Antragsflut nach Gesetzesänderung 10.000 Wohngeld-Anträge in Dortmund noch nicht bewilligt

Nach Gesetzesänderung: 10.000 Wohngeld-Anträge noch nicht bewilligt
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Bundesbauministerin Klara Geywitz hatte nicht weniger versprochen als eine „historische Wohngeldreform“ - die Gesetzesänderung, die zum 1. Januar in Kraft trat, sollte „Bürger in zwei Millionen Haushalten dauerhaft, zielgenau und verlässlich unterstützen“. Allerdings hat die SPD-Ministerin die Rechnung ohne die gemacht, die das Vorhaben umsetzen müssen - die Ämter in den Kommunen waren und sind von der Antragsflut überfordert.

Allein in Dortmund liegen mehr als 10.000 Anträge bei der zuständigen Wohngeldstelle, die noch nicht bewilligt sind. Eine Betroffene erzählt, was das für sie bedeutet.

Alwine Schmidt (Name geändert, richtiger Name der Redaktion bekannt) bezieht seit Juli 2022 Wohngeld. „Die ersten sechs Monate kam das Geld problemlos“, sagt die Frau, die im Dortmunder Westen wohnt. Aber ihr neuer Antrag, der Mitte Dezember bei der zuständigen Stelle eingegangen war, wurde lange nicht bearbeitet. „Ich finde, das ist kein akzeptabler Zeitraum“, sagt sie.

Zumal sie sich für die Miete Geld leihen musste - „es ist ja für einen Vermieter nicht akzeptabel, so lange auf sein Geld zu warten“, sagt sie. Also pumpte sie Angehörige an und überzog ihre Konten - wofür wiederum happige Zinsen fällig sind. Dass sie als Selbstständige arbeitet und das geliehene Geld nach ihrer Darstellung auch noch als „Einkommen“ verbucht wurde, macht ihre Antragssituation nicht einfacher.

Bei aller individueller Probleme - der Fall wirft ein Licht auf die generelle Lage und das Problem mit dem Wohngeld auch in Dortmund: „Es ist derzeit von einer voraussichtlichen Bearbeitungszeit von bis zu vier Monaten auszugehen. Diese Zeitangabe gilt für die Anträge, für die bereits alle erforderlichen Unterlagen eingereicht wurden. Wo das nicht der Fall ist, schickt das Amt für Wohnen eine Aufforderung, die Unterlagen nachzureichen. Die Zeit bis alles vollständig ist, kommt entsprechend individuell noch oben auf die Wartezeit drauf“, erläutert Stadt-Sprecher Christian Schön den Stand der Dinge.

Bei Alwine Schmidt war es ähnlich: Die beantragte Verlängerung des Wohngelds wurde zwar am 19, Dezember 2022 eingereicht. „Die zunächst fehlenden Unterlagen lagen aber erst Ende März vor“, erklärt Christian Schön.

Zahl der Haushalte verdoppelt

„Aktuell sind die Bearbeitungszeiten erheblich länger als vor der Wohngeldnovelle zum 1. Januar 2023. Derzeit konnten bei der Stadt Dortmund noch etwas mehr als 10.000 Anträge nicht abschließend bearbeitet werden, da noch Unterlagen fehlen oder angefordert werden müssen“, sagt Christian Schön. Durch das neue Gesetz war der Personenkreis, der Wohngeld bekommen kann, massiv ausgeweitet worden - die Zahl hat sich mit zwei Millionen berechtigten Haushalten bundesweit verdoppelt.

Das schlägt auch auf Dortmund durch: „Im gesamten Jahr 2022 sind über 19.700 Anträge gestellt worden. Bereits bis Ende Juli sind dagegen schon fast 17.000 Anträge eingegangen. Es wird in Dortmund mit mehr als einer Verdoppelung der Berechtigten gerechnet“, erklärt Christian Schön.

Nicht nur, dass mehr Menschen berechtigt sind, sie bekommen auch mehr Geld: Bundesweit ging das Ministerium durch die Neuregelung von einer Steigerung des durchschnittlichen Wohngeldbetrags von monatlich 180 auf 370 Euro aus. In Dortmund liegen diese Sätze real höher: Derzeit liegt der durchschnittlich ausgezahlte Wohngeldbetrag bei 495 Euro monatlich pro Haushalt. Im vergangenen Jahr waren es lediglich 274 Euro.

Entsprechend hat die Stadt bis Ende Juni schon 24,8 Millionen Euro ausgezahlt. Das sind gut vier Millionen mehr als im gesamten Jahr zuvor. Die Bewilligung wird kommunal verwaltet, das Geld kommt je zur Hälfte vom Bund und von Land.

Viele Anfragen

Da nicht nur Personenkreis und Höhe verändert wurden, sondern bestimmte Komponenten - wie zum Beispiel Heizkosten - hinzugekommen sind, gibt es viele Rückfragen. „Es besteht ein anhaltend hoher Informations- und Beratungsbedarf bei den Bürgerinnen und Bürgern. Täglich erreichen die Wohngeldstelle eine Vielzahl an telefonischen Anfragen und E-Mails“, schildert Christian Schön die Situation. Ob man generell ein Anrecht auf Wohngeld hat, lässt sich auch online berechnen.

Die Stadt Dortmund hatte die Personalausstattung im Amt für Wohnen mit Blick auf die Gesetzesänderung „deutlich erhöht“, so Christian Schön. Das führe aber auch dazu, dass viele Mitarbeiter in der Einarbeitung seien - „durch diese Schulungsbedarfe verzögern sich die Bearbeitungszeiten“. Und: „Durch zwischenzeitliche Fluktuationen und längere Krankheitsausfälle ergeben sich Personalengpässe, die nun zu einer Verlängerung der Bearbeitungszeiten führen“, schildert der Stadt-Sprecher die derzeitige Situation.

Durch „Optimierung der Arbeitsabläufe und der Einführung weiterer digitaler Prozesse“ versuchen die Mitarbeiter, den Bearbeitungsstau abzubauen. „Dies wird sich jedoch erst nach und nach positiv auf die Rückstände auswirken.“

Alwine Schmidt hatte zunächst bezweifelt, ob überhaupt schon Wohngeld „nach dem neuen System“ in Dortmund ausgezahlt worden ist. Das ist in der Tat tausendfach geschehen. Und auch sie hat nun Nachricht erhalten, dass ihr Antrag bearbeitet wurde und sie „in wenigen Tagen einen schriftlichen Bescheid“ erhalten werde - diesem Schreiben kann sie die Höhe der Sozialleistung entnehmen.

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