
Fahrgäste steigen in einen Bus der DSW21 (Archivbild). Einige Fahrer haben auf ihrem Betriebshof ein Schreiben verteilt, in dem sie auf ihrer Meinung nach vorhandene Missstände aufmerksam machen. © Kindel (A)
„Du rennst rum wie ein Zombie“: Busfahrer kritisieren DSW21 – Unternehmen reagiert
Öffentlicher Nahverkehr
Bei DSW21 in Dortmund und Castrop-Rauxel läuft einiges falsch, finden drei Busfahrer. Sie üben Kritik am Unternehmen. DSW21 nimmt zu den Vorwürfen Stellung.
Die drei Männer lassen sich auf die Stühle fallen. Arne Berger, Georg Krone und Eren Yavuz sind Busfahrer bei DSW21. Sie haben ihre Dienstpläne mitgebracht und eine ganze Menge Frust. Denn aus ihrer Sicht liegt im Dortmunder Nahverkehr einiges im Argen.
Sie alle heißen eigentlich anders. Ihre richtigen Namen sind unserer Redaktion bekannt, sie wollen sie für diesen Artikel jedoch nicht öffentlich nennen. Unlängst haben sie ein Schreiben mit der Aufzählung von – ihrer Meinung nach – vorhandenen Missstände in den Arbeitsräumen des DSW-Betriebshofs in Brünninghausen ausgelegt. Drei Seiten. Auch zum Treffen haben sie das Schreiben mitgebracht. Es geht um Personalpolitik, Dienstplanung und prall gefüllte Überstunden-Konten.
Auch diese Aufzählung haben die drei Männer nicht mit ihren Namen unterschrieben. „Sonst würde unsere Arbeit zu einem Spießrutenlauf sondergleichen“, sagt Georg Krone. Die Zettel seien von Vorgesetzten schnell wieder eingesammelt worden. Es sei herumgefragt worden, wer sie ausgelegt habe.
Schon länger unzufrieden
Unzufrieden über die Gesamtsituation sind die drei schon länger, sagen sie. Ein Bericht in der WDR-Lokalzeit hat das Fass zum Überlaufen gebracht. In diesem ging es um die angespannte Personalsituation bei DSW21 während der zu Ende gegangenen Sommerferien. Die Urlaubszeit und ein deutlich erhöhter Krankenstand wegen Corona würden auch dem Verkehrsunternehmen zu schaffen machen, sagte damals Fahrbetriebsleiter Reiner Holub in dem Bericht.
Und dann kommt eine Aussage, die die drei Busfahrer sauer macht: „Fahrerinnen und Fahrer werden regelmäßig von uns angesprochen, ob sie nicht doch mal eine Überschicht fahren können und wollen. Was nicht jeder macht und nicht jeder kann. Bei 40 Grad auch nicht jeder will. Das merkt man schon, dass der Betrieb recht angespannt wirkt“, sagte Holub in dem Bericht.
Für sie klingt das so, als unterstelle man ihnen, zu faul für Mehrarbeit zu sein. Das Gegenteil sei der Fall, Berger und Krone haben beide über 100 Überstunden gesammelt, sagen sie. Andere Busfahrer hätten bis zu 200 Stunden auf ihrem Konto. Abbau? Sei nicht in Sicht, behaupten sie. Denn es würde das Personal fehlen, um die Plätze zu füllen.
Klare Regeln zum Abbau von Überstunden
Der Abbau von Überstunden ist per Betriebsvereinbarung geregelt: Ein Zeitguthaben von mehr als 120 Stunden bei Vollzeitarbeit dürfe nur kurzzeitig erreicht werden, teilt DSW21 dazu mit. „Zeitguthaben von mehr als 120 Stunden innerhalb eines Kalendermonats sind grundsätzlich im folgenden Kalendermonat durch Freizeit auszugleichen.“
Über die Umsetzung und Einhaltung der Betriebsvereinbarung würden das Unternehmen und der Betriebsrat insbesondere in angespannten Situationen unter Beachtung und Abwägung der internen und externen Belange in einem engen Austausch stehen.
Es hat sich einiges angehäuft
Bei Berger, Krone und Yavuz hat sich einiges angehäuft. Auf dem Überstundenkonto, aber vor allem in ihrer Gefühlswelt. Für sie ist es ein Fehler im System. Ein System, das darauf baue, Personalmangel mit Zusatzschichten aufzufangen und das jetzt zusammenbreche.
Dass es dazu gehört, auch mal einzuspringen und flexibel zu sein, sei ihnen bewusst. Das bringe der Job so mit sich. Die Busse, die täglich über 40.000 Kilometer im Stadtgebiet zurücklegen, müssen nun mal fahren, um die Menschen in dieser Stadt zu bewegen.
Berger, Krone und Yavuz wirken nicht wie notorische Nörgler. Die betriebliche Altersvorsorge bei DSW21, die bezahlte Zahnzusatzversicherung, das seien alles Dinge, die sie zu schätzen wüssten, sagen sie.
„Wir lieben diesen Beruf und haben eine Passion dafür – genau wie viele andere“, sagt Krone. „Sonst würden wir den Job schon längst nicht mehr machen.“ Die Bedingungen seien jedoch ein Problem. „Wir hoffen, dass es Änderungen gibt“, sagt Krone.
Bei DSW21 ist man irritiert über den Weg, den die Mitarbeiter gewählt haben, um ihre Kritik zu äußern. „Betriebliche Mitbestimmung wird in unserem Unternehmen als hohes Gut gepflegt. Mit Betriebsrat und Gewerkschaften gibt es Interessenvertreter, bei denen Beschäftigte jederzeit Kritikpunkte anbringen“ können. Diese würden im Vorstand ernst genommen, heißt es von DSW21.
„Seid mal froh, dass ihr Arbeit habt“
Immer wieder hätten sie die Probleme bei Vorgesetzten angesprochen, behaupten hingegen die drei Busfahrer. Die hätten abgeblockt, vertröstet und gesagt: „Seid mal froh, dass es so ist, wie es ist.“ Auch der Betriebsrat sei für sie keine Lösung. Von dem bekämen sie einen ähnlichen Satz zu hören: „Seid mal froh, dass ihr Arbeit habt.“
Verteilt auf die Betriebshöfe Brünninghausen (516) und Castrop-Rauxel (132) sind bei DSW21 derzeit 648 Busfahrerinnen und -fahrer beschäftigt. Unterbesetzte Bereiche gebe es im Busfahrdienst aktuell nicht, teilt das Unternehmen mit. Auf Vollzeitkapazitäten umgerechnet, beschäftige man sogar einige Fahrerinnen und Fahrer mehr als für 2022 geplant.
Die Engpässe entstanden demnach aufgrund eines hohen Krankenstands im Vergleich zu früheren Sommerhalbjahren. Im Juli habe der im Busbereich bei 13 Prozent gelegen, im August knapp darunter. Außerdem gebe es zusätzlichen Personalbedarf wegen Umleitungen und Schienenersatzverkehren, teilt DSW21 mit.
Auf ihrer Webseite sucht DSW21 für das Jahr 2023 neue Busfahrerinnen und -fahrer zur Ausbildung. In der Stellenbeschreibung steht: „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen haben bei uns einen hohen Stellenwert.“
Dieser Punkt sorgt bei den drei Busfahrern für Ärger. „Das mag in der Verwaltung so sein“, sagt Berger. Bei den Busfahrern sehe das aber ganz anders aus. „Privatleben hast du bei DSW21 nicht. Punkt“, sagt Yavuz.
Kritik an der Dienstplanung
Die Fragestellung nach der Familienfreundlichkeit sei bei DSW21 ein permanentes Thema, teilt das Unternehmen mit. Aus den Anforderungen an die Dienste und den Wünschen der Mitarbeitenden ergebe sich bisweilen ein Spannungsfeld. „Alternative Möglichkeiten der Urlaubsvergabe oder eine größere Einflussnahme bei der Dienstvergabe sind Ansätze, die wir prüfen“, heißt es von DSW21.
Georg Krone schiebt seinen Dienstplan über den Tisch. Alle sechs Wochen hat er ein komplettes Wochenende frei. Danach noch eins. Danach wandern seine freien Tage durch die Woche. Das allein erschwere schon, Sozialkontakte aufrechtzuerhalten, findet er. Familienfreundlich sei das auch nicht.
Die drei Fahrer wünschen sich eine Reform der Dienstplanung. Für sie wirke es so, als würde die noch genauso gemacht wie vor 40 Jahren. „Damals aber gab es selten Familien, in denen beide Elternteile Vollzeitarbeit nachgingen“, schreiben die drei Busfahrer in ihrer Aufzählung, die sie im Betriebshof verteilt haben.
Schwieriger werde die Alltagsplanung auch durch Zeitsprünge bei den Anfangszeiten. Beispielhaft nennen sie einen Arbeitsbeginn zwischen 7 Uhr und 8.30 Uhr an den ersten drei Tagen einer Dienstwoche. Am vierten Tag beginnt der Dienst dann schon um 4 Uhr. Sprünge von drei, vier Stunden gebe es immer häufiger.
„Wir tragen Verantwortung“
„So etwas haut dich vollkommen raus. Du rennst rum wie ein Zombie“, sagt Yavuz mit Blick auf die Sprünge bei den Anfangszeiten. Und Zombies, da sind sich die drei einig, sollten keine Busse fahren. „Wir tragen ja auch Verantwortung – und das nicht gerade wenig, wenn wir morgens einen Bus voller Schüler fahren.“
„Gerade in Urlaubszeiten und in Phasen mit einem überdurchschnittlichen Krankenstand kann es zu den beschriebenen Sprüngen kommen“, teilt DSW21 auf Nachfrage mit – vor allem dann, wenn in solchen Phasen Großveranstaltungen und Schienenersatzverkehre besonders hohe Anforderungen an die Disposition richten, die täglich hunderte Dienste disponiere.
Genug Busfahrer-Nachwuchs?
Die drei Fahrer zeichnen mit ihren Einlassungen ein Bild von einem System, in dem die Busfahrerinnen und -fahrer unter Druck stehen. Dieser Druck resultiert wiederum daraus, dass die Fahrleiter die Linien besetzen müssen. Und die brauchen dafür eben Fahrer.
Fachkräftemangel ist in allen in Branchen ein Thema. Wie sieht es bei den Verkehrsunternehmen aus, denen in Zuge einer klimafreundlicheren Verkehrswende eine besondere Rolle zukommt?
Aktuell finde DSW21 genug passende Kandidaten, die in der eigenen Fahrschule ausgebildet werden, teilt das Unternehmen mit. Aber das Durchschnittsalter bei DSW21 beträgt nach Unternehmensangaben rund 47 Jahre. Bis zum Jahr 2032 werden etwa 40 bis 45 Prozent der Mitarbeitenden in den Ruhestand gehen. „Das Recruiting stellt bei DSW21 – wie überall in Wirtschaft und Verwaltung – eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre dar“, teilen die Stadtwerke mit.
„Unsere Erwartungshaltung an die Politik ist, dass sie die Verkehrsunternehmen – anders als in der Vergangenheit – finanziell so ausstattet, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können“, heißt es von DSW21. Eine Anpassung der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit wünschen sich auch Arne Berger, Georg Krone und Eren Yavuz. Denn eigentlich fahren sie gerne Bus.
Als gebürtiger Dortmunder bin ich großer Fan der ehrlich-direkten Ruhrpott-Mentalität. Nach journalistischen Ausflügen nach München und Berlin seit 2021 Redakteur in der Dortmunder Stadtredaktion.
