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Als in der Alten Post in Brackel die Post abging
Dortmunder Disko-Legenden
Es war kurz aber heftig. Vier Jahre lang war die Alte Post am Brackeler Hellweg ein echter „Party-Hotspot“ in Dortmund. Bis in den frühen Morgen wurde gefeiert – mit Stars und Sternchen.
Den 24. Mai 2006 werden die Brackeler wohl nicht so schnell vergessen. Der König von Mallorca gab sich die Ehre in dem kleinen Dortmunder Vorort. Jürgen Drews war da und mit ihm die Kameras des WDR. Drews hatte einen Auftritt im Bierhaus Alte Post. Wohl eine der ersten „Erlebnis-Kneipen“ in Dortmund. Und der Jürgen, der natürlich mit seinem „Bett im Kornfeld“ anreiste, gab sich fannah und brachte das alte Fachwerkhaus zum Beben.
„Die Straßen in Brackel sind leer gefegt“, berichtete die Lokalzeit aus Dortmund. Kein Wunder, standen doch alle vor der Tür der Alten Post und wollten mitfeiern.
Eine Mischung aus Pinte und Disko
„Das war schon eine verrückte Zeit. Wir hatten eine Idee und haben die einfach ausprobiert. Heute ginge das gar nicht mehr“, sagt Diego Janke. Von 2004 bis 2008 war Janke, auch besser bekannt als DJ Diego, Pächter des Traditionshauses.

DJ Diego am Mischpult. Der 56-Jährige legt regelmäßig im Ratskeller auf. © Jörg Bauerfeld
„Hier war immer ein Restaurant“, sagt Diego Janke. Als DJ hat er dort aufgelegt – bei diversen Festen. Dann wollte der Pächter nicht mehr – und Diego packte zu. Erfahrung, zumindest was das DJ-Business angeht, hatte der heute 56-Jährige schon genug. Eine Gastronomie zu führen, war da schon ein anderes Ding. Aber es fluppte, und wie. Die Mischung aus Pinte und Disko kam so richtig gut an.
Dazu noch diverse Mottopartys und eben die Live-Auftritt von Jürgen Drews, Olaf Henning, Mickie Krause, Der Wendler und Co. Und das beste, die Künstler blieben stundenlang da, nicht singen und weg, sondern es wurde sich unter das Partyvolk gemischt und ab ging’s. Vielleicht war es aber auch das einmalige Flair des alten Fachwerkhauses, das von innen ein bisschen wie eine große Skihütte wirkt.
Fast schon zu voll zum Tanzen
Unten wurde getanzt, und oben, von der Galerie, sich ein Überblick verschafft. Obwohl das mit dem Tanzen meistens schwierig war. So voll war der Laden. „Die Gäste standen mit einem Glas in der Hand in der Menge und wippten ein bisschen. Mehr ging da nicht“, sagt Diego. Der stand natürlich immer persönlich am Mischpult und haute die Hits raus.

Jürgen Drews bei seinem Auftritt 2006. © Privat
Freitags und samstags ab 19 Uhr ging in der Alten Post die Post ab. Dann wurde die ganze Bude zur Tanzfläche. „Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hatten wir normalen Kneipenbetrieb und am Wochenende brannte die Luft“, sagt der DJ. Und die brannte teilweise so, dass es auch Security gab. Finster aussehende Muskelpakete, die vor dem Eingang die Gäste beäugten und im Notfalle auch für Ruhe sorgten.
Bunt gemischtes Publikum
Das Publikum, das das „Feierangebot“ zu schätzen wusste, war bunt gemischt. „Von 16 bis 60“, sagt DJ Diego. „Die jüngeren kamen immer schon um 19 Uhr, die mussten die Pässe abgeben und um kurz vor 24 Uhr mussten sie halt wieder gehen.“ Das habe auch immer geklappt.
Doch, was für Musik lief in der Alten Post? Irgendwie alles hoch und runter. Von Charts bis Schlager war alles dabei. Und natürlich die Live-Auftritte der Schlagerstars. Die hatten in Brackel auch eine ihrer wohl ungewöhnlichsten Umkleideräume. „Die Alte Post war ja immer ein Restaurant und hatte eine große Küche“, sagt DJ Diego. Die hatte aber im Erlebniskneipen-Konzept keinen Platz und wurde zur Künstlergarderobe.

Lange Schlangen vor der Alten Post. © Privat
Das Umziehen neben der Hochglanzarbeitsplatte war für Jürgen Drews kein Problem. Ging es hier doch sowieso, sagen wir mal, etwas rustikaler zu. Inklusive Autogramm auf den blanken Busen. Aufgrund weiblicher Rundungen gab es dann auch zum ersten Mal Probleme mit dem Ordnungsamt.
„Wir hatten ja die blödesten Ideen“, sagt Diego. Also ließ er und sein Team die Damen hinter dem Tresen das Pils Oben ohne in die Gläser füllen. „Zapfen konnten die nicht richtig, aber das war auch egal.“ Und ein echter Skandal damals.
Manchmal Ärger mit dem Ordnungsamt
Einmal waren Mitarbeiter des Ordnungsamtes live vor Ort. Bei einer „Fetisch-Party“. Die Stadtmitarbeiter hatten wohl Angst, dass sich ein neuer Sündenpfuhl entwickelte, und kamen kurzerhand vorbei. „Die Show war schon klasse und alles hörte sich schlimmer an, als es war“, sagt Janke. Da war auch das Ordnungsamt zufrieden.
Geschichten gibt es reichlich aus der Zeit. So wie die mit den Verzehrkarten. Da kamen die Besucher irgendwie nicht mit klar. „Am Tag der Eröffnung, das war am 4. Dezember 2004, fehlten am Ende über 30 dieser Karten“, sagt Diego. „Die dachten wohl alle, das ist Werbung und haben das Zeugs weggeschmissen.“ Geeinigt hat man sich am Ende aber schnell.

Natürlich gab es auch einen Gesangskontest - mit Kasche Kartner © Privat
Und dann war da der Taxifahrer, der einen Gast abholen wollte. Anstatt die Fahrt gemeinsam anzutreten, ließen sich beide gemeinsam volllaufen. Der Taxifahrer schlich sich auf den Boden des Hauses, um seinen Rausch auszuschlafen, und löste am Morgen die Alarmanlage aus, als er den Laden verlassen wollte. „Da klingelte mich plötzlich die Polizei aus dem Bett“, sagt Janke – und muss kräftig lachen.
„Da sind Dinger passiert, die glaubt man gar nicht.“ Der Laden brummte wie verrückt. Trotzdem war nach vier Jahren Schluss mit dem Bierhaus Alte Post. Am 23. Februar 2008 war Schluss mit lustig.
Das alte Haus steht schon zehn Jahre leer
Der Pachtvertrag lief aus, der Eigentümer hatte etwas anderes mit dem alten Fachwerkhaus vor. Dass daraus nichts wurde, ist bekannt – zumindest in Brackel. Nach dem Ende der Erlebnisgastronomie tat sich nichts mehr dort. Das Haus steht leer, seit zehn Jahren. Und DJ Diego? „Ich musste nach der Schließung erst mal Abstand gewinnen“.
Hören Sie in den Soundtrack der Alten Post rein:
Bei dem „Brackeler Jung“ heißt das – Mallorca. Zwei Jahre ging es auf die Lieblingsinsel der Deutschen. Plattenauflegen, was auch sonst. 2010 ging es zurück nach Dortmund. Und es gab auch noch den Versuch, wieder eine Erlebnis-Gastronomie zu übernehmen. Das „Sugar“ an der Aplerbecker Straße. Als „Alte Post 2“ ging es ins Rennen aber nur wenige Wochen. Zu viele hatten zuviel zu sagen, „das funktionierte nicht.“
Aber an die Alte Post erinnern sich noch viele Brackeler. „Viele sagen, dass es schade ist, dass es so etwas nicht mehr gibt“, sagt Diego Janke. Klar, denn jetzt hat ja auch der König von Mallorca keinen Grund mehr, in Brackel vorbei zu schauen.
Jörg Bauerfeld, Redakteur, berichtet hauptsächlich in Wort, Bild und Ton aus dem Dortmunder Süden.
