Lange prüfte der Verfassungsschutz. Extra wartete die Behörde Wahlkampf und Ausgang der Bundestagswahl 2025 ab, bevor die Entscheidung veröffentlicht wurde. Seit Freitag, 2. Mai, steht nun aber fest: Die Behörde stuft die gesamte AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein.
Mehr als 1100 Seiten soll das interne Gutachten haben, erklärt eine Sprecherin des Verfassungsschutzes auf Anfrage unserer Redaktion. Der Inhalt indes ist bislang noch geheim. So könne sie auch nicht sagen, welche AfD-Politiker im Gutachten erwähnt werden. Welche Rolle einzelne AfD-Akteure für das Gutachten gespielt hätten, werde man nicht öffentlich erklären, hieß es vom Verfassungsschutz auf Anfrage.
Was zur Einschätzung der AfD führte, ist aber öffentlich – und das wiederum legt den Verdacht nahe, dass im Gutachten auch der Name des Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich auftaucht. Zum einen gilt er als bestens vernetzt, zum anderen ist in den vergangenen Jahren der einzige Dortmunder AfD-Politiker von deutschlandweiter Relevanz gewesen.
Die Einstufung der Bundes-AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ wird von verschiedenen Akteuren aus Politik und Wissenschaft als wesentlicher Baustein gesehen, um ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten.
Der Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow sagte im Februar im Zuge einer großen Recherche dieser Redaktion zu Matthias Helferichs Werdegang: „Wenn irgendwann ein Verbotsantrag zur AfD gestellt wird, wird Material von Matthias Helferich dabei sein. Er gehört inhaltlich mit zum radikalsten Teil in der AfD.“
Nähe zu Rechtsextremisten
Betrachtet wurde im Bericht des Verfassungsschutzes nicht nur, was die Repräsentanten der AfD sagen und schreiben, sondern auch „ihre Verbindung zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen“. Helferich lud mehrfach den rechten Vordenker Götz Kubitschek ein, dessen mittlerweile aufgelöstes „Institut für Staatspolitik“ beim Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextem“ galt.
Kubitschek war in Helferichs Wahlkreisbüro zu Gast sowie auf Einladung des Dortmunders auch in Räumen des Bundestags. Im Gespräch mit unserer Redaktion wollte sich Helferich auch von anderen Rechtsextremisten nicht abgrenzen – etwa als es um die „Sächsischen Separatisten“, einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung mit Umsturzfantasien, ging.

Martin Sellner, langjähriger Chef der rechtsextremistischen Identitären Bewegung Österreich, rief vor einigen Monaten dazu auf, Helferich zu unterstützen. Helferich teilte diesen Aufruf. Im Großen und Ganzen hänge Matthias Helferich demselben Weltbild an wie ein Höcke oder Kubitschek, sagte Fabian Virchow im Februar: „Er gehört der dezidiert völkischen Strömung der AfD an.“
„Institutionen unsere Gegner“
„Dem gesetzlichen Auftrag folgend“ hatten der Verfassungsschutz „das Agieren der Partei an den zentralen Grundprinzipien der Verfassung zu messen: Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip.“
Helferich schrieb am 8. April auf Telegram – als Reaktion auf ein Gerichtsurteil: „Wir Rechten müssen unsere Institutionengläubigkeit ablegen. Wenn das der Rechtsstaat ist, darf die AfD keine Rechtsstaatpartei sein. Die Institutionen des Staates sind nicht neutral, sie gehören unseren Gegnern.“
Vorwurf: Missachtung der Menschenwürde
Die AfD missachte die Menschenwürde, urteilt der Verfassungsschutz weiter: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.“
Kontinuierlich gehe es darum, „irrationale Ängste und Ablehnung“ gegenüber Bevölkerungsgruppen zu schüren – etwa pauschal gegenüber Geflüchteten, Migranten oder „deutschen Staatsangehörigen mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern“.
Während der Bericht zur neuen Einstufung nicht öffentlich ist, hat netzpolitik.org Anfang Februar 2025 das 1000-seitige Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz veröffentlicht, das Grundlage für die Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextremer Verdachtsfall ist. Es war die Vorstufe vor der nun erfolgten Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“. Auch Matthias Helferich wird in dem Bericht in fünf Kontexten erwähnt.
Aufgeführt ist etwa ein Beitrag Helferichs, der im August 2019 auf der Seite des AfD-Kreisverbandes Dortmund veröffentlicht wurde, in dem Helferich über Deutschland schrieb, es verkomme zum „multi-kulturellen Schlachthaus“. Flüchtlinge würden durch solche Aussagen „systematisch verächtlich gemacht und als kollektives Feindbild konstruiert“, bewertet der Verfassungsschutz Helferichs Aussage in dem Bericht von 2021.
Bundesweit seit 2021 bekannt
Ein aktueller Blick in Helferichs öffentlichen Kanal in einem Messenger-Dienst zeigt exemplarisch: Mal spricht er von „alltäglichen Massenvergewaltigungen“, dann geht es um die muslimischen Vornamen von Intensivtätern mit deutscher Staatsangehörigkeit oder darum, dass Tatverdächtige einen „nicht-deutschen Hintergrund“ hätten.
2021 war Helferich bundesweit bekannt geworden, weil er sich in einem Chat als „freundliches Gesicht des NS“ sowie als „demokratischer Freisler“ bezeichnet hatte. Der AfD-Politiker, der daraufhin von 2021 bis 2025 nicht Teil der Bundestagsfraktion war, behauptet: Das sei ironisch gemeint gewesen.
Helferich spricht von „Repressionen“
Helferich selbst erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, die Einschätzung des Verfassungsschutzes sei „erwartbar“ gewesen. Er sieht das nicht inhaltlich, sondern politisch motiviert: Die AfD sei in Umfragen stärkste Partei gewesen, deshalb würden „die Repressionen“ erhöht.
Mittlerweile hat die AfD Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht, weil diese das Bundesamt für Verfassungsschutz vertritt. So will sie gerichtlich gegen die Einstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ vorgehen.