Wie immer, wenn er im Herbst den Entwurf für das nächste Haushaltsjahr auf den Tisch legt, umschreibt Kämmerer Jörg Stüdemann die Finanzlage der Stadt in blumigen Worten. Dieses Mal bemühte er die Metapher der Stadt als „Schiff auf schwerer See“.
„Der Wind umtost Sie, die Wellen schlagen hoch, türmen sich auf“, sagte er bei der Einbringung des Haushalts am Mittwoch (8.11.) im Rat. „Wir haben sehr viel Ladung = Aufgaben aufnehmen müssen, ohne dass wir mit den entsprechenden finanziellen Antriebskräften von Bund und Land ausgestattet worden wären.“
Dazu, so der Kämmerer weiter, „stürmt es seit geraumer Zeit aus allen Himmelsrichtungen.“ Die Krisen überlagerten sich, angefangen von den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie, den Kriegsfolgen, die es zu managen gelte, sowie der Zinswende. Hinzu kämen allgemeine Teuerungen und deutliche Tariferhöhungen zunächst für die Angestellten und im Nachgang für die Beamten.
Keine Steuererhöhungen
Was bedeutet das für den städtischen Haushalt? Die gute Nachricht vorweg: Es wird keine Steuererhöhungen (Gewerbe- und Grundsteuer) geben und es werden keine Leistungen für die Bürger und Bürgerinnen eingeschränkt, versicherte der Kämmerer. Gleichzeitig muss der Haushalt 2024 mit einem Volumen von mittlerweile 3,4 Milliarden Euro bei der Kommunalaufsicht nur angezeigt, aber nicht von ihr genehmigt werden. Die Stadt bleibt somit handlungsfähig.
Oberbürgermeister Thomas Westphal sprach von „Stabilität“. Die Menschen in Dortmund dürften zu Recht wichtige konstante Strukturen erwarten, die ihr Leben in der Stadt prägten, wie Straßen, Schulen, Kitas, Radwege, Wärmeversorgung und Steuern.
Die Hiobsbotschaft: Für 2024 werden nach aktuellem Planungsstand fast 160 Millionen Euro in der Kasse fehlen. Auch wenn die Stadt noch einen Puffer aus den vergangenen fünf Jahren hat, als sie 317,6 Millionen Euro Überschuss in die Ausgleichsrücklage stellen konnte, ist diese Reserve in zwei Jahren aufgebraucht.
Monatelang habe man hin- und her überlegt, berichtet Stüdemann. Den Aufwand reduzieren und Leistungen einschränken oder Steuern erhöhen? Um das zu umgehen, sollen nun eine legale Buchungsakrobatik und die 100-prozentige Stadttochter DSW21 helfen.
Buchungsakrobatik soll helfen
Die Stadtwerke sollen aus dem Steag-Verkauf für das Jahr 2024 50 Millionen Euro für den Haushalt zuschießen und in den darauffolgenden Jahren noch mal je 150 Millionen Euro nach dem Prinzip „Schütt-aus-hol-zurück“. Das heißt, das Geld steht zwar zur Kapitalverstärkung im städtischen Haushalt, fließt aber wieder zurück zu DSW21, die es weiter in ihre Infrastruktur investieren kann. Stüdemann: „Finanziell nutzt es sehr.“ Auch aus anderen städtischen Unternehmen müssen jedes Jahr insgesamt 25 Millionen Euro für den Stadtetat kommen.
Probleme machen auch die Schattenhaushalte, die die Stadt bislang wegen Corona und Ukraine-Krieg bilden durfte, die aber vom Land für 2024 kurzerhand beendet wurden. Jetzt muss dieses Geld unmittelbar aus dem Haushalt finanziert werden. Allein aus den kriegsbedingten Belastungen sind das 56,6 Millionen Euro für das nächste Haushaltsjahr.
Darunter fallen 15 bis 20 Millionen Euro, die die Stadt für Flüchtlinge aufbringen muss. Gemessen am Haushaltsvolumen sei das aber „finanziell gar nicht so belastend“, stellte der Kämmerer klar. Die großen Treiber der Probleme seien andere wie die Zinsentwicklung (80 Mio. Euro), die Pensionsrückstellungen für Beamte (98 Mio. Euro und 240,5 Mio. Euro in 2025), steigende Personalkosten (578,5 Mio. Euro), Energiepreissteigerungen und die stark gestiegene Umlage an den Landschaftsverband Westfalen Lippe (298 Mio. Euro).

447 Mio. Euro an Investitionen
Gleichzeitig sind die Schlüsselzuweisungen um 38 Mio. auf 837 Mio. Euro gesunken. Auf der anderen Seite plant die Stadt so viel Gewerbesteuer einnehmen zu können wie noch noch nie: 470 Millionen Euro. Das hilft der Stadt bei ihren Investitionen, für die 447 Mio. Euro vorgesehen sind – ein Anstieg von 157 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr.
Davon entfallen 162 Mio. Euro allein auf den Hochbau, vor allem auf den Bau von Schulen (68,5 Mio. Euro), Sportstätten und Freizeitangebote (23 Mio. Euro) sowie Kindertageseinrichtungen (25 Mio. Euro).
Viele Unsicherheiten
83,8 Mio. Euro sollen in den Tiefbau fließen, davon der Löwenanteil (67 Mio. Euro) in das Programm „Kommunale Schiene“ zur Erneuerung von Straßen und U-Bahn-System. Um all‘ die Investitionen zu stemmen, nimmt die Stadt fast 281 Millionen Euro an Krediten auf.
Das seien alles keine kleinen Summen, die die Kraft jeder Kommune überstiegen, stellte OB Westphal fest. Neben der Stabilität gehe es im Kern des Haushalts auch um den Respekt der Dortmunder untereinander, die Freude und die Frage des Zusammenhalts in der Stadtgesellschaft.
Zum Respekt untereinander zählte er die von ihm häufig zitierte Nachbarschaft, „die Art, wie wir zusammen leben.“ Dazu zähle auch der Wohnungsbau. Der OB: „Wir werden mehr Wohnungen bauen müssen.“ Bis 2025/26 sollen bei der Dortmunder Stadtentwicklungsgesellschaft (DSG) mindestens 140 Wohnungen neu entstehen und 30 weitere saniert werden.
Für Freude soll neben den Kultur- und Clubangeboten die Fußball-Europameisterschaft 2024 mit sechs Spielen in Dortmund sorgen. Beim Punkt Zusammenhalt nannte der OB die Zuwanderung und Flüchtlingssituation. Das sei nicht nur eine Geldfrage, so Westphal in Richtung Land und Bund: „Wir müssen planen können, für wie viele Menschen wir Infrastruktur, Schulen und Kitas bauen müssen.“
So ist auch der Haushaltsentwurf ein Plan mit vielen Unsicherheiten und Risiken; denn bis der Etat nach den politischen Beratungen vom Rat im Februar beschlossen wird, können gesetzliche Veränderungen, neue Steuerschätzungen und politische Beschlüsse das Schiff noch ins Schlingern bringen, um in der Sprache des Kämmerers zu bleiben.
Dortmunds OB Westphal macht radikalen Vorschlag zum Asylverfahren: „Dann sind wir solidarisch und ge
Steag-Verkauf soll Dortmund bis zu 700 Millionen Euro bringen: OB Westphal spricht dennoch eine Warn
Energieversorger Steag für 2,6 Milliarden Euro verkauft: So könnte Dortmund profitieren
Dortmunder Ausländerbehörde am Limit: „Irgendwann ist niemand mehr da, der Anträge bearbeitet“