Dortmund und das Ruhrgebiet waren über Jahrzehnte bekannt für seine große Industrie, für rauchende Schlote und für schlechte Luft. Mit dem Strukturwandel hat sich dieses Bild deutlich verändert. Der Luftreinhaltungsplan Ruhrgebiet sieht Dortmund als mittlerweile von „mittlerer Industrialisierung geprägt“. Aber auch in den letzten Jahren haben viele Unternehmen Abgase in die Dortmunder Luft geleitet.
Um herauszufinden, welche Unternehmen dabei die geltenden Grenzwerte überschritten haben, hat diese Redaktion in einer Kooperation mit Correctiv.Europe und Correctiv.Lokal Daten der Europäischen Umweltagentur (EUA) im Zeitraum von 2007 bis 2021 ausgewertet.
Denn wenngleich die Industrie in Dortmund längst nicht mehr der herausragende Faktor für die Luftverschmutzung ist, hat sie doch einen wesentlichen Anteil an der CO₂-Bilanz in der Stadt.
Luftschafstoffe mit Folgen für Menschen
Die Stadt Dortmund hat für eine Treibhausgasbilanz die verschiedenen Treibhausgase wie Kohlenstoff, Methan und Lachgas in CO₂-Äquivalente umgerechnet. Nach dieser Berechnung sind im Jahr 2020 in den verschiedenen Sektoren in Dortmund 3,37 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent ausgestoßen worden. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist das in etwa so viel, als würden 3,3 Millionen Menschen von Deutschland aus auf die Malediven fliegen und zurück.
Die Industrie in Dortmund hatte daran mit 0,6 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent einen Anteil von 17,8 Prozent.
Wir haben uns exemplarisch Daten für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO₂) und den Luftschadstoff Stickoxid (NOx) angeschaut. CO₂ ist als klimarelevantes
Gas verantwortlich für den Treibhauseffekt und hat damit nur indirekte Folgen für unsere Gesundheit. Folgen des Klimawandels wie Überhitzung, mehr Stürme und Starkregenereignisse können aber durchaus eine Gefahr für Menschen darstellen.
Stickoxide hingegen haben als Luftschadstoff ganz direkte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Wie eim Einatmen können in der Lunge Zellschäden und entzündliche Prozesse auslösen. Je höher die Stickoxid-Konzentration in der Luft ist, desto mehr Sterbefälle und Krankenhausaufnahmen aufgrund von Atemwegserkrankungen können festgestellt werden.
65 genehmigungspflichtige Anlagen
Für größere Industrieanlagen gelten bestimmte Schwellenwerte für ihre Emissionen. Bei Überschreitung dieser Schwellenwerte, die für jeden Schadstoff unterschiedlich sind, muss eine Anlage ihre Emissionen an die Europäische Union und ihre nationalen Behörden melden. Liegen die Emissionen einer Anlage unter diesem Schwellenwert, muss sie ihre Emissionen nicht melden. Dann erscheint sie auch nicht in den Daten der EUA.
Für besonders umweltrelevante (Industrie-)Anlagen ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. In Dortmund beobachtet sie 65 Anlagen. Sie erteilt Genehmigungen zur Errichtung, zu wesentlichen Änderungen und zum Betrieb. Die Bezirksregierung kümmert sich als Genehmigungsbehörde auch um die Überwachung der Betriebe.
Wie die Auswertung der Daten der EUA zeigt, haben in den Jahren von 2007 bis 2021 drei Unternehmen in Dortmund die festgelegten Grenzwerte für CO₂ und NOx überschritten. Insgesamt haben sie in dieser Zeit insgesamt 9,74 Millionen Tonnen CO₂ und 6.390 Tonnen Stickoxide gemeldet, die sie ausgestoßen haben.
Die Gesamtmenge, die diese Unternehmen an Emissionen ausstoßen, lässt sich anhand dieser Daten aber nicht nachvollziehen, weil die Industriebetriebe ihre Werte eben nur bei Überschreitungen melden müssen. Sie geben aber ein Gefühl für die Dimensionen und die Verantwortung großer Industrie-Unternehmen.
Große Luftverschmutzer sind verschwunden
Zwei der großen CO₂-Verursacher existieren mittlerweile nicht mehr. Das Knepper-Kraftwerk an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel war Ende 2014 vom Betreiber E.ON stillgelegt worden. Bis dahin hatte es von 2007 an mehr als 9 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen und allein 5.686 Tonnen Stickoxide in die Luft abgelassen.
Auch das RWE-Heizkraftwerk an der Weißenburgerstraße, das die Grenzwerte von 2016 bis 2018 überschritten hat und für diese drei Jahre insgesamt 309.000 Tonnen CO₂ gemeldet hat, ist seit Sommer 2022 außer Betrieb. Nach einer Schätzung der Europäischen Umweltagentur (EUA) hat das Kraftwerk allein mit seinen Emissionen im Jahr 2017 Kosten für die Gesellschaft in Höhe von 10,92 Millionen Euro verursacht.
Allein die Luftverschmutzung durch die größten Industrieanlagen hat die deutsche Wirtschaft im Jahr 2017 etwa 60 Milliarden Euro gekostet. Diese Kosten sind durch Krankheiten, Belastungen des Gesundheitssystems und vorzeitige Todesfälle entstanden. Und das, obwohl die EU und auch Deutschland seit Jahren ihre Schadstoffemissionen schrittweise reduzieren.
Auch die Stadt Dortmund ist bestrebt, die Emission auf dem Stadtgebiet zu reduzieren. Wie im September bekannt wurde, wird das ausgerufene Ziel der Klimaneutralität bis 2035 aber verfehlt.
Fernwärme-Einspeisung
Das fossile Heizkraftwerk an der Weißenburgerstraße konnte abgeschaltet werden, da es durch die gesteigerte Fernwärmeproduktion der Deutschen Gasrußwerke im Dortmunder Hafen und den Fernwärmeausbau von DEW21 vom Netz genommen werden konnte. Das Unternehmen stößt rund 300.000 Tonnen CO₂ pro Jahr aus und damit die Hälfte der industriellen Emissionen in Dortmund.
Da das Unternehmen das CO₂ ohnehin bei seiner Produktion ausstoßen würde, die Abwärme nun aber ins Fernwärmenetz eingespeist wird und das Heizkraftwerk abgeschaltet werden konnte, steht unterm Strich eine CO₂-Einsparung für Dortmund. Laut DEW21 können so 45.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart werden. Siegfried Moritz, Finanzchef der Deutschen Gasrußwerke, hatte im September gegenüber dieser Redaktion betont, dass man weiter bestrebt sei, CO₂ einzusparen.
Größter industrieller NOx-Verursacher
Das Dortmunder Umweltamt sieht keinen direkten zwischen den Emissionen von Industrieanlagen in Dortmund und den Immissionen im Stadtgebiet. „Denn die Höhe der Schornsteine führt dazu, dass sich die Emissionen nicht zwingend im Stadtgebiet niederschlagen. Die derzeit geltenden Immissionsgrenzwerte wurden in Dortmund im Jahr 2022 eingehalten“, heißt es in einer schriftlichen Antwort.
Im Jahr 2021 hatten die Gasrußwerke die Grenzwerte bei Stickstoffoxiden überschritten und der EUA für das Jahr 699 Tonnen NOx gemeldet. Das ist geringer als noch vor einigen Jahren, als im Luftreinhalteplan Ruhrgebiet für das Jahr 2016 775,6 Tonnen angegeben waren.
Das Unternehmen war damit der mit Abstand größte industrielle Emittent des Luftschadstoffs in Dortmund. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 hatten alle Pkws in Dortmund in einem Jahr etwa 1.097 Tonnen NOx ausgestoßen. Im Jahr 2022 wurden an allen NOx-Messstationen an Dortmunder Straßen die Grenzwerte nicht überschritten.
Wie im Handlungsprogramm Klima-Luft 2030 festgehalten ist, ist die Stickoxid-Belastung durch die Industrie in Dortmund in der Vergangenheit deutlich zurückgegangen. Das liegt vor allem am Wegfall emittierender Anlagen. „Mehr als die Hälfte der Emissionen aus genehmigungsbedürftigen Anlagen ging im Jahr 2008 auf Anlagen der Branche Wärmeerzeugung, Bergbau und Energie zurück“, heißt es in dem Programm.
Damals hatten die genehmigungsbedürftigen Anlagen noch fast 3.000 Tonnen NOx im Jahr ausgestoßen, 2016 waren es mit knapp 1.200 Tonnen fast Zweidrittel weniger.
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation der Ruhr Nachrichten mit CORRECTIV.Europe und CORRECTIV.Lokal. Beide Projekte fördern den Lokaljournalismus und stärken somit die Demokratie. Mehr unter correctiv.org/lokal
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