
Dieser Bergkamener ist ein Augenzeuge des Olympia-Attentats 1972: Der damalige Polizist Eckhard Albrecht tat vor 50 Jahren Dienst im © Stefan Milk
Olympia 1972: Eckhard Albrecht aus Bergkamen sprach als Erster mit den Terroristen
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Derzeit denken viele Menschen an den Terror-Überfall auf die israelische Olympiamannschaft in München vor 50 Jahren zurück. Eckhard Albrecht erinnert sich besonders gut: Er war als Erster am Tatort.
In diesen Tagen laufen auf etlichen Kanälen Dokumentationen über die Olympischen Spiele in München vor 50 Jahren. Bei dem Bergkamener Eckhard Albrecht kommen dabei viele Erinnerungen hoch: Vor allem an den tödlichen Überfall palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft. Albrecht kennt nicht nur die vielen Bilder, die später um die Welt gingen. Er war damals selbst im olympischen Dorf, bemerkte die Terroraktion als Erster und stand dem Anführer der Terroristen gegenüber.
Im Sommer 1972 war Ecki, wie ihn alle nennen, 27 Jahre alt und Polizeibeamter in Kamen. Außerdem spielte er begeistert Fußball und war in der Landesauswahl der NRW-Polizei aktiv. „Deshalb hat man mich gefragt, ob ich mich für den Ordnungsdienst bei den Olympischen Spielen bewerben will“, erzählt er. Albrecht tat das und wurde genommen.
Der Ordnungsdienst trug keine Waffen
So kam er schon vor Beginn der Spiele, die vom 26. August bis zum 11. September dauerten, nach München und mit anderen Beamten in einer Kaserne unter. Seinen Dienst tat er im Olympischen Dorf. „Wir waren dort nicht als Polizisten, sondern als Ordnungsdienst eingesetzt“, sagt er. Dieser hatte eigene Uniformen. „Und wir trugen auch keine Waffen.“ Das sollte sich später als Glück herausstellen.

Anfangs genoss Eckhard Albrecht (r.) die lockere Atmosphäre im Olympischen Dorf. Bis zum frühen Morgen des 5. September, © Stefan Milk
Zunächst aber genoss Albrecht die Zeit bei Olympia. Allzu viel zu ordnen gab es im Dorf nicht, er hatte Zeit, Autogramme zu sammeln. Von aktiven Olympioniken wie dem siebenfachen Goldmedaillen-Gewinner Mark Spitz oder Sportlegenden wie Jesse Owens und Emil Zatopek, die ihm im Olympischen Dorf über den Weg liefen.

Zu den Autogrammen, die Eckhard Albrecht sammelte, gehörte auch die Signatur des siebenfachen Goldmedaillen-Gewinners Mark Spitz. © Stefan Milk
Bei der Vorbereitung hatten die Verantwortlichen die Ordnungsdienstler angewiesen, ein besonderes Auge für das Haus Connollystraße 31 zu haben, weil dort die Israelis wohnten. „Aber an einen Anschlag oder einen Überfall dachten niemand“, sagt Albrecht.
Ecki Albrecht und ein Kollege hörten die erste Schüsse
Dann kam der 5. September. Am frühen Morgen hatte Albrecht Dienst gemeinsam mit seinem Kollegen Manfred Grod aus Kamen. „Wir hörten Geräusche, die klangen, als würde jemand Möbel verrücken“, schildert er die Ereignisse.
Es waren die Schüsse, mit denen die Terroristen ihre ersten Opfer töteten. Als er an dem israelischen Quartier eintraf, sah er einen Mann mit schwarz gefärbten Gesicht, der einen Tropenhut trug – und eine Kalaschnikow. Es war der Anführer des Terrorkommandos.

Das Bild von dem Anführer der Geiselnehmer, der unter anderem mit Bundesinnenminister Hans-Dietrich-Genscher (l.) verhandelte, ging um die Welt. © picture-alliance / dpa
Zu seinen Füßen lag ein Mann. „Kann man dem helfen?“, fragte Albrecht aus einem spontanen Impuls heraus. „Der ist tot“, habe der Bewaffnete geantwortet. Es war der Ringer-Trainer Mosche Weinberg, den die Terroristen gleich zu Beginn der Geiselnahme erschossen hatten, ebenso wie den Gewichtheber Josef Romano.
Dann, so berichtet Albrecht, habe ihn der Terrorist auf Waffen untersucht.

Eckhard Albrecht in der Uniform des Olympia-Ordnungsdienstes. © Stefan Milk
Darüber, was mit ihm geschehen wäre, wenn er eine bei sich gehabt hätte, will Albrecht lieber nicht nachdenken. Zudem habe ihm der Mann erklärt, er und seine Komplizen seien vom „Schwarzen September“ und wollten die Welt auf die Probleme der Palästinenser aufmerksam machen. „Aber das könnte Ihr doch nicht bei den friedlichen Olympischen Spielen tun“, lautete Albrechts etwas hilflose Antwort.

Eckhard Albrecht berichtet auch noch 50 Jahren noch lebhaft von seinen Erlebnissen bei den Olympischen Spielen 1972. © Stefan Milk
Sein Kollege Grod hatte derweil Alarm geschlagen. Als die ersten uniformierten und bewaffneten Polizisten anrückten, zog sich Albrecht zurück – ohne dass ihm der Terrorist etwas antat. „Er hätte mich ja auch als Geisel nehmen können“, meint Albrecht heute. Zunächst beobachte er das Geschehen, dabei lief ihm auch noch der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher über den Weg, der mit den Geiselnehmern verhandeln wollte. Dann ging Ecki Albrecht in seine Unterkunft: „Dort bin ich erst einmal vor Erschöpfung eingeschlafen.“
Später erfuhr er dann von dem katastrophalen Ausgang des Dramas: Bei einem dilettantischen Befreiungsversuch der deutschen Polizei kamen auch die anderen neun Geiseln sowie ein deutscher Polizist ums Leben.

Zu den Autogrammen, die Eckhard Albrecht sammelte, gehörte auch die Signatur des siebenfachen Goldmedaillen-Gewinners Mark Spitz. © Stefan Milk
Ecki Albrecht hat danach weiter seinen Dienst im olympischen Dorf versehen. „Aber die Stimmung war eine völlig andere“, sagt er. Von der Lockerheit und Heiterkeit sei nach dem tödlichen Anschlag nichts mehr übrig geblieben. Aber ihm sei auch keine Kritik daran zu Ohren gekommen, dass die Spiele nicht abgebrochen wurden.
Auf die Polizei ist er heute noch schlecht zu sprechen
Kritik übt Albrecht 50 Jahre später: An seinem damaligen Dienstherrn, der Polizei in NRW. Niemand habe sich um ihn nach seiner Rückkehr um ihn gekümmert, er musste das Erlebte alleine verarbeiten, klagt er. Ja, er bekam sogar noch Ärger.
Albrecht war damals Freier Mitarbeiter der Sportredaktion der Westfälischen Rundschau. Die berichtete über seine Erlebnisse. Darauf hätten ihn seine Vorgesetzten zur Rede gestellt: Wie er denn bloß mit der Presse habe reden können.
Ecki Albrecht zog daraus seine Konsequenzen. Er quittierte den Polizeidienst und wurde Sportredakteur bei der WR. Das blieb der heute 77-Jährige, bis er in den Ruhestand ging.
1967 in Ostwestfalen geboren und dort aufgewachsen. Nach Abstechern nach Schwaben, in den Harz und nach Sachsen im Ruhrgebiet gelandet. Erst Redakteur in Kamen, jetzt in Bergkamen. Fühlt sich in beiden Städten wohl.
