© Marcel Drawe
Nach den Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft müsste der Rettungswagen in Bergkamen immer schnell da sein. Doch die Realität sieht völlig anders aus – vor allem in zwei Stadtteilen.
Die Bergkamener Sozialdezernentin Christine Busch sucht einigermaßen dringend eine gut geschnittene Wohnung in Bergkamen-Rünthe. Sie sollte sich nicht allzu weit entfernt vom Feuerwehrgerätehaus an der Martin-Luther-Straße befinden. Busch sucht die Wohnung nicht für sich, sondern für den Rettungsdienst. In Rünthe und Oberaden sollen so schnell wie möglich Rettungswachen zusätzlich zu der bisher einzigen am Feuerwehrgerätehaus Bambergstraße eingerichtet werden.
Für den Rettungswagen ist im Gerätehaus in Rünthe noch Platz. Aufenthaltsräume für die Rettungskräfte, die 24 Stunden jeden Tag in Bereitschaft sind, gibt es aber nicht. Deshalb sucht Busch die Wohnung. Die Lösung in Rünthe ist für den Übergang gedacht, bis eine Rettungswache gebaut ist.
Im Gerätehaus in Rünthe soll zumindest für den Übergang ein Rettungswagen stationiert werden. Aufenthaltsräume für die Besatzung fehlen aber. © Marcel Drawe
In Oberaden soll die Rettungswache mit ins neue Gerätehaus ziehen, das ab 2024 gebaut wird. Nach einer Übergangslösung sucht die Stadt fieberhaft.
Die Eile verwundert angesichts einer Studie, die das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kürzlich vorgelegt hat. Wer auf die interaktive Karte geht, die das Institut anbietet, stellt fest, dass Bergkamen die einzige Kommune im ganzen Kreis Unna ist, in der ein Rettungswagen in unter fünf Minuten 95 Prozent der Haushalte erreicht. In allen anderen Kommunen dauert es länger.
Das ist jedoch nur ein sehr theoretischer Wert. Das IW hat lediglich anhand von Open Street Maps die Entfernungen von der nächsten Rettungswache zum möglichen Einsatzort berechnet.
In der Realität sieht das ganz anders aus, sagt Benjamin Winter, der beim Kreis Unna für den Rettungsdienst zuständig ist. Bei der Berechnung des IW sind offenbar auch die Rettungswachen in den Nachbarstädten einbezogen worden. „Es ist zwar theoretisch so, dass sich von der Rettungswache in Werne große Teile von Rünthe schnell erreichen lassen“, sagt er. Wenn aber gleichzeitig oder kurz danach ein Notfall in Werne auftritt, fehlt der Rettungswagen. „Das ist ein Dominoeffekt“, meint er.
Von der Rettungswache an der Bambergstraße lassen sich viele Punkte des Stadtgebiets nicht schnell genug erreichen. © Marcel Drawe
Von der Rettungswache an der Bambergstraße ist der Weg für die beiden Bergkamener Rettungswagen so weit, dass sie die gesetzliche Norm nicht erfüllen können. Vorgeschrieben ist, dass der Rettungswagen im Notfall in städtischen Gebieten nach spätestens acht Minuten da ist. Der Kreis prüft das regelmäßig.
Das Ergebnis der jüngsten Überprüfung war niederschmetternd: Für die ganze Stadt berechnet passt der Durchschnittswert mit 7,50 Minuten gerade noch. Nach Rünthe und Oberaden sind die Rettungswagen aber auf jeden Fall viel zu lange unterwegs. Die durchschnittliche Zeit bei Einsätzen in Rünthe beträgt 8,10 Minuten und in Oberaden sogar 8,55 Minuten.
Für Winter liegt das auf der Hand: „Selbst unter den günstigsten Umständen ist es unmöglich, von der Rettungswache an der Bambergstraße in unter sechs Minuten nach Rünthe oder Oberaden zu kommen.“ Bei der Prüfung vorher hätten die Zeiten „so gerade noch“ gepasst.
Die Kamener Feuerwehr übernimmt den Rettungsdienst in Bergkamen mit. Für den Rettungsdienstbedarfsplan ist der Kreis Unna zuständig, für die Einrichtung der Rettungswachen die Stadt Bergkamen. © Marcel Drawe
Die Planung des Kreises sieht vor, dass es künftig zusätzlich zu der Rettungswache an der Bambergstraße je eine weitere in Rünthe und Oberaden geben soll. An jedem Standort soll ein Rettungswagen mit Besatzung rund um die Uhr in Bereitschaft sein.
Das hat übrigens noch einen weiteren Vorteil: Die Fälle, in denen ein Rettungswagen aus den Nachbarstädten kommen muss, weil die Bergkamener alle im Einsatz sind, würden deutlich weniger. Nach Winters Angaben würde das bei drei Rettungswagen statistisch nur etwa alle 100 Tage vorkommen – also nur etwa drei- bis viermal im Jahr.