„Vor allem in den Theatern sind die Zahlen ganz schlecht“ Kulturszene kämpft mit neuer Kampagne

Freie Kulturzentren machen mit eigener Kampagne auf sich aufmerksam
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"Das Publikum hat noch nicht mitbekommen, dass wir wieder offen haben." Das sagt Hartmut Salmen vom Literaturhaus Dortmund. Seine Stimmung dieser Tage? Ernüchtert - und doch voller Hoffnung. So blickt er, wie auch die anderen Betreiber Freier Kulturzentren, in die Zukunft.

Salmen stellt zusammen mit Claudia Schenk vom Depot und Dr. Peter Schmieder vom Künstlerhaus das Sprechergremium der Freien Kulturzentren, die aktuell zusammen eine jährliche Förderung in Höhe von 1,8 Millionen Euro von der Stadt erhalten.

Die vergangenen zwei Jahre haben die freie Kulturszene mächtig in Mitleidenschaft gezogen - und sie gleichzeitig vor neue Herausforderungen gestellt. Um diese zu meistern und den Blick nach vorne zu richten, haben sich die zwölf „Freien“ nun für eine gemeinsamen Kampagne zusammengeschlossen: „Geöffnet: We are open“.

Weniger Besucher, weniger Einnahmen

Hierbei geht es um die Kommunikation, dass alle Kulturorte wieder geöffnet sind und Programm anbieten. Das Ziel ist dabei klar definiert: Die öffentliche Wahrnehmung wecken und wieder mehr Besucher in die Kulturzentren ziehen. Denn weniger Besucher führen zu weniger Einnahmen, was negativen Einfluss auf die Programmgestaltung hat.

„We are open: Offene Türen. Einladende Orte. Entdecke Dortmunds Freie Kulturzentren.“ So steht’s nun also in Neonschrift auf Großplakaten, Bannern und Postern in der gesamten Stadt. Dies ist Aufforderung wie Einladung zugleich, um die besonderen Kulturorte zu entdecken oder auch mitzumachen – und dies richtet sich sowohl an die frühere Besucherschaft als auch neue Zielgruppen.

Es gehe aber letztlich nicht nur um das kulturelle Konsumieren, also die große Bühnenshow oder das kuschelige Konzert, sagt Salmen - sondern auch um kulturelle Bildung, kreatives Arbeiten, Proben und letztendlich um kulturelle Sensibilisierung.

Seit den 80er-Jahren werden die Freien Kulturorte von der Stadt gefördert und erreichten jährlich hunderttausende Menschen. Daran will man nun mit der Kampagne anknüpfen. Erstmals gibt es eine gemeinsame Homepage, ein spezielles Kampagnen-Layout und neben der Werbung im öffentlichen Raum auch eine Social-Media-Kampagne.

Mit der Fördersumme von 20.000 Euro vom Kulturbüro und der Wirtschaftsförderung für die neue Kampagne sind neben den Printprodukten das spezielle Design und das Kampagnenkonzept erstellt worden. So ist die Social Media-Kampagne mit kleineren Animationen untermalt und mehrsprachig aufgebaut.

Der Kulturort Depot beleutet in der Dämmerung
Das Depot in der Nordstadt ist Heimat zahlreicher Kreativer, darunter unter anderem das Theater im Depot und das Sweetsixteen-Programmkino. © Jan Schmitz

Warum kommt keiner mehr?

Insgesamt sieht es für die zwölf Träger nicht eben rosig aus: „Die Kostenpläne sehen aktuell einfach anders aus, und da kann man oftmals nur am Programm sparen oder Öffnungszeiten kürzen“, so Salmen ernüchternd. Schließen muss keins der Zentren, doch schon jetzt verlieren einige künstlerische Betätigungsfelder sowie Auftrittsmöglichkeiten und die Planungssicherheit fehlt.

"Wir wissen gar nicht ganz genau, warum die Menschen nicht mehr in die Häuser gehen", so Salmen. Es wird eine Mischung aus verschiedenen Faktoren sein: Steigende Energiekosten und Inflation führen zum allgemeinen Sparen und dazu paaren sich emotional-gesellschaftliche Aspekte wie der Ukrainekrieg und die anhaltende Angst vor Ansteckungen.

Zudem ist die Kultur oftmals nicht mehr so präsent in den Köpfen und die Kulturorte sind aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Und man erkennt grundsätzlich ein anderes Ausgehverhalten als vor der Pandemie. Dagegen soll die auf mehrere Monate angelegte Kampagne wirken.

"Es ist alarmierend, dass nur 20 bis 30 Prozent des Publikums im Vergleich vor der Pandemie in die Kulturzentren gehen. Vor allem in den Theatern sind die Zahlen ganz schlecht", so Salmen.

Großplakat der Kampagne am Wall
Auffällige Grafik und eindeutige Message: Die Großplakate der Kampagne "We are open!" an einem der Standorte am Wall. © C.Schenk

Gegenmaßnahmen sind vielerorts vorhanden: Von neuen Belüftungssystemen, um die Angst vor Infektionen zu nehmen, über neue Raummodelle bis hin zur Reduktion der Teilnehmerzahlen, um Kurse abzuhalten.

Menschen mit Kopfhörern erleben Kultur im Depot
Kultur mal anders erleben: Das Format "Audio Depot" spricht neue Zielgruppen an und verbindet kreative Kultur mit neuen Medien. © Jan Schmitz

Und nun also die gemeinsame Kampagne, um wieder mehr Aufmerksamkeit zu erreichen: "Eine solche Kampagne gab es bisher noch nicht. Und perspektivisch werden wir auch weiter Aktionen zusammen machen", so Salmen. Gespräche über mögliche Fördererhöhungen werden noch geführt, losgelöst von der bereits beschlossenen, jährlichen Inflationsanpassung von 1,5 Prozent.

Ebenso gibt es den Wunsch, den früheren "Kultur-Info-Shop" als zentrale Anlaufstelle für Informationen und Tickets mit neuem Konzept wiederzubeleben.

Geografisch über das Stadtgebiet verteilt bieten zwölf freie Kulturzentren alles mögliche: Theater, Musik, Literatur, Bildende Kunst, Filme sowie Probe- und Arbeitsräume für Kreative, Vereine und Kunstschaffende – die zwölf Freien und miteinander vernetzten Kulturzentren sind: domicil – Forum Jazz & Creative Music, literaturhaus.dortmund, Kulturzentrum balou e.V., Künstlerhaus Dortmund, Theater Fletch Bizzel, Kulturort Depot, Theater im Depot, Musik- und Kulturzentrum MUK, Kulturhaus Lütgendortmund, Kulturzentrum Langer August, Roto Theater und das Kulturhaus Neuasseln. Mehr unter www.freiekulturzentrendortmund.de