Viele Pflegekräfte haben ihrem Beruf den Rücken gekehrt. Sie waren erschöpft, fühlten sich nicht wertgeschätzt und zu schlecht bezahlt. Das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) soll helfen, das zu ändern. Es verpflichtet seit dem 1. September 2022 alle Pflegeheime und ambulanten Dienste, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarif zu bezahlen.
Es gibt Stimmen, die sagen, die Tariferhöhung sei kontraproduktiv gewesen, wenn man die Zahl der Pflegekräfte erhöhen wolle. Diese würden den Verdienstzuwachs nutzen, um ihre Stundenzahl zu reduzieren. Wie hat sich das neue Gesetz in Dortmund ausgewirkt?
Die Themen und Probleme um die neue Tarifbindung trieben derzeit private Träger von Seniorenheimen um, aber nicht die Städtische Seniorenheime gGmbH (SHDO), sagt Geschäftsführerin Elisabeth Disteldorf. Die SHDO habe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schon immer fair und gerecht nach Tarif bezahlt – und tue noch einiges mehr, um für Pflegekräfte eine attraktive Arbeitgeberin zu sein.
Verlässliche Dienstpläne
Dazu zählten die 5-Tage-Woche und verlässliche Dienstpläne. Disteldorf: „Uns ist wichtig – auch wenn es im Alltag manchmal besondere Herausforderungen gibt – unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair zu behandeln und sie wertzuschätzen; denn wir sind überzeugt, dass dieser Umgang miteinander auch unseren Bewohnerinnen und Bewohnern zugutekommt.“
Ebenso haben die Caritas und die Diakonie ihre Pflegekräfte schon immer beziehungsweise seit vielen Jahren nach Tarif vergütet. „Wir verzeichnen in unseren Reihen keine Zugänge aufgrund von Personalkostensteigerungen, da wir schon immer nach Tarif bezahlen“, sagt Kirsten Eichenauer-Kaluza, Leiterin stationäre Altenpflege Caritas Dortmund.
Sie könne auch nicht bestätigen, dass Mitarbeiter wegen des Tariflohns Stunden reduzieren. Eichenauer-Kaluza: „Es gibt Mitarbeitende, die entscheiden sich bewusst in Teilzeit zu arbeiten und andere in Vollzeit. Das ist abhängig von der jeweiligen privaten Situation und was sich der Mitarbeitende von uns wünscht.“
Verschärfter Wettbewerb
Die neue Tarifbindung habe aber insofern auch auf die Diakonie als gemeinnütziger Träger Auswirkung, als dass man nun durch die Gehaltsangleichungen anderer Pflegedienste in einem verschärften Wettbewerb um Fachkräfte stehe, sagt Sabine Kalies, Geschäftsführerin der Diakonischen Pflege Dortmund gemeinnützige GmbH. Aktuell bilde die Diakonie in Dortmund 25 junge Menschen in der ambulanten Pflege aus.
Bei privaten Pflegediensten in Dortmund sollen es nicht die Mitarbeiter sein, die ihre Stunden reduzieren - sondern die durch die Tarifbindung unter Druck geratenen Arbeitgeber hätten das veranlasst, so die Erkenntnis von Carsten Werner, Geschäftsführer des Pflegebüros Bahrenberg: „Wir selber sind diesen Schritt noch nicht gegangen, hören aber durch unsere gute Vernetzung, dass dies in einigen Betrieben vollzogen worden ist. Eine Aufstockung der Arbeitszeit ist eher nicht erfolgt.“
Zu kurzer Zeitraum
Die gestiegenen Gehälter hätten auch noch nicht dazu geführt, „dass ausgestiegene Pflegekräfte in den Beruf zurückgekehrt sind, beziehungsweise sich mehr Menschen für die Ausbildung in dem Beruf interessieren“, so Carsten Werner. Da die höheren Löhne mitunter erst seit dem 1.9.2022 gezahlt worden seien, sei der Zeitraum und damit die Erfahrungsgrundlage für eine belastbare Bewertung wohl noch zu kurz.
Eine Einschätzung, die auch Der Paritätische teilt. Dort heißt es, ob mehr Menschen eine Ausbildung in der Pflege anstrebten, lasse sich noch nicht sagen. Der neue Ausbildungsgang beginne erst im April.
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