
© Klaus-Dieter Hoffmann
Nach fast einhundert Jahren: Schreibwaren Brocke in Rünthe schließt
Einzelhandel
Schreibwaren Brocke gibt es schon seit 1927. Fünf Jahre vor dem Jubiläum schließt das Rünther Urgeschäft für immer die Türen. Für Mechthild Brocke eine schwere, aber wohlüberlegte Entscheidung.
Wenn Mechthild Brocke Ende dieses Monats ein letztes Mal zum Feierabend die Ladentür ihres Schreibwarengeschäfts abschließt, dann dürfte damit zugleich auch so etwas wie eine Ära zu Ende gehen. Denn seit fast einhundert Jahren ist „Schreibwaren Brocke“ für viele Rünther ein fester Begriff.
Das ganze letzte Jahr hat Mechthild Brocke mit sich selbst gerungen und sicherlich so manch unruhige Nacht verbracht, als sie sich nun entscheiden musste, höre ich nun auf, oder mache ich doch noch eine Weile weiter. „Es hängt ja auch sehr viel Herzblut daran“, erzählt Mechthild Brocke und denkt an die vielen Kunden, zu denen sie immer ein sehr gutes Verhältnis gepflegt hat. Und an die vielen netten Gespräche über Gott und die Welt. „Das alles wird mir sehr fehlen“, erzählt sie etwas nachdenklich, „Aber andererseits wird man ja auch nicht jünger.“ Und wo jetzt auch noch das erste Enkelkind da ist, fiel die Entscheidung am Ende denn auch nicht mehr ganz so schwer.
Begonnen hat es im Jahr 1927 an der Rünther Straße
Begonnen hat alles im Jahr 1927, als Mechthilds Großeltern, Heinrich und Luise Hänser, im Haus Rünther Straße 87, damals noch über den Seiteneingang zu erreichen, eine Buchbinderwerkstatt eingerichtet hatten. Keine Frage, dass irgendwann das Angebot mit Schreibwaren, Briefpapier und den nötigen Schreibutensilien erweitert wurde. Das Jahr 1955 war dann eine Art Zeitenwende. Nicht nur, dass die Großeltern das Geschäft an Tochter Anneliese Schweins übergeben haben. Zugleich startete nämlich auch West-Lotto mit dem wöchentlichen Lotto und Toto.
Nicht wenige Rünther hatten natürlich auch immer mal etwas Glück und kamen in der Woche drauf freudestrahlend vorbei, um ihren Gewinn abzuholen. Ein „Sechser“ war sogar auch mal dabei, weiß Mechthild Brocke zu berichten. „Mit dem Geld hat sich der Gewinner ein schickes Haus an der Nordsee gebaut.“

Im Geschäft konnte auch fleißig Lotto gespielt werden. Sogar ein Sechser war schon mal dabei. Den Lottoschein von damals hat Mechthild Brocke noch. © Klaus-dieter Hoffmann
„Bis heute haben wir Schulen mit Büchern beliefert.“ Und neben Schreibwaren, Zeitschriften, Zigaretten, Jugendbüchern, Romanen und Lotto, Toto, Rennquintett, erweiterten irgendwann die Kameras und Ferngläser von Photo Porst das breit gestreute Angebot. In kleinem Rahmen konnten die Rünther hier sogar auch Urlaubsreisen buchen, vor allem Busreisen von Graf, Hafermann und TRD, die bis nach Spanien gingen.
1964 gab es dann den Umbau in den heutigen Zustand, erzählt Mechthild Brocke weiter. An schlechte Zeiten könne sie sich nicht erinnern. Einzig der Umbau der Rünther Straße war für die Kunden schon eine Herausforderung, denn da war der Laden nur über Holzstege zu erreichen.
Wilma Cramer gehört seit April 1964 mit dazu
So einige Rünther Frauen haben natürlich auch mal bei Brocke im Laden mitgeholfen. Aber das ist nichts gegen Wilma Cramer, die seit dem 1.4.1964, also stolze 58 Jahre, zum festen Inventar von Schreibwaren Brocke gehört.
1994 hat Mechthild Brocke dann das Geschäft von ihrer Mutter Anneliese übernommen. Eine vierte Generation wird es allerdings nicht geben, denn die erwachsenen Kinder üben ganz andere Berufe aus.
„Für Rünthe ist es sehr schade, wenn der Laden schließt“, bedauert Mechthild Brocke. „Wir haben ja einen hohen Stammkundenanteil und eine starke Kundenbindung. Viele haben sogar noch den Opa gekannt.“ Entsprechend fallen auch die Reaktionen aus, von Betroffenheit, Bedauern bis einfach nur Schade. Bis zum 31. März läuft nun noch der endgültige Abverkauf der Schreibwaren.