Legenden des Soundgardens „Wenn wir mit Leuten ins Gespräch kommen, flippen die aus“

Maik (45), Guido (54) und Leif (45) erinnern sich an Techno-Nächte im „Soundgarden“
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Ein heruntergekommenes Gebäude, ein Parkplatz, der mehr Flickenteppich und Huckel-Piste als alles andere war. Und eine Disko mit Techno-Floor, genannt „Halle 2“, die sich in Dortmund einen echten Legenden-Status erarbeitet hat. Nur zu gern erinnern sich Maik Conrath (45), Guido Felser (54) und Leif Bösken (45) an die vielen Partynächte, die sie im Gerichtsviertel verbracht haben.

Damals legte Guido als DJ G.F.D. auf, Maik tat es ihm später nach. Stammgast Leif lernte die beiden dort kennen. Beinahe jedes Wochenende machten sie die Nacht gemeinsam zum Tag. Als der Soundgarden schließen musste, verloren sie sich zunächst aus den Augen. Heute haben die drei wieder Kontakt. Über gemeinsame Bekannte fanden sie sich wieder. Ihre Mission: Die Techno-Partys der 90er wiederzubeleben.

Guido Felser legte in der „Halle 2“ als DJ G.F.D. auf
Guido Felser legte in der „Halle 2“ als DJ G.F.D. auf. Er prägte die Dortmunder Techno-Szene maßgeblich. Sein Name ist untrennbar mit dem „Soundgraden“ verbunden. © privat

Bevor sie die Techno-Partys der „Halle 2“ im „Soundgarden“ Ende Juni wieder auferstehen lassen, schwelgen sie in Erinnerungen. Zwar gibt es die Großraumdisko seit 2006 nicht mehr. Auch das Gebäude wurde längst abgerissen. Aber die Geschichten von damals werden wohl ewig in Erinnerung bleiben. „Unser Wohnzimmer“, nennen die drei den Club liebevoll.

Technowelle in Dortmund

Denn um den „Soundgarden“ hat sich eine Art Gemeinschaft gebildet. Schließlich lockte die Disko nicht nur Techno-Fans an. Die „Halle 2“ war nur ein Teil des „Soundgarden“. „Das Schöne war, dass alle Bereiche abgedeckt wurden, die damals aktuell waren: Es gab einen extra Hip-Hop-Bereich und die „Waschküche“ für die Gothics“, sagt Maik Conrath.

Schon mit 16 Jahren zog es ihn auf die Tanzfläche. Als „wild und bunt“ beschreibt er die damalige Techno-Szene. Damals noch eine Neuheit, entwickelten sich die elektronischen Sounds zum Kern der neu aufkeimenden Subkultur. Die Technowelle der 90er Jahre brachte DJ-Größen wie Paul Van Dyk, Sven Väth oder Scooter hervor - eine Revolution der Club- und Partyszene.

Statt zu schreddernden Gitarren oder melodiösen Pop-Songs tanzten die Menschen zum ersten Mal zu rhythmisch-monotoner Musik, die teilweise ohne Gesang oder Melodie auskam. Auch optisch veränderte die Techno-Kultur vieles: Fetisch-Outfits, grelle Farben, Science-Fiction-Elemente, aber auch Sportkleidung prägten die Kleidung der Clubgänger. Ein guter Kontrast zum Alltag für Maik Conrath.

Der machte zu dieser Zeit nämlich eine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Erst als Stammgast, später als DJ mischte er die Techno-Partys auf. Mehr und mehr machte er sich einen Namen, wurde schließlich auch für andere Partys gebucht, reiste dafür nicht nur durch ganz Deutschland, sondern auch in die Niederlande, nach Belgien und Österreich. Jahrelang machte er beides parallel: Er arbeitete als Schornsteinfeger und am Wochenende als DJ und Produzent. Inzwischen arbeitet er im Vertrieb, legt weiterhin auf und produziert Schallplatten.

Feiern mit der Familie

Seit den 90ern bilden die Partys also einen Kontrast zum „normalen“ Job. Auf der Tanzfläche habe eine friedliche, harmonische Stimmung geherrscht, sagt Conrath. „Es war total familiär“, beschreibt der 45-Jährige, „jeder kannte jeden und selbst wenn man neu dazukam, wurde man gleich aufgenommen. Man war nie alleine, sondern mit der ‚Familie‘ unterwegs.“ Der Club sei in aller Munde gewesen, auch in der Schule. Die halbe Klasse habe man dort am Wochenende getroffen. Unzählige Freundschaften und Liebespaare hätten sich dort gefunden.

Guido Felser als DJ G.F.D. in der Halle 2 im Soundgarden. Sein Ruf war in der Dortmunder Techno-Szene legendär.
Guido Felser als DJ G.F.D. Ende der 90er Jahre in der Halle 2 im Soundgarden. Sein Ruf war in der Dortmunder Techno-Szene legendär. © privat

An seinen ersten Abend im „Soundgarden“ kann Maik sich noch erinnern. Völlig überwältigt sei er gewesen, „Es war sehr aufregend. Allein diese Menschenmassen!“ An einem guten Samstag seien bis zu 5000 Leute über den Abend verteilt gekommen, sagt Guido Felser. Er kennt den Club nicht nur von der Tanzfläche, sondern vor allem vom DJ-Pult aus.

Der „Soundgarden“ bedeutete für ihn das Sprungbrett in die Musik-Branche - der Traum, Vollzeit-Musiker zu werden, erfüllte sich. Bis heute arbeitet er als DJ und Produzent, besitzt inzwischen sogar ein eigenes Techno-Label in Dortmund, Kennziffer Rec. All das begann mit seinem ersten Set in der „Halle 2“. „Ich glaube nicht, dass ich hier sitzen würde, wenn es die „Halle 2“ nicht gegeben hätte.“ Auch Maik Conrath entdeckte dort seine Leidenschaft fürs Musikauflegen. Geprägt von den „Halle-2“-DJs gelangte er selbst an den Plattenteller, lebte sich dort kreativ aus. Er ist sich sicher: „Ohne die Halle 2 wäre mein Leben heute ganz anders.“ Zuletzt legte er etwa im Techno- und House Club Stollen 134 am Westhellweg auf, wird regelmäßig für queere Techno-Partys gebucht.

Berliner Techno-Fans in der „Halle 2“

All das durch den Kult-Status der Techno-Partys im Soundgarden. „Die waren in ganz Deutschland bekannt“, sagt Felser, „aus Bremen und Hamburg kamen die Leute angereist – sogar aus Berlin!“ Dabei ist gerade die Hauptstadt zu dieser Zeit eine absolute Techno-Hochburg mit legendären Clubs wie dem heute noch erfolgreichen „Berghain“.

„So einen astreinen Sound wir hier, den haben wir bei uns nicht“, hätten die Berliner gesagt, erzählt Felser. Der Soundgarden habe damals viel Wert auf beste Klangqualität und gute Anlagentechnik gesetzt. Dortmund sei die Techno-Metropole im Ruhrgebiet gewesen, sind sich die ehemaligen „Soundgarden“-Stammgäste sicher.

Party im Soundgarden Dortmund
Als „wild und bunt“ beschreiben die „Soundgarden“-Stammgäste die Techno-Szene der 90er Jahre. Besonders traf das auf die Partygäste in der „Halle 2“ zu. © privat

Was die Disko zusätzlich auszeichnet habe, sei die verschachtelte Raumaufteilung gewesen, sagt Leif Bösken. Er ist Azubi, muss als Energieelektroniker oft auf Montage. So oft es der Job zulässt, geht es in den Club. „Es war ja auch recht günstig: Anfangs vier Mark Eintritt, später zehn. Das Bier hat 1,50 oder 2 Mark gekostet. Alles im Plastikbecher, die flogen natürlich überall herum“, sagt er mit einem nostalgischen Blick.

Auch, wenn sein letzter Abend in der „Halle 2“ rund zwei Jahrzehnte her ist, kann der 45-Jährige sich noch ganz genau erinnern, wo die Treppen entlang liefen, wo die Bar, die Wandnischen und die verschiedenen Bühnen sich befanden. „Es hing immer eine andere Deko. Mal waren es Sterne, mal Pilze, Ufos, alles Mögliche“, beschreibt er. „Und überall standen und tanzten die Leute, in jeder Ecke.“ Ein Bistro habe es im Club gegeben, Kicker- und Flippertische, Bullenreiten und Schaumpartys. Je nach Deko hätten die DJs die Musik an das Thema angepasst.

Pilgerfahrt zum Dortmunder „Soundgarden“

Maik sind die Schwarzlicht-Effekte, die besonders gut zum damaligen Neon-Trend passten, im Kopf geblieben. „Das war einfach ein besonderes Feeling. Die Leute waren so liebevoll drauf, haben einfach eine große Freude ausgestrahlt und nur gelächelt.“

Auch Leif Bösken muss lächeln, wenn er sich daran erinnert, wie die Partys gefühlt halb Dortmund lahmlegten. „Besonders samstags ging auf der B1 und der B54 nichts mehr. Da war alles dicht. Auch die Innenstadt war komplett voll.“ Leif arbeitet nach wie vor als Energieelektroniker, ist aber mit Maik auch Party-Veranstalter.

Maik weiß noch genau, wie er jedes Wochenende mit dem Zug aus Herne anreiste. „Immer mehr Leute sind dazu gestiegen, manchmal war es ein ganzer Waggon voll mit Leuten, die in den „Soundgarden“ wollten, vor allem für die Techno-Partys.“ Regelrechte Pilgerfahrten seien das gewesen, mit Menschenmassen, die gemeinsam vom Hauptbahnhof zum Club marschierten.

Party im Soundgarden Dortmund
Eine Trainingsjacke wie viele sie in den 90er Jahren trugen, sind heute wieder modern. Retro ist wieder in. © privat

Guido Felser hatte einen kurzen Weg aus dem Stadtteil Körne. „Vier Haltestellen waren das – damals noch mit den Straßenbahnen 303 und 308.“ Schmunzeln muss er vor allem, als er von den Rückfahrten im Nachtexpress erzählt.

„Da hat der Busfahrer noch weiter Mucke gemacht, der hat einfach die Kassette von unserem Kollegen reingemacht – dann ging es nochmal richtig los! Und natürlich haben wir im Bus noch unsere Kippen geraucht. Da war noch Party im Bus, bis wir zu Hause waren. Das war der Hammer.“

Eine Liebe, die hält

Mit der Liebe, die Leif, Maik und Guido für den Soundgarden empfinden, sind sie nicht allein. Das merken sie jedes Mal, wenn sie Plakate aufhängen oder in der ganzen Stadt Flyer für die Revival-Party verteilen. Die soll am 22. Juni im „Prismatic“ (ehemals „Pirates Boo“) die Techno-Partys der „Halle 2“ wieder aufleben lassen.

„Wenn wir dann mit den Leuten ins Gespräch kommen, flippen die aus“, sagt Leif. „Das ist echt der Wahnsinn. Alle sagen: ‚Was, der Guido ist wieder dabei?!´ Die können das gar nicht glauben.“ Guido habe damals fast den Status einer Techno-Legende gehabt, sagt Leif. Darüber kann Guido selbst nur grinsen. Er habe schon viele Ideen, wie er alten und neuen Partygästen einheizen möchte, sagt er augenzwinkernd.

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