Bergkamener Bombe ist viel größer als gedacht und liegt auch noch im Wasser

© Johannes Brüne

Bergkamener Bombe ist viel größer als gedacht und liegt auch noch im Wasser

dzMit Video

Bombenräumungen sind in Bergkamen eigentlich Routine. Auch am Dienstag gelingt es dem Sprengmeister, einen Blindgänger an der Bambergstraße zu entschärfen. Allerdings gibt es unvorhergesehene Probleme.

Bergkamen

, 12.04.2022, 14:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Joachim Reuter und seine Frau sind am Dienstagsvormittag zum Einkaufen nach Dortmund gefahren. Mit einem flauen Gefühl im Magen. Während die Reuters in der Thiergalerie shoppen gehen, entschärft Sprengmeister Andreas Brümmer in ihrem Garten eine Bombe.

Die Reuters wohnen in einem Mehrfamilienhaus an der Kreuzung Nordfeldstraße/Bambergstraße. Dass dort ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet wird, wissen sie schon seit der vergangenen Woche. Er habe am Wochenende gut geschlafen, versichert Joachim Reuter: „Über der Bombe stand ein Swimmingpool. Da ist all die Jahre nichts passiert.“

Als er das sagt, ist die Gefahr allerdings schon beseitigt: Andreas Brümmer hat seine gefährliche Arbeit erledigt, die Bombe ist bereits auf den Lastwagen des Kampfmittelräumdienstes verladen, die Reuters und die anderen Anwohner dürfen wieder in ihre Häuser zurück.

Holger Raue-Bach (l.) vom Kampfmittelräumdienst und Sprengmeister Andreas Brümmer (r.) haben die Bombe entschärft. Stefan Klement vom Ordnungsamt hat den Evakuierungseinsatz geleitet.

Holger Raue-Bach (l.) vom Kampfmittelräumdienst und Sprengmeister Andreas Brümmer (r.) haben die Bombe entschärft. Stefan Klement vom Ordnungsamt hat den Evakuierungseinsatz geleitet. © Johannes Brüne

Der Sprengkörper macht Brümmer und den Behörden und Sicherheitskräften allerdings deutlich mehr Arbeit als vorgesehen. Das fängt schon am Morgen an, als die Kampfmittelräumer damit beginnen, die Bombe freizulegen. Um kurz vor 9 Uhr bekommt Stefan Klement vom Ordnungsamt, der den Evakuierungseinsatz leitet, einen Anruf von Brümmer. Die Bombe wiegt 500 Kilogramm. Das ist ungewöhnlich. „Die Alliierten haben im Zweiten Weltkrieg zu 95 Prozent 250-Kilo-Bomben abgeworfen“, erläutert Klement.

So eine hatte er auch diesmal erwartet und mit einem Evakuierungsradius von 250 Metern gerechnet. Nun muss er ihn verdoppeln. Zu den 368 Menschen in dem ursprünglichen Evakuierungsgebiet kommen noch einmal rund 400 hinzu. Zumindest sind so viele dort gemeldet. Wie viele wirklich ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen, weiß Klement nicht – und wird es auch im Verlauf des Einsatzes nicht erfahren.

Auch Kaninchen Hermine musste seine angestammte Wohnung verlassen

Auch Kaninchen Hermine musste seine angestammte Wohnung verlassen © Stefan Milk

Zu denen, die ihr Heim verlassen müssen, gehören Hermine und Pricilla. Das sind zwei Kaninchen, die mit ihrer Besitzerin Jessica Barnowski (19) an der Bambergstraße wohnen. Sie wartet mit den beiden Karnickeln, einer Freundin und einem Freund auf einem Mäuerchen an der Bambergstraße darauf, wieder nach Hause zu dürfen. Immerhin scheint die Sonne und es ist warm. Das Frühlingswetter weiß auch Hilmar Ellbracht zu schätzen, der auf der anderen Straßenseite auf seinem Rollator sitzt.

Hilmar Ellbracht machte es sich an der Bambergstraße gemütlich, nachdem er seine Wohnung hatte verlassen müssen.

Hilmar Ellbracht machte es sich an der Bambergstraße gemütlich, nachdem er seine Wohnung hatte verlassen müssen. © Stefan Milk

Kurz zuvor haben die Leute vom Ordnungsamt geklingelt und ihm erklärt, dass er das Haus an der Bambergstraße verlassen muss. „Meine Frau ist gerade einkaufen“, sagt der Senior. Sie weiß noch gar nichts von der Evakuierung.

Von seinem Standort aus hat Ellbracht einen guten Blick auf das Gelände der Esso-Tankstelle. Dort hat Klement kurzfristig das Hauptquartier eingerichtet, an dem Ordnungsamt, Feuerwehr, Polizei und DRK zusammenkommen.

Ursprünglich war der Parkplatz der Schillerschule dafür vorgesehen. Aber der liegt nun innerhalb der Evakuierungszone. Tankstellen-Betreiber Cetin Yildrim hat sein Grundstück spontan zur Verfügung stellt. Da die Bambergstraße gesperrt werden muss, rechnet er in den nächsten Stunden ohnehin nicht mit vielen Kunden.

Polizei und Feuerwehr planten ihren Einsatz vom Gelände der Esso-Tankstelle aus.

Polizei und Feuerwehr planten ihren Einsatz vom Gelände der Esso-Tankstelle aus. © Stefan Milk

Die Evakuierung läuft ohne große Probleme. Sie beginnt um kurz nach 11 Uhr, um kurz nach 12.34 Uhr gibt Klement dem Sprengmeister das Signal, dass dieser loslegen kann. Kurz zuvor hatte der noch angerufen, weil er eine Fußgängerin gesichtet hatte. Die war in das Evakuierungsgebiet hinein-, statt hinausgelaufen.

Als auch dieses Problem gelöst ist, beginnt auf dem Tankstellengelände das Warten. Nun macht Sprengmeister Brümmer seine Arbeit, bei der er vorher nie genau weiß, was ihn erwartet. Aber bereits zuvor hatte er Klement per Mobiltelefonanruf gemeldet, dass die Bombe nur einen Zünder hat.

Es wurden deutlich mehr Einsatzkräfte benötigt als ursprünglich vorgesehen.

Es wurden deutlich mehr Einsatzkräfte benötigt als ursprünglich vorgesehen. © Stefan Milk

Gegen 13 Uhr ist ein Knall zu hören. Das ist kein Grund zur Beunruhigung, vermutlich hat Brümmer den Zünder gesprengt. Doch dann gibt es eine zweite Explosion, was schon etwas ungewöhnlicher ist. Und dann dauert es noch bis 13.15 Uhr bis Brümmer Entwarnung gibt.

Grundwassereinbruch macht dem Sprengmeister viel Arbeit

Die Bombe habe ihm ziemliche Probleme bereitet, berichtet er später. Den Doppelknall erklärt er damit, dass er zwei Sprengversuche für den Zünder brauchte: „Das kommt schon mal vor.“ Viel schwieriger war es aber, überhaupt an ihn heranzukommen. Die Bombe steckte senkrecht in der Erde, berichtet Brümmer. Der Zünder befand sich unten. „Dann gab es einen Grundwassereinbruch.“ Nur mit großer Mühe sei es gelungen, überhaupt zum Zünder vorzudringen. „Wir mussten viel pumpen“, sagt Brümmer, der mit Mitarbeitern des Kampfmittelräumdienstes und einer Spezialfirma arbeitet.

Nicola Brunetti (90) und seine Frau Erika haben sich Lektüre und ein Kreuzworträtselheft mit in den Treffpunkt genommen, um sich die Zeit zu verkürzen, bis sie wieder in ihr evakuiertes Haus zurückkehren können.

Nicola Brunetti (90) und seine Frau Erika haben sich Lektüre und ein Kreuzworträtselheft mit in den Treffpunkt genommen, um sich die Zeit zu verkürzen, bis sie wieder in ihr evakuiertes Haus zurückkehren können. © Stefan Milk

Er stand schon kurz vor Aufgabe: „Fast hätten wir die Entschärfung abgebrochen“, sagt er. Was das bedeutet hätte, wollen sich Klement und die anderen Helfer lieber nicht vorstellen. Und Joachim Reuter hätte wohl deutlich mehr als nur ein flaues Gefühl im Magen gespürt.

Aber er hat Glück. Brümmer bringt seine Arbeit erfolgreich zu Ende. Als die Evakuierung aufgehoben ist, macht Joachim Reuter noch schnell ein Handy-Foto von der nun ungefährlichen Bombe. Dann geht er wieder ins Haus.