Im „Dry January“ verzichten viele Dortmunderinnen und Dortmunder nach den trinklastigen Feiertagen auf Alkohol: Januar-Abstinenz in der ehemaligen Bierstadt also. Aber macht sich das in Dortmund bemerkbar und wie steht es eigentlich insgesamt um den Alkoholkonsum in der größten Ruhrgebietsstadt mit der stolzen Brauertradition? Und welche Folgen hat er?
Über die Jahre ist die Bierproduktion in Dortmund deutlich zurückgegangen. Produzierte die Dortmunder Actienbrauerei 1997 allein noch 4 Millionen Hektoliter Bier, liegt die Produktion der Radeberger-Gruppe, in der nahezu alle Dortmunder Marken sowie weitere nationale Marken produziert werden, nach internen Informationen mittlerweile bei 350.000 Hektolitern im Jahr. Genaue Zahlen zur Produktion wollte die Radeberger-Gruppe nicht mitteilen.
Die beiden kleineren Dortmunder Marken, die Bergmann-Brauerei und die neu gegründete Borussia-Brauerei, sind da offener. Die Bergmann-Brauerei ist seit ihrer Gründung 2007 kontinuierlich gewachsen und liegt aktuell bei etwa 10.000 Hektolitern im Jahr. Die Borussia-Brauerei produzierte nach eigenen Angaben in 2024 rund 1.000 Hektoliter. Für 2025 sei ein deutliches Wachstum geplant, sagt Mitgründer Jan-Henrik Gruszecki.
Wie viel von dem in Dortmund produzierten Bier getrunken wird, lässt sich daraus schwer ableiten. Marken wie Kronen finden vor allem im Dortmunder Stadtgebiet Anklang, DAB ist aber auch in Italien gefragt. Der Blick auf die Produktionskapazitäten zeigt aber: Bier wird deutlich weniger nachgefragt. Eine Entwicklung, die sich deutschlandweit seit Jahren abzeichnet.
Bierkonsum sinkt
Lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Bier im Jahr 2000 noch bei 125,5 Litern, sank er auf 91,8 Liter im Jahr 2022. Insgesamt ist der Verbrauch an Reinalkohol seit 1980 deutlich gesunken. Damals waren es noch 15,1 Liter pro Kopf, 2020 lag man bei 10 Litern. Im internationalen Vergleich weist Deutschland damit aber nach wie vor einen hohen Alkoholkonsum auf, heißt es von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Eine Entwicklung, die in dieser Form auch vor Dortmund nicht haltmacht.
Wie viel Dortmund trinkt, lässt sich jedoch nicht trennscharf auf die Stadtgrenzen herunterbrechen. Die Datenlage und Vergleichswerte dazu sind dünn. Angefragte Supermärkte und Getränkelieferanten wollten sich nicht in ihre Verkaufszahlen hineinschauen lassen.

Offizielle Berichte für Dortmund sind schon mehrere Jahre alt. Der Suchtbericht der Stadt Dortmund aus dem Jahr 2017 geht von 13.000 alkoholabhängigen Menschen aus. Weitere 12.000 Menschen konsumierten Alkohol in schädlicher Weise. Insgesamt haben damit im Betrachtungszeitraum von 2011 bis 2015 rund 25.000 Dortmunderinnen und Dortmunder eine behandlungsbedürftige alkoholbezogene Störung aufgewiesen – also rund 4 Prozent der Stadtbevölkerung.
Wir haben versucht, uns der Thematik über Gesprächspartner und Krankenhausdaten anzunähern - und blicken dabei zunächst auf die Jugend:
Weniger Komasaufen bei Jugendlichen
Das Statistische Landesamt IT.NRW hat die Zahl der 10- bis 20-Jährigen, die unter dem Stichwort „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol – akute Intoxikation“ stationär behandelt wurden, nach Städten und Kommunen in Nordrhein-Westfalen ausgewertet. In erster Linie handelte es sich hier um akute, notfallmäßig behandelten Alkoholvergiftungen.
Betrachtet man den Anteil an der gleichaltrigen Bevölkerung liegt man bei dieser Fallzahl in Dortmund mit einem Anteil von 0,11 Prozent sogar leicht unter dem Landesschnitt (0,14 Prozent). Mit ähnlich großen Städten wie Düsseldorf und Duisburg (jeweils 0,10 Prozent) liegt man in etwa gleich auf, Essen weist einen etwas höheren Wert als Dortmund auf (0,16 Prozent).
Über die Jahre betrachtet sind die absoluten Zahlen von Krankenhausbehandlungen in Dortmund wegen akuter Intoxikationen in dieser Altersgruppe deutlich gesunken. Waren es 2015 noch 202 Fälle, wurden 2022 nur 62 Fälle verzeichnet. Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag die Fallzahl bei 143.
Wie das Klinikum mitteilt, liege die jährliche Zahl der Alkoholintoxikation, die in der Notaufnahme am Standort Mitte behandelt werden, über die vergangenen zehn Jahre zwischen 450 und 500 Fällen. Diese Zahlen beziehen sich nicht nur auf Jugendliche, sondern die Gesamtheit der Fälle. Nicht eingerechnet sind Verletzungen durch Schlägereien, Stürze oder Glasschnitte, die in Folge von Alkoholkonsum entstanden sind, sondern lediglich Fälle, in denen die Patienten wegen direkter Folgen übermäßigem Alkoholkonsums behandelt worden waren.
Alkohol-Faktor Fußball
In den Zahlen zeigt sich auch der Faktor Fußball: Wie Klinikumssprecherin Susanne Riese mitteilt, habe es im Jahr der Heim-Fußball-EM circa 590 Fälle von Alkoholintoxikationen gegeben, die in Mitte behandelt worden waren. Ein deutlicher Ausreißer: Allein im Juni des vergangenen Jahres gab es statt normalerweise rund 40 Fällen über 100 Alkohol-Intoxikationen. „Darunter waren auch viele Gäste. Dortmund hat durch die Fußballfans in der Zeit natürlich auch einen erheblichen Bevölkerungszuwachs erlebt“, sagt Riese.
Fußball und Bier, das gehört für viele zusammen. Nicht jeder kennt aber seine Grenzen. „Während der EM war hier schon zu spüren, dass wir mehr Fälle haben“, sagt Dr. Max Hilscher. Er ist Oberarzt in der Gastroenterologie am Klinikum. Nach Stadionbesuchen habe man immer wieder auch Fußballfans, die nach starkem Erbrechen mit Speiseröhrenverletzungen stationär behandelt werden müssen, sagt Dr. Max Hilscher, Oberarzt in der Gastroenterologie im Klinikum.
„Wir sehen Patienten, die durch einmaliges Trinken eine leichte Erkrankung haben und Patienten, die durch langjährigen Konsum schwerste Erkrankungen haben“, sagt Hilscher.
Starke Bauchschmerzen nach Trink-Wochenende
Immer wieder habe man auch mit Bauchspeicheldrüsenentzündung zu tun. „Es ist nicht selten, dass Patienten nach einem alkoholintensiven Wochenende mit starken Bauchschmerzen bei uns auflaufen.“ Auch Personen, die sich wegen eines massiven Katers immer wieder übergeben müssen, behandle man immer wieder. Speiseröhrenverätzungen durch hochprozentigen Alkohol treten außerdem auf.
Außerdem habe man mit den Auswirkungen exzessivem Alkoholkonsums über mehrere Jahre zu tun: Krampfadern in der Speiseröhre, an denen man verbluten könne, Leberzirrhosen und Leberkrebs, Verwirrtheit, Wasseransammlungen im Bauch und Leberausfälle. „Schwerste Alkoholiker sind regelrecht mangelernährt. Da sie ihre Kalorien nur noch über alkoholische Getränke aufnehmen, fehlen wichtige Nährstoffe und Vitamine.“

Aber auch schon bei relativ geringen Mengen Alkohol könne es zu Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und Abgeschlagenheit kommen. Bei einem Kater empfiehlt der Oberarzt, viel Wasser zu trinken, den Mangel an Elektrolyten wieder ausgleichen und dem Körper wieder Ruhe zu geben.
Zum Thema Schmerzmittel bei einem Kater sagt der Mediziner: „Man muss sich bewusst sein, was man da tut: Man hat Probleme wegen des Drogenkonsums und nimmt dann Medikamente, damit man die Auswirkungen verkraftet“, sagt Hilscher. „Wenn man sich krankmelden muss, weil man Alkohol getrunken hat, ist das ein Zeichen dafür, dass man eventuell einen kritischen Alkoholkonsum hat, den man überdenken muss.“
Mehr Krankentage wegen Alkohol
In Dortmund sind die Ausfallzeiten aufgrund von Alkoholproblemen in 2023 weiter deutlich angestiegen. Vollständige Daten für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor, in 2024 setzte sich der Trend aber fort. Das belegt eine aktuelle Auswertung der AOK NordWest.
Danach gingen der Wirtschaft in Dortmund im Jahr 2023 insgesamt 7.733 Arbeitstage bei AOK-Versicherten verloren. Das sind 24,4 Prozent mehr als noch in 2022 mit 6.214 Ausfalltagen. Die AOK Nordwest ist mit rund 135.000 Dortmunderinnen und Dortmunder die Krankenversicherung mit den meisten Versicherten in Dortmund.
Insgesamt wurde in Dortmund im Jahr 2022 bei 3.369 AOK-Versicherten ein Alkoholproblem diagnostiziert, drei Viertel der Betroffenen waren Männer. Auch eine Erhebung des Robert-Koch-Instituts (RKI) bestätigt diese Zahlen. Danach sind 30,6 Prozent der Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen Rauschtrinker.

Sie gaben an, in den letzten zwölf Monaten an mindestens einem Tag pro Monat sechs oder mehr alkoholische Getränke zu sich genommen zu haben. Auch hier liegen die Männer mit 41,3 Prozent deutlich über dem Anteil der Frauen mit 20,8 Prozent. Weitere 12,7 Prozent teilten mit, regelmäßig riskant viel Alkohol zu trinken. Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, fallen meist zunächst nicht negativ auf. Bis es zu ärztlichen Behandlungen kommt, vergehen meist Jahre.
Dortmund ragt für Oberarzt Max Hilscher im Blick auf Alkoholkonsum nicht heraus. „Dortmund ist nach meinem Eindruck nach wie vor eher bierlastig. Der Sozialstruktur einer Großstadt entsprechend, ist der Alkoholkonsum hier aber genauso wie man es für eine Großstadt erwarten würde.“ Dass man es immer wieder mit Stadion-Besuchern zu tun habe, sei hingegen schon eher „Dortmund-typisch“.
„Gehört zum Erscheinungsbild“
„Dortmund ist schon ein Hotspot aufgrund seiner geografischen Lage. Hier laufen viele Autobahnen und Zuglinien zusammen“, sagt hingegen Markus von den Anonymen Alkoholikern (AA) in Dortmund. „Man sieht den Alkoholkonsum schon an vielen Ecken: vor dem Hauptbahnhof, am U-Bahnstationen, im Bereich der Fußgängerzone, abends in und vor den Kneipen. Das gehört zum Erscheinungsbild unserer Städte dazu – generell, nicht nur in Dortmund.“
Er glaube aber, dass es durch den Fußball doch eine besondere Note in Dortmund bekomme. „Der Fußball zieht eine gewisse Klientel an, Alkohol gehört zum Spieltag dazu“, sagt Markus. Er kommt nicht in mehr in Versuchung, wenn in seiner Nähe Alkohol getrunken wird. Aber als er mal wieder ins Stadion wollte, hat er sich lieber einen Freund von den AA mitgenommen – damit sie sich gegenseitig unterstützen können.

Er dachte: „Da trinken 80.000 Menschen Alkohol. Ich habe mich gefragt, ob wir da auffallen. Aber natürlich trinkt da nicht jeder und es interessierte auch niemanden, was wir trinken.“ Es gebe aber schon Leute, die sagen: „Ich gehe dem Fußball aus dem Weg, da ist zu viel Alkohol“, sagt Markus.
In der Wahrnehmung von AA in Dortmund habe sich die Klientel, der Menschen mit Alkoholproblemen verändert. Früher habe man es mehr mit den reinen Alkoholikern zu tun gehabt. „Heute ist Alkohol nur eine von verschiedenen Drogen, die man überall bekommt. Der Mischkonsum verschiedener Substanzen hat zugenommen“, sagt Markus.
„Wir sind keine Selbsthilfegruppe, die den Alkohol verteufelt. Wir sagen nur, wir können damit nicht umgehen.“ Jeder müsse seinen eigenen Umgang damit finden, sagt Markus.

Das sagt auch Oberarzt Dr. Max Hilscher: „Man muss sich bewusst sein, was Alkohol ist, und das ohne es anzukreiden. Alkohol ist eine Volksdroge, ein Mittel damit wir uns gesellig fühlen.“ Man müsse verantwortungsvoll damit umgehen - nicht zu viel, nicht zu häufig - und sich bewusst sein, dass Alkohol nicht unbedingt gut ist. Aber Hilscher sagt auch: „Man muss nicht in allen Belangen perfekt leben. Das ist nicht erreichbar und auch nicht erstrebenswert.“
Ein Monat Alkoholverzicht, wie im Dry-January, habe höchstwahrscheinlich positive gesundheitliche Nebeneffekte wie einen verbesserten Schlaf, verbesserte Konzentrationsfähigkeit und leicht verbesserten Blutdruck. „Auch nach einem Monat schon“, sagt Hilscher.
„Man sollte aber nicht daran gehen und sagen: Ich trinke einen Monat nicht, dafür kann ich die anderen Monate richtig loslegen“, sagt Hilscher. „Die Selbsterkenntnis, fällt es mir schwer, zu verzichten, welche Rolle spielt Alkohol in meinem Leben, das ist eigentlich der Effekt, der alles überragt, was der Dry-January auch gesundheitlich mit sich bringt.“
Alkoholproblem früh erkennen
Das sagt auch Maike Erdmann, sie ist Suchttherapeutin an der LWL-Klinik in Aplerbeck und arbeitet dort unter anderem im Programm „Früh-Intervention-Alkohol“ (Frinta). Es richtet sich an Menschen, die Sorge haben, dass einzelne ihrer Lebensbereiche von Alkohol beeinflusst werden könnten. Ziel des Programms ist es, das Bewusstsein für den eigenen Konsum zu steigern und ein Abrutschen in eine Alkoholsucht frühzeitig zu verhindern.
„Der Dry-January kann dabei helfen, sich seines Alkoholkonsums bewusst zu werden“, sagt Erdmann. Er könne auch dazu beitragen, geringeren Alkoholkonsum von da an langfristiger auszubauen. „Einen Monat nichts zu trinken, beweist jedoch nicht, dass man nicht doch ein Problem mit Alkohol hat.“ Zu problematischem Konsum wird etwa gezählt, wenn man Alkohol funktionalisiert einsetzt. Etwa, um die Stimmung aufzuhellen, Stress abzubauen oder wenn man beim Weggehen nur Spaß haben kann, wenn man auch Alkohol trinkt.

Erdmann und ihre Kolleginnen und Kollegen sehen in der LWL-Klinik alle Bevölkerungs- und Berufsgruppen. „Eine Alkoholabhängigkeit kann jeden treffen“, sagt die Suchttherapeutin. „Obdachlose Menschen, die auf der Straße trinken, fallen uns aber mehr auf, als die Anwältin, die jeden Abend zu Hause trinkt.“ In Dortmund werde man schon häufig mit Alkohol im Stadtbild konfrontiert, findet Erdmann. „Es wird zu vielen Anlässen angestoßen, es gibt Biergärten, die Fußball- und Kioskkultur. Es ist schwierig, sich dem zu entziehen.“
In den Wintermonaten zu Beginn eines neuen Jahres verschwindet der Alkohol aber zumindest in Teilen aus dem Stadtbild: Janina Ludwig, Betreiberin der Gastronomie „Zum Alten Markt“, sieht allerdings keine Auffälligkeiten im Januar, die auf den Dry-Januar“ zurückzuführen seien, sondern vielmehr auf die kalte Jahreszeit.
„Im Januar und Februar sind wir generell weniger besucht. Das liegt aber vor allem daran, dass wir unsere Terrasse nicht öffnen können.“ Für sie als Gastronomin sei es deshalb eher eine Durststrecke. „Wir hoffen immer schnell auf gutes Wetter.“

Das tut auch Thomas Raphael, Geschäftsführer der Bergmann-Brauerei, die auch die Stehbierhalle auf Phoenix-West betreibt. „Aktuell ist eher saure Gurken Zeit“, sagt Raphael. Darauf reagiert die Bergmann-Brauerei. Im Herbst fahre man deshalb die Produktion herunter.
Für das Frühjahr steigere man die Kapazität aber nun wieder, sagt Raphael – auch für das alkoholfreie Bier, das seit einem halben Jahr auf dem Markt ist. „Das wird wirklich gut nachgefragt. Insgesamt bekommen alkoholfreie Sorten auf dem Biermarkt immer mehr Bedeutung“, sagt der Geschäftsführer der Bergmann-Brauerei.
Das merkt auch Charles Gardener, Inhaber des „Londoner“ an der Hohen Straße. „Die Nachfrage geht steil nach oben.“ Vom Dry-January merkt man in dem Pub, der am Freitagabend (17.1.) zum Spiel des BVB prall gefüllt ist, erstmal wenig. Doch auf den Tischen liegen extra „Dry January 2025“-Karten, auf denen über ein Dutzend alkoholfreie Alternativen aufgeführt sind.

Gäste bestellen immer wieder alkoholfreies Bier oder Cider bei den Kellnerinnen und Kellnern, hauptsächlich wird hier am Freitag aber Alkohol getrunken. „Wir haben einen sehr guten Januar, normalerweise sind wir Anfang des Jahres nicht so gut besucht“, sagt Charles Gardener.
Weinhändler Matthias Hilgering bemerkt den Dry-January hingegen deutlicher. „Wir merken schon, dass weniger nachgefragt wird.“ Die Nachfrage nach alkoholfreien Weinen und Sekten hingegen nehme zu. Nicht nur im Januar, sondern generell. Und das über die vergangenen Jahre so stark, dass Hilgering es nicht mehr als Trend, sondern vielmehr als „Bewegung in diese Richtung“ versteht.
Rund zwölf alkoholfreie Weine hat Hilgering mittlerweile im Angebot, dazu diverse Sekte ohne Alkohol. „Das wird für viele Menschen immer interessanter. Der Bedarf wird größer. Die Anfragen aus der Gastronomie steigen ebenfalls“, sagt der Weinhändler. Wein werde zwar im Süden Deutschlands mehr nachgefragt als etwa in Dortmund, aber auch in der alten Bierstadt sei Wein „ein echt starkes Thema“, sagt Hilgering und hebt Veranstaltungen wie Dortmund à la Carte und den Feierabendmarkt hervor.
Interessant sei auch, dass man etwa beim Feierabendmarkt anhand der verkauften Weine erkennen könne, welches Klientel da war. Wurden süßere Weine stark nachgefragt, hätten vor allem jüngere Menschen den Markt besucht, sagt Hilgering.

Gegenüber den Vorjahren ist eine leicht rückläufige Tendenz im Alkoholkonsum zu registrieren. Dennoch gehört Deutschland im internationalen Vergleich unverändert zu den Ländern mit einem hohen Alkoholkonsum und liegt im oberen Drittel der Rangliste.
Die durch Alkoholkonsum verursachten volkswirtschaftlichen Kosten betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr (DHS, Jahrbuch Sucht 2024). Diese Kosten umfassen sowohl direkte medizinische Kosten als auch indirekte Kosten durch Produktivitätsverluste, vorzeitige Verrentung und Sterblichkeit.
Die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) basieren auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese zeigen, dass jede Form des Alkoholkonsums, selbst in geringen Mengen, langfristig schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Es wird betont, dass kein risikofreier Alkoholkonsum existiert.
Laut dem Alkoholatlas 2022 des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) starben in Deutschland im Jahr 2020 rund 14.200 Menschen (davon 10.600 Männer und 3.600 Frauen) an Krankheiten, die ausschließlich auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind.
40.000 Tote jährlich
Wenn man Krankheiten einbezieht, bei denen Alkohol ein Mitfaktor ist, liegt die Zahl der alkoholbedingten Todesfälle jedoch deutlich höher. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich über 40.000 Menschen in Deutschland vorzeitig an den Folgen ihres Alkoholkonsums sterben (DKFZ, 2022).
Laut einer aktuellen Auswertung des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung (Bifg) waren im Jahr 2023 in Nordrhein-Westfalen rund 275.000 Menschen aufgrund von Alkoholsucht in ärztlicher Behandlung. Von diesen waren etwa 185.000 Männer und zirka 90.000 Frauen alkoholabhängig. Besonders häufig tritt die Sucht bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte auf: Bei rund 53.000 Männern und 25.000 Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren wurde in NRW eine Alkoholsucht diagnostiziert.
Nordrhein-Westfalen liegt mit einem Anteil von 1,5 Prozent alkoholkranker Menschen unter dem Bundesschnitt (1,69 Prozent). Gemeinsam mit Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz weist NRW damit bundesweit die niedrigste Rate aus. „Die erheblichen regionalen Unterschiede bei Alkoholsucht lassen sich nicht allein medizinisch erklären. Auch soziale und demografische Aspekte spielen vermutlich eine wichtige Rolle“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in Nordrhein-Westfalen.
Trinken Sie selbst zu viel Alkohol?
- Wer mehr über das LWL-Programm „Früh-Intervention-Alkohol“ (Frinta) und eine Teilnahme erfahren möchte, kann Kontakt aufnehmen unter: 0231/4503 2777 oder per Mail unter frinta@lwl.org
- Trinke ich zu viel? Zu dieser Frage bietet etwa die Krankenkasse Barmer einen Online-Selbsttest auf ihrer Webseite an.
- Ein Meeting der Anonymen Alkoholiker findet täglich um 19.30 Uhr in der Dudenstraße 4, 44137 Dortmund statt. Sonntags gibt es zusätzlich einen Termin um 10.30 Uhr.