“ bei einem Wettbewerb gesucht wurde. Vermutlich kann das Wort bei der nächsten Austragung nicht mehr teilnehmen, da Jessica Pahl und Florian Kohl mit ihrem kleinen Restaurant Labsal dieses weithin popularisiert haben.
Seit 2017 bietet die beiden einen wunderbaren Mix aus schwäbischer, bewusster Küche, Kiezkombüse, leidenschaftlicher Weinlust und grandioser Gastgebergabe. Gemäß dem Motto „Auf die Spätzle, fertig, Soß!“ gibt es süddeutsche Klassiker, gern saisonal. An „Schwäbischen Spätsommerrollen mit Erdnussdip (vegan), gefüllt mit gebackenem Kürbis aus eigenem Anbau, frischem Grünzeug und veganer Maultasche“ kann der Gast sich laben.
„Kürbisnockerl mit kurzgebratenen Waldpilzen, karamellisierter Walnuss und gebratenem Speck auf ShiitakeSchaum“ ist dann ein anspruchsvolles, vollmundiges Soulfood-Gericht, das mit selbst gemachtem „veganen Speck“ sogar vegan angeboten wird.
Große Exzellenz wirft das Gastgeberpaar zudem in Sachen Wein in die Waagschale. Eine Expertise, die im Lockdown hilfreich war. GlückGlück nennen sie ihr hauseigenes Sortiment, sorgsam und persönlich ausgewählt. Zumeist Bio- oder biodynamische Weine, oft naturbelassen. Interessanter Schaumwein: Pet Nat ist so etwas wie Orange Sekt, ein nicht erst in der Flasche gärender, prickelnder Wein.
Rheinische Straße 12
44137 Dortmund
0231 13 75 88 52
Mi–Sa 17–22, So 16–20 Uhr
Deutsche Küche 2.0 verspricht das Syght im Casino Hohensyburg. © Andreas Zabel
Seit 2018 gibt es das SYGHT, welches lange das Backup für das Sternerestaurant Palmgarden bildete, aber schon zu dieser Zeit durchaus Profil als besuchenswerte Adresse gewonnen hat. Das Ambiente mit seiner Art-Déco-Ausstattung ist edel, der Service souverän, die Küche sehr spannend. Mit zwei besonderen kulinarischen Specials sorgt es zudem für Furore in den Genussfreunde-Kreisen der Stadt: Dienstags und mittwochs heißt es hier „Querbeet“ und der Gast darf sich für 29 Euro durch zehn Gerichte essen (kleinere Teller mit Vorspeise, Hauptgängen und Desserts).
Der Clou: Jedes Gericht kann auch mehrfach geordert werden. Angesichts der Qualität ein Riesenspaß. Die Verbindung von Erlebnis und Genuss versucht auch die DonnerstagsAktion „We love to share“. Hier ordern zwei Gäste je ein Drei Gang-Menü, das so serviert wird, dass es leicht zu teilen ist. Mit einer Vorspeisenetagere beispielsweise, darauf zuletzt: Ziegenkäse mit gebackener roter Bete, Ammerländer Kernschinken in Zitrus-Pfeffer, gebeizter schottischer Lachs, Mini-Mozzarella mit Kirschtomaten in Basilikum-Pesto, Roastbeef, rosa mit ZwiebelGurken-Hack, Kürbis-Hummus und Kräuterquark.
Es folgt exquisiter Hauptgang und Dessert, Kostenpunkt, 29 Euro. Da kann keiner meckern und es schmeckt nicht nur, sondern regt an. Und auch wer am Wochenende hier speist, wird sicher fündig: Gut sind das Wiener Schnitzel, die Kalbszunge, die Trüffelpasta und die ziemlich großen Burger.
Hohensyburgstraße 200
44265 Dortmund
0231 7 74 07 00
Di–Sa 18–23, So 11–23 Uhr
Alles edel, alles schlau, sehr exklusiv. Das VIDA von Sternekoch Michael Dyllong. © Ralf Müller
Der überaus umtriebige Sternekoch Michael Dyllong und sein kongenialer Gastronomie-Partner Ciro De Luca sind die Initiatoren hinter dem VIDA, das vor dem plötzlichen Kollaps des Sterne-Tempels IUMA zu dessen Bar-Restaurant-Pedant geworden war. Es war jedenfalls zuerst da und ist jetzt länger da.
Im Fokus stand schon von Anfang an die innovative Verschmelzung von wirklicher Weltklasse-Bar und Fine-Dining-Kulinarik (neben einer einfacheren Bar-Karte natürlich). Das Ambiente ist durch und durch exklusiv, die Gäste überwiegend prominent, die Stimmung lässig, gedämpft, cool. Die Küche der Bar kocht locker auf Sterne-Niveau, etwa bei der „Marinierten Fjordforelle mit Zitrus, Misocreme, Schwarzwurzel“ ), die hier sowohl als Vorspeise als auch als Auftakt des 5-Gang-Menüs (76 Euro, Weinbegleitung 49 Euro, vegetarisch 65 Euro) aufgetischt wird.
Im Frühjahr 2022 liefert das VIDA im Hauptgang mächtig mediterran ab: „Salzwiesenlamm, Artischocke, Aubergine, Zucchini“ . Wer anschließend oder auch gepaart einen Drink nehmen möchte, hat die Auswahl: auf der einen Seite einige bestens zubereitete Klassiker zwischen Negroni und Old Fashioned, gegenüber die sogenannte Liquid Kitchen mit Kreationen wie dem „Neo Margarita mit Grapefruit-Granite, Orange und Jalapeno-Salz“ (13 Euro). Zum Bar-Food gehört natürlich auch die „Currywurst by Dyllong mit Gewürzdip und violetten Chips“ für bescheidene 6 Euro.
Hagener Straße 231
44229 Dortmund
0231 95 00 99 40
Di–Sa ab 17 Uhr